In diesem Testbericht geht es um das JRPG im Tabletop-Design Voice of Cards: The Forsaken Maiden. Während erneut das Studio Alim die Entwicklung übernimmt, fungiert Square Enix als Publisher. Erhältlich ist der Titel auf der PlayStation 4, auf Steam und natürlich auf der Nintendo Switch. Im Nintendo eShop stehen regulär 29,99 € (momentan für 23,99 €) an – eine physische Version existiert erneut nicht. Das Abenteuer ist ab sechs Jahren freigegeben und verlangt ungefähr 3 GB eures Speichers.
Square Enix veröffentlichte seinen zweiten Voice of Cards-Teil bereits am 17. Februar 2022.
Schaut euch doch gerne einmal den Ankündigungstrailer an:
The Forsaken Maiden – Eine neue Geschichte
An dieser Stelle sei direkt erwähnt: Es handelt sich bei Voice of Cards: The Forsaken Maiden zwar um einen zweiten Voice of Cards-Titel, aber weder um ein Prequel noch um ein Sequel zum Erstling Voice of Cards: The Isle Dragon Roars. Und auch das gesamte Flair der Story wirkt anders als im Drachenabenteuer. Während der Debüt-Titel sich noch stärker auf den Charakterausbau, Humor und eine längere und spannendere Geschichte fokussierte, stehen hier eher mehrere seichtere Geschichten auf dem Plan.
Wir ziehen als Navigator und selbstbenannter Held, los um eine bedrohte Inselkette vor ihrem Untergang zu bewahren. Unser Gefährt ist ein ausgedientes Wrack, aus welchem wir Schritt für Schritt ein seetüchtiges Schiff gezimmert haben. Besagte Inseln stehen kurz vor der Zerstörung. Seit Generationen stehen diese unter dem Schutz der sogenannten Mikos, welche unserer Hilfe bedürfen. Am Beginn unserer Reise lernen wir das Mädchen Laty kennen. Sie hat es nicht geschafft, sich in eine Miko zu verwandeln, also begleitet und unterstützt sie uns mit all ihrer Kraft.
Dann wäre da noch der beschworene puppenartige Naturgeist Rakki, welcher leider eher blass bleibt und als Lückenfüller dient, wenn wir keine besseren Kämpfer an unserer Seite haben.
Uns erwarten also Inseln in den Himmelsrichtungen Norden, Osten, Süden und Westen. Der Ablauf gestaltet sich stets recht ähnlich. Wir segeln mit unserem Schiff über die Meere, legen an einer Küste an und treffen sehr bald auf die jeweilige Miko. Wir benötigen verschiedene Reliquien, doch können diese nicht so einfach ausgehändigt werden. Es gilt den heiligen Beschützerinnen zu helfen, sodass sich diese Gegenstände transformieren.
Eine große Rolle dabei spielt die Innenwelt unserer Begleiterin Laty, dessen Gefühle und Erinnerungen völlig durcheinander sind und zunächst entschlüsselt und geordnet werden müssen. In Voice of Cards: The Forsaken Maiden setzen wir uns also stark mit dem tieferen Ich einer Protagonistin auseinander und stoßen dabei auf traurige und schwarze Abgründe mit einigen Wendungen.
Recyling Deluxe – The Forsaken Maiden bietet kaum Neues
Ich könnte an dieser Stelle nun erneut alles über das Kampfsystem, die „Besonderheit“ des Titels (es ist ja nun bereits das zweite Spiel in dem Stil), die Spielwelt, die verschiedenen Anlaufpunkte wie Shops (es gibt nun den Schmuckladen – was nur eine andere Aufteilung der käuflich erwerbbaren Gegenstände darstellt) et cetera niedertippen oder den alten Teil kopieren.
Da sich in Voice of Cards: The Forsaken Maiden im Gegensatz zu Voice of Cards: The Isle Dragon Roars extrem wenig ändert, empfehle ich an dieser Stelle für genannte Elemente in den ausführlichen Testbericht zum Erstling reinzuschauen. Für Leute, die den ersten Teil bereits gespielt haben, ist eine Erklärung sämtlicher Elemente ohnehin nicht nötig. Daher beschränke ich mich an dieser Stelle auf die Neuerungen. Der extrem ähnliche Aufbau verwundert bei einer Ankündigung eines neuen Teils wenige Monate nach Veröffentlichung des Erstlings natürlich nicht.
