Powerslave: Exhumed – Bleihaltiges Abenteuer zwischen Kamelen und Pyramiden [Test]

© Nightdive Studios

Willkommen in Karnak! – Die Remake- und Remaster-Welle reißt einfach nicht ab. Nachdem zahllose Vertreter verschiedenster Genres ihren zweiten Frühling erleben, schickt sich in diesem Review wieder ein
reinrassiger First Person Shooter (FPS) an, um die Herzen der Spieler zu erobern. Nur ist es dieses Mal kein Multimillionenseller wie der zeitgleich um 1997 erschienene Genrekollege namens Quake, sondern es handelt sich um den Exoten Powerslave: Exhumed. Für den Sega Saturn und die PlayStation in den USA als PowerSlave und in Europa unter dem Namen Exhumed erschienen, ist die Titelfusion schnell erklärt.

Auf diesem Bild des Spiels Powerslave: Exhumed ist eine zugemauerte Bretterwand und
eine Hand mit einer Kugel zu erkennen.
Selbst Gelegenheitsspieler werden einige Geheimräume schnell als solche erkennen

Das Setting ist selbst nach heutigen Maßstäben herrlich unverbraucht und so ballert sich der namenlose Held durch die wüstenreichen Landschaften des fiktiven Gebiets „Karnak“. Es erwarten den Spieler also vornehmlich Tempelanlagen, Bergwerke, lavagetränkte Gegenden und Sümpfe mit ägyptischen Akzenten. Aber warum genau eigentlich die bevorstehende, bleihaltige Odyssee? Gut, reißen wir die Story gleich in der Einleitung ab…schließlich ist nach wenigen Sätzen alles Wichtige erzählt:

Ende des 20. Jahrhunderts wurde die altägyptische Stadt Karnak von geheimnisvollen Kräften überrannt. Als Teil eines Sondereinsatzkommandos werdet ihr entsandt, um nach den Rechten zu sehen. Dummerweise wird Euer Helikopter abgeschossen und ihr seid als einziger Überlebende verdammt, dem Treiben auf die Schliche zu kommen und das Geheimnis zu lüften…genug Story? Genug Story! Hoch den Säbel und auf in den Kampf!

Der Einstieg ins Spiel

Das recht unbekannte Entwicklerstudio Lobotomy Software Inc. zeichnet sich für die Programmierung der Ursprungsversion verantwortlich. Direkt zu Beginn startet man das Abenteuer ohne viel Tamtam in einer tempelähnlichen, sandigen Umgebung. Tutorials oder dergleichen gab es vor 25 Jahren so gut wie nicht und Powerslave: Exhumed macht da keine Ausnahme. Das ist auch nicht weiter tragisch, denn schnell sind die elementaren Befehle wie Schießen, Aktivieren von Schaltern, Waffen wechseln und Ähnliches auf den JoyCons gefunden.

Auf diesem Bild des Spiels Powerslave: Exhumed ist eine Sphinx zu erkennen.
Selten, aber hässlich: Polygonarchitekturen steckten 1996 noch merklich in den Kinderschuhen

Schon zu dieser frühen Stunde im Spiel macht sich ein wohliges Gefühl breit, denn wem die Steuerung nicht zusagt, kann sich freuen – im komfortablen Optionsmenü können beliebige Modifikationen vorgenommen werden. Sehr schön, denn so bleiben an dieser Front keine Wünsche offen! Auch die knackig-scharfe Grafik fällt sofort positiv auf. Natürlich ist der ursprüngliche Pixelcharme weiterhin vorhanden, aber eben in hochauflösender Optik ohne milichige oder verzerrte Kantendarstellungen, wie es vor allem in der originalen PlayStationversion der Fall war.

Es wird also der Eindruck erweckt, dass ein Zusammenschluss an fähigen Leuten für dieses Remaster verantwortlich ist… und tatsächlich: In den Anfangscredits fällt direkt der Name der Nightdive Studios ins Auge, die sich bereits für die exzellenten Ports von Doom 64 (→ zu unserem Testbericht), Quake (→ zu unserem Testbericht), Turok 2 und viele weitere verantwortlich zeigen. So freut man sich als Tester umso mehr auf spannende und technisch einwandfreie Spielstunden, denn Pfusch am Bau ist nicht zu erwarten.

