Romancing Saga: Minstrel Song Remastered im Test – ein missverstandener Klassiker?

Dies ist ein Gast-Artikel von Dominik Christ, Redakteur beim Big-N-Club e.V.

Die SaGa-Reihe gehört seit über 30 Jahren zum festen Portfolio von Square Enix und doch ist sie hierzulande vergleichsweise unbekannt. Das liegt zum einen daran, dass einige Ableger der Reihe über viele Jahre hinweg niemals außerhalb Japans veröffentlicht wurden. Zum anderen sind die Spiele des SaGa-Franchise bekannt dafür, recht sperrig zu sein und nicht mit der höchsten Zugänglichkeit daherzukommen. Bei Romancing SaGa: Minstrel Song für die Nintendo Switch handelt es sich um ein Remaster der im Jahr 2005 veröffentlichten PlayStation 2-Version, welche wiederum ein vollwertiges Remake des Super Famicom Originals von 1992 darstellt.

Romancing SaGa: Minstrel Song Remastered ist seit dem 1. Dezember 2022 unter anderem für die Nintendo Switch erschienen. Es ist hierzulande ausschließlich digital im Nintendo eShop verfügbar, schlägt mit 24,99 € zu Buche und nimmt etwa 9,5 GB Speicherplatz ein.

Exklusiv im asiatischen Raum wird aber auch eine physische Version für die Nintendo Switch verkauft. Diese kommt mit englischem Text daher (auch unsere Downloadversion ist nicht eingedeutscht) und läuft problemlos auf europäischen Switch-Modellen. Sammler müssen für einen Import aber gut den doppelten Kaufpreis gegenüber einem digitalen Download einplanen.

Nichtlineares Storytelling als zentraler Grundsatz in Romancing SaGa: Minstrel Song

Wie auch der Rest der SaGa-Reihe besticht Romancing SaGa: Minstrel Song durch nichtlineares Storytelling und einen faszinierenden Ansatz, der euch zu Beginn des Abenteuers wählen lässt, mit welchem der acht verfügbaren Charaktere ihr das Abenteuer bestreiten wollt – denselben Kniff hat Square Enix auch später nochmal beim fantastischen Octopath Traveler aus der Trickkiste geholt. Die Wahl des Charakters bestimmt sowohl die Ausgangssituation des Abenteuers als auch den weiteren Verlauf der Story. Genial daran ist, dass ihr die verbleibenden Protagonisten im Laufe eurer Reise treffen und sie sogar rekrutieren könnt. Das erhöht den Wiederspielwert ungemein, da jeder Durchgang völlig andere Facetten aufzeigt und die Karten neu mischt. Tatsächlich ist es absolut empfehlenswert, den Titel mehrmals durchzuspielen und dabei jedes Mal völlig neue Wege zu ergründen. Wer mag, kann so locker 100 Stunden Spielzeit rausholen.

Das Bild zeigt das Charakter-Wahlfenster in Romancing SaGa: Minstrel Song Remastered.
Albert ist der Allrounder und eine gute Wahl für den ersten Durchgang

Nachdem ihr euren Startcharakter gewählt habt, werdet ihr in die offene Spielwelt geworfen und könnt erstmal auf eigene Faust machen, was ihr wollt. Wie bereits erwähnt, nehmen die Spiele der SaGa-Serie diesen offenen Ansatz überaus ernst. Gespräche mit gewöhnlichen NPCs können komplexe Questketten in Gang setzen, die in anderen RPGs zu der Zeit (und auch in den meisten aktuellen) wohl die Hauptaufgabe wären, hier aber nur ein optionales Ereignis darstellen.