Neu in Voice of Cards: The Forsaken Maiden sind die Kombo-Skills. Dies sind Skills, die ihr zu zweit ausführt. Es handelt sich dabei um sehr mächtige Techniken, welche mindestens vier Juwelen voraussetzen. Ein interessanter Kniff dabei ist, dass beide Teampartner den Skill einsetzen können, doch variieren die Effekte, je nachdem, wer diesen aktiviert. Aufgrund der hohen Kosten sollte ein Einsatz also gut überlegt sein, haut dann aber umso mehr rein und macht euren Widersachern enorm zu schaffen – oder wir heilen und/oder verstärken unser Team.
Auf künstlerischer Seite leistet Kimihiko Fuhisaka wieder einmal saubere Arbeit mit seinen detaillierten Charakterdesigns. Auch hier recycelt Alim leider einige Artworks, doch bietet das Team auch neue, sehr gelungene Zeichnungen. Wiederverwertungen finden wir allerdings nicht ausschließlich bei den Charakteren, auch die Karten der Spielwelt und der Gebäude sind identisch oder ähnlich.
Auf musikalischer Seite wiederum stellt Music Director Keiichi Okabe sein Können unter Beweis. Erneut wissen die Tracks zu verzaubern, indem sanfte Klänge generiert werden, welche eine emotionale Spannung erzeugen.
Kleinere Rätsel bieten etwas Abwechslung, sind aber so simpel, dass man nicht wirklich nachdenken muss.
Das zweite Abenteuer zündet nicht mehr so stark
Es liegt in der Natur der Sache, dass eine recycelte originelle Idee nicht die gleiche Faszination wie die Premiere erzeugen kann. So verhält es sich bei mir und ich denke bei den meisten anderen Spielern im Abenteuer Voice of Cards: The Forsaken Maiden. Das Konzept kennt man nun und da vieles einfach übernommen ist, überrascht kaum ein Element. War der Minimalismus beim Debüt kompensiert durch die Kreativität, so merkt man dem zweiten Teil an, dass das Projekt „hinterhergeschoben“ ist.
Die gesamte Struktur ist, wie anfangs erwähnt, anders. Statt einer längeren Geschichte ist das Abenteuer eher in wenigen Minigeschichten gesplittet, wodurch eine emotionale Verbundenheit durch weniger Tiefe unwahrscheinlicher wird.
Auch die zufälligen Ereignisse zwischendurch wirken weniger besonders als noch im Erstling. Ebenso existieren keine mysteriösen Karten für ganz bestimmte Nebenaufgaben, welche in Voice of Cards: The Isle Dragon Roars für ein besonderes Ereignis gesorgt haben.
Verbesserungen wo seid ihr nur?
Einige Punkte fallen besonders negativ ins Gewicht. Der erste mag noch subjektiver Natur sein: Als Game Master spricht nun nicht mehr im Englischen der geniale Todd Haberkorn, sondern Mark Atherlay, welcher – so finde ich zumindest – leider recht „generisch“ klingt. Da diese Rolle uns das gesamte Spiel über begleitet, ist die Besetzung und das Voice Acting sehr wichtig für die Atmosphäre. Im Japanischen klingt Shō Hayami perfekt für die Rolle des Game Masters.
Aber hört doch gerne einmal selbst rein:
Außerdem war ein großer Kritikpunkt am Erstling, dass der letzte Dungeon einfach viel zu lang war. Und nun? – Ist er noch länger und allgemein scheint die Gegnerfrequenz angehoben zu sein. Dadurch ist das Pacing recht zäh: Wir laufen/segeln einige Meter – Kampf… wir reisen einige Meter weiter – Kampf. Noch immer existiert keine Möglichkeit, einen Kampf vorher (zum Beispiel via Item) zu vermeiden. Es ist auch überflüssig, wenn wir für eine Flucht eine Zwei würfeln müssen… mit zwei Würfeln – egal, was wir würfeln, es wird mindestens eine Zwei – wieso kann man dann nicht direkt fliehen? Auch ist es noch immer nicht möglich, bei Händlern mehrere Gegenstände auf einmal zu verkaufen. Es ist auch noch immer überflüssig, dass gewisse Effekte wie zum Beispiel Paralyse nach einer Attacke, die den Gegner besiegt, anzuzeigen, da es ohnehin keine Auswirkung auf den weiteren Kampf hat.