Schon nach den ersten Schritten fallen Kennern der Saturn- und PSX-Versionen die Gegner ins Auge oder vielmehr die Abwechslung dieser. So liefen Saturnspielern gleich zu Beginn viele blaue Skorpione entgegen, auf der PSX gab es stattdessen ausschließlich rotes Krebsgetier. Und auf der Switch? Beide Arten der Bodenkrabbler, so dass für mehr optische Abwechslung gesorgt ist. Die Angriffs- und Schadensmuster sind bei beiden Gegnern gleich. Es geht also gut los und ein guter Ersteindruck war noch nie das Verkehrteste.

Auf diesem Bild des Spiels Powerslave: Exhumed ist ein zerschossener Gegner unter
Wasser zu erkennen.
Wenngleich auch verhältnismäßig dezent eingesetzt, gehören Splattereinlagen zu einem
waschechten Shooter der 90er einfach dazu

Kombinierter Inhalt = zufriedene Spieler

Doch auch abseits dieser netten Dreingabe gibt es mehr, worauf sich die Zockergemeinde freuen darf. Die Saturn-Version gilt als die spielerisch bessere, da in der PSX-Fassung einige Levelabschnitte vereinfacht oder restlos gestrichen wurden. Dafür entschädigt Sonys Version mit einer verbesserten Framerate.
Nightdive Studios ist glücklicherweise auch hier keine Kompromisse eingegangen, sondern verwöhnt mit den besten Eigenschaften aus beiden Versionen. Und auch damit ist das Ende der First-Class Fahnenstange noch nicht erreicht.

Die Übersichtskarte, welche nach jedem abgeschlossenen Level zur Auswahl selbiger dient, kann wahlweise in alter Optik oder als komplett überarbeitete Grafik dargestellt werden. Es wurde also scheinbar an alle Annehmlichkeiten und Komforts gedacht. Bleibt nur die Frage: Taugt das Spiel überhaupt? Denn die besten Anpassungen sind nur bedingt was wert, wenn sich das Hauptprogramm überwiegend in den unteren Spielspaßregionen wohlfühlt.

Auf diesem Bild des Spiels Powerslave: Exhumed ist entfernt eine Mumie und in der
linken Bildhälfte rote Geschosse zu erkennen.
Mumien nerven! Vor allem, wenn sie zielsuchende Geschosse auf den armen Spieler loslassen

Wie viel Power steckt in Powerslave: Exhumed?

Der ein- oder andere Leser schielt immer zuerst auf die Bewertung eines Spiels, was auch nicht verwerflich ist. Diejenigen unter Euch sind also schon im Bilde, ob Powerslave: Exhumed taugt oder eben nicht. Und ja, wir haben es im vorliegenden Fall mit einer Ballerbude zu tun, die viel mehr ist als ein 08/15 Shooter von der Stange.

Anders lassen sich auch kaum die Wertungsschwankungen der Erst-Releases erklären, die von „Geht gerade noch so!“ bis hin zu Standing Ovations reichen. Das „Problem“ liegt darin begründet, dass Powerslave/Exhumed Anno Dazumal seiner Zeit einen großen Schritt voraus war und Mechaniken bot, die bislang nichts in einem waschechten FPS zu suchen hatten, was sicherlich hier und da für Stirnrunzeln gesorgt hat. Mit GANZ großen Abstrichen und Augenzwinkern sind etwas anspruchsvollere Gameplay-Verflechtungen eventuell noch im 1995er First Person Medieval-Adventure HeXen: Beyond Heretic erkennbar, aber auch da wurden bis auf mehrere Schalterrätsel und damit neu erschlossenen Spielgebieten keine Mechaniken neu implementiert.

Das ist hier anders und fast schon als revolutionär zu bezeichnen. Wem der Begriff „Metroidvania“ nichts sagt, eine kurze Erläuterung: Der Name setzt sich aus den Spielereihen Metroid und Castlevania zusammen. Der Fokus eines Metroidvanias liegt dabei weiter auf der Action und ist dabei und auf weitläufigere, aber stets eingegrenzte Levelstrukturen angelegt. Diese Strukturen lassen sich jedoch Stück für Stück erweitern, wenn im Spielverlauf neue Fähigkeiten erlernt oder Goodies gefunden werden. Zuvor unerreichbare Bereiche sind nun zugänglich und erweitern die Spielwelt dadurch stetig. Im Falle von Powerslave: Exhumed erlernt der Charakter z.B. extrem weite Sprünge oder das Schweben in der Luft. Somit können dann auch endlich tödliche Lavaseen und klaffende Schluchten überwunden werden.