In der beispiellosen Offenheit liegt aber nicht nur eine der größten Stärken von Romancing SaGa: Minstrel Song. Das Spiel nimmt euch schlichtweg nicht an die Hand und verlangt von euch, selbst herauszufinden, was als nächstes zu tun ist – selbst wenn das bedeutet, manchmal stundenlang ohne konkretes Ziel durch die Spielwelt zu streifen. Es ist absolut essenziell, mit allen Charakteren zu sprechen und genau aufzupassen, was sie zu euch sagen, da ihre sehr vagen Aussagen oftmals die einzigen Anhaltspunkte sind, welche euch das Spiel gibt. Das weckt den Entdeckerdrang – aber erwartet auf gar keinen Fall, in irgendeiner Weise geführt zu werden. Wenn euch dieser Ansatz abschreckt, solltet ihr einen großen Bogen um Romancing SaGa machen. Zum Glück gibt es wenigstens ein Notizbuch, wo die gewonnenen kryptischen Hinweise gesammelt werden.

Das Bild zeigt ein Gespräch in Romancing SaGa: Minstrel Song.
Das Sprechen mit NPCs nimmt einen großen Teil der Spielzeit ein

Genial daran ist, dass ihr die verbleibenden Protagonisten im Laufe eurer Reise treffen und sie sogar rekrutieren könnt. Dies erhöht den Wiederspielwert ungemein, da jeder Durchgang völlig andere Facetten aufzeigt und die Karten neu mischt. Tatsächlich ist es absolut empfehlenswert, den Titel mehrmals durchzuspielen und dabei jedes Mal völlig neue Wege zu ergründen. Wer mag, kann so locker 100 Stunden Spielzeit herausholen.

Ein klassisches JRPG verpackt in einem unkonventionellen Gewand

Im Grunde geht es also darum, die Welt im eigenen Tempo zu erkunden und Quests zu lösen, welche an jeder Ecke auf euch lauern. Ähnlich wie in Chrono Cross lassen sich unzählige Charaktere für eure Party rekrutieren. Ihre Hintergründe sind meist aber nicht so komplex ausgearbeitet wie die der acht Hauptfiguren. Spannende Geschichten gibt es in großer Menge, sie werden euch aber nicht auf dem Silbertablett präsentiert. Außerdem handelt es sich dabei oft um Handlungsstränge, die in sich geschlossen sind und nur wenig bis gar nichts zum großen Ganzen beitragen. Hier unterscheidet sich Romancing SaGa massiv von anderen Genre-Vertretern wie beispielsweise Final Fantasy oder Dragon Quest, welche auf eine stringent erzählte Geschichte Wert legen.

Wie in jedem JRPG nehmen auch bei Romancing SaGa: Minstrel Song die Kämpfe einen hohen Stellenwert ein. Zahlreiche Monster von unterschiedlichster Größe ziehen über die offene Spielwelt und möchten euch den Garaus machen. Die Kämpfe laufen klassisch rundenbasiert ab, wobei es einige Kniffe gibt, welche den Scharmützeln eine eigene Note verleihen und sie so von der Konkurrenz abheben. Aktionen verbrauchen Battle Points (BP), wobei besonders mächtige Angriffe natürlich mehr kosten. Am Ende jeder Runde gewinnen eure Recken BP dazu, sodass ihr erst im Laufe der Auseinandersetzung eure stärksten Angriffe auf die Gegner loslassen könnt. Außerdem müsst ihr auf den Zustand eurer Waffen achten, da diese bei Benutzung verschleißen. Dieses System bringt unerwartete Tiefe in die Kämpfe.

Das Bild zeigt einen Kampf in Romancing SaGa: Minstrel Song.
JRPG-Veteranen werden sich sofort heimisch fühlen

Im Gegensatz zu den meisten anderen JRPGs gibt es in Romancing SaGa: Minstrel Song keine Erfahrungspunkte. Stattdessen lernen eure Mitstreiter neue Aktionen im Kampf. Bei regelmäßiger Benutzung der Axt werden so etwa neue Manöver für die tödliche Hacke freigeschaltet. Dies passiert komplett zufallsbasiert. Auf der einen Seite macht das die Entwicklung eurer Party etwas unvorhersehbar, andererseits werden so die nachfolgenden Durchgänge frisch gehalten. Selbiges gilt übrigens für eure Statuswerte – auch diese verbessern sich ohne euer Zutun per Zufall nach den Kämpfen. Dieses Zufallselement sorgt auch für einen etwas schlecht ausbalancierten Schwierigkeitsgrad und zwingt euch unter Umständen gelegentlich zu lästigem Grinden.