Apropos Kampf: Leider dauert es im späteren Verlauf ewig, bis man im Level aufsteigt, nur um dann auf seine Stats einen einzigen Punkt zu bekommen – da wäre eine Überarbeitung des Balancings wünschenswert, da es wenig motiviert und gerade im letzten Kampfabschnitt doch extrem zäh und unfair-wirkend wird.
Allgemein wirken einige Gänge recht überflüssig. Beispielsweise könnte uns das Spiel gerne häufiger fragen, ob wir einen Dungeon direkt nach Erledigung des Ziels direkt verlassen wollen. So klickt man sich häufig unnötig durchs Spiel.
Generelle Empfehlung meinerseits: Spielt auf jeden Fall mit schnellem Spieltempo!
Weniger Entscheidungsfreiheit
Nicht selten kommt es vor, dass wir vor einer „Entscheidung“ stehen, selbst wenn es nur eine Auswahlmöglichkeit gibt oder es ohnehin aufs Gleiche hinausläuft. Momente, in denen wir vor eine wirklich schwere Wahl gestellt werden, gibt es im Vergleich zum Vorgänger leider kaum.
Auch was die Teamzusammenstellung angeht, verhält es sich in Voice of Cards: The Forsaken Maiden anders. Auf jeder Insel bekommen wir zwei Kampfpartner zur Seite gestellt, woraufhin der Naturgeist Rakki das Team verlässt. Dadurch entsteht eine angenehme Abwechslung auf unserer fantastischen Reise. Es wäre schön gewesen, wenn wir unser Team freier selbst gestalten könnten, indem wir bestimmte Kombinationen ausprobieren.
Alte Stärken in The Forsaken Maiden
Voice of Cards: The Forsaken Maiden bietet allerdings noch immer alte Stärken mit frischer Geschichte! Die musikalische Untermalung und die vielen Artworks schauen einfach klasse aus. Das Kampfsystem hätte man zwar etwas ausbauen und optimieren können, aber es funktioniert gut und zeigt erneut schöne und auch neue Kampfeffekte. Leider hört man (zumindest beim schnellen Spieltempo) einige Attackensounds nicht.
Auch in diesem Abenteuer warten gelungene Wendungen und dramatische sowie verwirrende Momente auf uns, die in Erinnerung bleiben.
Fazit zu Voice of Cards: The Forsaken Maiden
Pros
- Tolle Artworks
- Gelungener Soundtrack
- Skurille Momente und Wendungen
- Neue Kombo-Skills
Cons
- Extremes Recycling
- Balancing nicht optimal
- Spielidee beim zweiten Mal nach wenigen Monaten nicht so originell
- Keine Verbesserungen vorgenommen
- Anspruchslose Rätsel
- Letzter Dungeon viel zu lang
- Endkampf-Passage könnte unfair wirken
- Englischer Sprecher weniger fesselnd
- Zähes Pacing
- Kaum Neuerungen
- Alte Schwächen
Wo Voice of Cards: The Isle Dragon Roars noch mit Kreativität und originellem Spieldesign punkten konnte, zündet Voice of Cards: The Forsaken Maiden leider nicht mehr so stark. Im Gegenteil: Leider verpasste der Entwickler Alim die Chance, Verbesserungen vorzunehmen und spannende Neuerungen zu implementieren.
Zwar werden neue Geschichten und Charaktere geboten, diese bleiben durch ihre Vielzahl aber eher blass und erwirken eine weniger starke emotionale Immersion. Somit wirkt der zweite Voice of Cards-Ableger eher wie ein lauwarmer Aufguss – schade!
Das Testmuster wurde uns von Sqaure Enix zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!
Im Jahr 1992 erschien Mortal Kombat… und ich. Wir beide sind auf unsere Weise brutal. Ich für meinen Teil fahre brutal auf Videospiele ab und beschäftige mich gnadenlos mit verschiedenen Themen, um Gleichgesinnte zu informieren.
Als treues Nintendokind befasse ich mich am liebsten auch mit Nintendospielen.
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