Ein ausgeprägter Orientierungssinn ist hierbei von großem Vorteil, da „Wo muss ich denn jetzt eigentlich hin?“-Tipps nicht gegeben werden. Somit müssen immer wieder bereits bekannte Gebiete durchreist werden, was den Backtrackinganteil recht hoch ausfallen lässt. Bisher gefallene Gegner sind ebenfalls wieder an bekanntem Ort und auch sämtliche Schlüssel (klar, die gibt es auch, vier verschiedene an der Zahl) müssen wieder eingesammelt werden. Das nervt schon ziemlich, zumal gerade die späteren Widersacher richtig ätzend sein können… allen voran die Bikinimädels mit Großraubkatzenkopf oder die Mumien mit zielsuchenden Geschossen.

Die eigene Lebensenergie kann dabei mittels Ankh-Symbolen glücklicherweise permanent aufgelevelt
werden, so dass ein Ableben immer ein Stückchen weiter in die Ferne rückt.

Auf diesem Bild des Spiels Powerslave: Exhumed ist eine Vielzahl an Laserfallen zu
erkennen.
Half-Life Flashbacks und überflüssigerweise ähnlich nervig

Das Waffenarsenal in Powerslave: Exhumed

Die gute Nachricht: Man steht der feindseligen Sippschaft nicht ohne Feuerkraft gegenüber. Die schlechte: Ihr werdet trotz guter Moves und Reaktionen einige Leben verlieren. Das liegt leider daran, dass der Protagonist eine enorm große Hitbox hat, die gegnerische Treffer nur so schluckt. Und das geht logischerweise ziemlich auf die Gesundheit. Also entweder ist das virtuelle Ich zwei Meter breit oder hat einen Partikelmagneten am Selbigen. Anders ist das Trefferverhalten kaum zu erklären.

Dadurch sind Ausweichmanöver in gut der Hälfte aller Fälle nicht von Erfolg gekrönt. Das gestaltet sich als leicht unfair, da sich der Spieler des Öfteren durch enge Gang- oder Tunnelsysteme kämpft oder die Widersacher einfach direkt vor einem auftauchen. Zack, wieder eine Geschosssalve eingesteckt, zack, wieder tot. Gerade in den höheren Leveln von Powerslave: Exhumed gibt es gleich haufenweise Gegner, die einem überwiegend mit blauen Feuerbällen, Flugangriffen und anderem Schnickschnack auf die Pelle rücken.

Doch wie bereits erwähnt, wehrlos sind wir nicht! Neben dem anfänglichen Langmesser, mit dem Krabben und Skorpione im Dutzend geschnetzelt werden, gesellen sich schon bald die ersten Schießeisen wie ein Revolver und ein M16 Maschinengewehr zum Waffenarsenal. Wenig später gibt es handgranatenähnliche, faustgroße Kugeln, die bei Aufprall detonieren oder fiktivere Waffen wie grüne Schlangen mit Enemylock, die von einem Stab aus verschossen werden. Insgesamt stehen sieben verschiedene Waffen zur Verfügung. Das hört sich nicht nach viel an, aber jeder Argumentationsverstärker im Arsenal hat seine ganz eigenen Stärken und Schwächen, ähnlich wie beim Godfahter Doom.

So lassen sich je nach Situation und Gegnerart die offensichtlichen Konflikte bestmöglich lösen. Die stärkeren Waffen sind logischerweise erst im fortgeschrittenen Spielverlauf auffindbar und vornehmlich für die härteren Brocken und Bosse reserviert. Endgegner gibt es nicht viele, aber die vorhandenen sind imposant in Szene gesetzt und ähneln vom Ablauf her den Kämpfen in vergleichbaren Spielen. Nichts Besonderes also, aber immer eine willkommene Herausforderung.

Auf diesem Bild des Spiels Powerslave: Exhumed ist ein großer Haufen an Gedärmen und
sonstigen Überresten zu erkennen.
Und ob Du nicht stark genug warst, Du elender Haufen Ex-Boss!