Eine umfassende Frischzellenkur?

Im Gegensatz zum PlayStation 2-Pendant stellt dieses Remaster von Romancing SaGa: Minstrel Song keine Rundumerneuerung der vorherigen Version dar. Im Kern bekommt ihr hier also die Fassung von 2005 mit ein paar kleineren technischen Anpassungen und einigen Spielerlebnis-Verbesserungen. Die offensichtlichste Optimierung ist die Anpassung an moderne Fernseher. Das Spiel kommt endlich in einem zeitgemäßen 16:9 Bildformat daher und wird in HD gerendert – sowohl auf dem großen TV als auch dem Switch-Display sieht das Spiel sauber aus. Geschmackssache sind aber die verbesserten Texturen. Hier wurde wahrscheinlich ein AI-Upscaler verwendet, der nicht immer optimale Ergebnisse erzielt. Nervig ist auch, dass die Chance verpasst wurde, dem Titel eine frei drehbare Kamera zu spendieren. Dadurch fühlt sich das Abenteuer oftmals unnötig schwerfällig an.

Das Bild zeigt einen Dialog in Romancing SaGa: Minstrel Song.
Die Präsentation ist eher schnörkellos

Sehr begrüßenswert ist das neue Feature von Romancing SaGa: Minstrel Song, überall zu jeder Zeit speichern zu können. Auch angenehm: Wie bei den meisten modernen Square Enix Remastern habt ihr hier die Möglichkeit, die Spielgeschwindigkeit zu erhöhen, was vor allem das Grinding sehr viel erträglicher macht. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist ein neues Schnellreisesystem, das euch zu Shops und anderen wichtigen Orten befördert. Auch eine Handvoll neue spielbare Charaktere, zusätzliche Bosse und legendäre Waffen wurden dem Rollenspiel spendiert. Bei Spielstart könnt ihr auswählen, ob ihr auf die ganzen neuen Inhalte zugreifen wollt oder doch eher das originale Spielerlebnis von damals bevorzugt.

Fazit zu Romancing SaGa: Minstrel Song

Pros:

  • Konkurrenzlose spielerische Freiheit
  • Taktischer Tiefgang in den Kämpfen
  • Mehrmaliges Durchspielen lohnt sich

Cons:

  • Zweckmäßige Präsentation
  • Fehlende Führung kann frustrieren
  • Oftmals viel Leerlauf zwischen den Quests

Romancing SaGa: Minstrel Song ist ein Spiel, auf das ihr euch einlassen müsst, um damit Spaß zu haben. Mit dem offenen Ansatz, sich seine eigenen Abenteuer suchen zu müssen, kommt sicherlich nicht jeder klar. Wer damit keine Probleme hat und Lust für ein nichtlineares JRPG der alten Schule mitbringt, wird dagegen voll auf seine Kosten kommen. Was Offenheit und spielerische Freiheit angeht, gibt es nur wenige Titel, die Minstrel Song das Wasser reichen können.

Wer diese Bildungslücke endlich schließen möchte, bekommt mit diesem Remaster die mit Abstand beste Möglichkeit, diesen oft missverstandenen Klassiker nachzuholen. Schon die PS2-Version war ein großartiges Remake, doch die Neuauflage auf der Nintendo Switch setzt nochmal an den richtigen Stellschrauben an, um mit technischen Optimierungen und sinnvollen Quality of Life-Verbesserungen die definitive Fassung hervorzubringen.

Das Testmuster wurde uns von Square Enix bereitgestellt. Vielen Dank dafür!

Über Marcel Eidinger 1841 Artikel
Marcel ist im Jahr 1986 geboren, dem Jahr, wo seine Lieblings-Spielereihe ihren Ursprung hat: The Legend of Zelda. Mit seinen nun mehr als 30 Jahren Lebens- und ca. 25 Jahren Nintendo-Erfahrung versucht er euch mit Liebe und Leidenschaft auf dem Laufenden zu halten!

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