Der Munitionsvorrat dürfte sich bei solchen Begegnungen allerdings schnell leeren. Für Nachschub sorgen unterschiedlich große blaue Orbs, die zum Glück überall in der Welt verteilt sind. Es lohnt sich, auch in Vasen oder Fässern nachzuschauen, denn die Munition ist random auffindbar und auch besiegte Feinde lassen oftmals die universal einsetzbaren Geschosse (unterschiedliche Munitionsarten gibt es praktischerweise nicht) oder gelb-roten Lebenskugeln fallen.
In seltenen Glücksmomenten wird auch ein Waffenupgrade gedropped, was für eine kurze Zeit die Feuerrate aller Waffen stark erhöht. Auch die Verteilung dieser ist zufällig, so dass man sich stets mit wachsamen Augen durch die Abschnitte bewegen sollte.

Erfrischender Sandsturm

Fast jeder Level birgt dabei seine ganz eigene Gefahren, es gibt auch Umgebungsfallen und gähnende Erdlöcher, die den Spieler auf Nimmerwiedersehen verschlucken. Okay, so ganz stimmt das nicht: In allen Gebieten finden sich eine Vielzahl an Checkpoints, die im Großen und Ganzen fair verteilt sind. Gut so, denn manuelles Speichern ist nicht. Nach dem Ableben beginnt man in Powerslave: Exhumed wieder bei einem der goldenen Checkpoint-Käfer, sofern man diese zuvor aktiviert hat. Es muss also nicht immer der komplette Level neu durchlaufen werden. Eine simple, aber bewährte Mechanik.

Durch das Setting abseits des Shooter-Mainstreams ist die Gegnervielfalt auch erfrischend anders ausgefallen, doch hätten es ruhig mehr als das magere Dutzend unterschiedlicher Feinde sein dürfen. Einen erheblichen Teil machen davon Krabben, Skorpione, fliegende Insekten und angriffslustige Vögel aus. Doch zumindest ein tierischer Begleiter ist Euch wohlgesonnen: Ein treues Kamel stellt sich in den Dienst der guten Sache und galoppiert Euch ohne großartige Ladezeiten über die stetig anwachsende Overworld-Map. Durch die Vielzahl freizuspielender Geheimnisse und teils sogar versteckter Zweitausgänge gibt es wirklich eine ganze Menge zu entdecken. Doch soll an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden, denn die Abenteurer unter Euch sollen ihrem Forscherdrang freien Lauf lassen können.

Auf diesem Bild des Spiels Powerslave: Exhumed ist ein Lavamonster zu erkennen.
Die Heißwasserbewohner sind leider eher selten einzeln anzutreffen

Fazit zu Powerslave: Exhumed

Pros:

  • Ausgezeichneter Port
  • Vielfältige Einstellungen nach Euren Wünschen möglich
  • Gutes Leveldesign
  • Abwechslungsreiches Waffenarsenal
  • Ordentlicher Umfang (ca. 12-15 Std.)
  • Fürs Genre sehr innovatives Gameplay

Cons:

  • Geringe Gegnervielfalt
  • Viel Backtracking
  • Ein ausgeprägter Orientierungssinn ist zwingend nötig

Mit Powerslave: Exhumed haben Nightdive Studios mit ihrem Port (mal wieder) voll ins Schwarze getroffen! Sinnvolle Zusammenschlüsse aus der Saturn- und PSX-Fassung bieten hier die mit Abstand beste Version vom Ursprungs-PowerSlave/Exhumed. Die wenigen Waffen sind hervorragend ausbalanciert und nach dem etwas gemächlichen Einstieg zieht der Schwierigkeitsgrad merklich an. Durch die Vielzahl an einstellbaren Optionen darf ein jeder die Tasten individuell belegen und viele weitere Modifikationen vornehmen.

Das erfrischend andere Setting wird gut ausgereizt und dargeboten, so dass man nur selten gefrustet und zumeist bestens unterhalten wird. Die Metroidvania-Elemente fügen sich sehr gut in den Spielablauf ein, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. Zwar reicht es nicht für den Titel „Moderner Klassiker“, aber ein starkes Spiel ist bei der Programmierung allemal herausgekommen. Jedem FPS-Fan sei dieser
Titel wärmstens ans Herz gelegt und wird garantiert so manch spielspaßerfüllte Stunde bescheren.

Solltet ihr euch für das Spiel interessieren, sei euch die offizielle Spieleseite auf Nintendo.de empfohlen.

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