Kommen wir heute mal zu etwas unerfreulichem – meiner ersten herben Enttäuschung des Jahres. Nachdem ich mich seit dem ersten Trailer während der Nintendo Direct letzten Jahres auf AzTech Forgotten Gods gefreut hatte, wechselte der anfängliche Ärger über einen unangekündigten Verzug des Spiels in helle Freude um, als ich endlich den Code zum Testen eingeben durfte…
…nur um dann schnell von Begeisterung über Langeweile hinunter zu Ärger und apathischer Enttäuschung zu sinken. Falls ihr an meinem Elend teilhaben wollt, lest gerne weiter.
Die Story von AzTech Forgotten Gods
Kommen wir gleich zum besten Teil des Spiels – der Story. Das Setting basiert auf der Idee, wenn das Aztekenreich niemals erobert worden wäre und sich über die Jahrhunderte gehalten hätte, kombiniert mit technologischen Fortschritten, die es aktuell auf diesem Planeten noch nicht gibt. Soweit, so gut.
Ihr spielt Achtli, eine Nachwuchsarchäologin, die bei einem Unfall in einer Ausgrabungsstätte ihren rechten Arm verloren und seitdem eine mechanische Prothese hat. Ihre Mutter Nantsin ist an einer Ausgrabung und Erforschung in der Hauptstadt Technotitlàn beteiligt und bittet Achtli, ihr bei einem Fundstück zu helfen. Dieses Fundstück ist ein gigantischer Stein-Arm, der prompt mit ihr verschmilzt und ihre Prothese ersetzt.
Das setzt jedoch eine Reihe von Ereignissen in Gang, die das Schicksal der Welt bedrohen. Im Arm schlummert Tez, ein alter Gott, der Achtli nun erklärt, dass sie die Welt von anderen neu erwachten Göttern befreien muss.
Charaktere zum Liebhaben
Die Geschichte von Aztech Forgotten Gods lebt vor allem von seinen schnippigen, aber liebenswerten Charakteren. Nantsin und Achtli müssen beide mit ihrer Vergangenheit aufräumen und raufen sich dennoch als liebenswerte Familie zusammen. Außerdem steht ihr mit Tepo ein liebenswerter Freund zur Seite und Tez versucht dabei zu helfen, ihre Vergangenheit zu verarbeiten und Verantwortung für ihre Handlungen und die Zukunft zu übernehmen. Die Dialoge sind wunderbar geschrieben, doch leider sind sie nicht vertont, sondern werden lediglich durch passende Grunz- und Stöhnlaute und die sich ewig gleich wiederholenden Bewegungen untermalt. Das ist besonders deshalb ungünstig, als es derer verdammt viele gibt.
Gameplay
Geradewegs zum Ziel
Der gesamte Spielaufbau ist äußerst geradlinig. Ihr redet mit jemandem, der schickt euch zu Person X oder Ort Y, dort redet ihr wieder mit jemandem oder drückt A, um irgendwas zu aktivieren, dann geht es zur nächsten Person oder Örtlichkeit, bis ihr irgendwann die Aufgabe bekommt, den nächsten Gott zu erledigen. Wiederholt das zwischen acht und zehn Stunden und ihr seht das Ende des Spiels. Es gibt nur wenige Nebenaufgaben, die hauptsächlich aus Zeitrennen bestehen.
Das Problem hierbei ist, das aus dem Setting so viel mehr hätte gemacht werden können. Die riesige Stadt Technotitlàn würde zum Erkunden einladen, gäbe es dort etwas zu tun (und wäre sie hübscher, aber dazu gleich mehr). Allerdings gibt es in der Stadt nur eine Handvoll wenig interagierender NPCs und ganze drei Geschäfte. Ein Shop tauscht Energie gegen Upgrades für Leben oder mehr Energie für euren Arm, etc. Die anderen beiden Shops sind für Outfits und Frisuren, damit ihr Achtlis Super Saiyajin 4 Haarpracht endlich bändigen könnt.
Frei wie ein Vogel
Hauptfortbewegungsmittel ist euer Arm, durch den ihr euch dank eines mächtigen Energieschubes fliegend fortbewegt. Das fühlt sich ziemlich gut an. Die Steuerung des Charakters in der Luft ist an sich leicht zu erlernen und ihr findet überall in der Welt Ringe, durch die ihr einen Schub bekommt – warum auch immer, da ihr ja die einzige Person seid, die sich so fortbewegt. Hin und wieder müsst ihr kurz landen, um eure Energie aufzufüllen.
So viel Spaß die Fortbewegung auch macht, so schade ist es, dass es halt wirklich nichts zu tun gibt, außer dem Hauptziel zu folgen. Es gibt vereinzelte Gegnergruppen im Himmel, die kann man aber auch getrost links liegen lassen oder gleich zu Beginn farmen, um den Shop leer zu kaufen. Aber auch das lohnt die Mühe nicht, denn die Kämpfe sind stumpf, repetitiv, chaotisch und die freischaltbaren Extras eigentlich überflüssig.
Das Kampfsystem
Machen wir uns nichts vor: Das Kampfsystem stammt, wie vieles andere an Aztech Forgotten Gods, aus einem anderen Zeitalter. Ihr habt zwar einen aufladbaren Powerschlag, den könnt ihr euch jedoch genauso sparen wie zeitlich abgestimmte Knopfdrücke, um „mehr Wumms“ zu haben. Simples Buttonmashen ist die effizienteste und schnellste Methode für alles und jeden. Und das ist nicht nur unglaublich langweilig, sondern auch noch extrem chaotisch. Egal, ob ihr die Gegner direkt anvisiert oder nicht, ihr rast per Knopfdruck über den halben Bildschirm direkt zu ihm hin. Das soll vermutlich als Zielhilfe gedacht sein, verwirrt jedoch in höchstem Maße, besonders wenn man den Gegner gar nicht angreifen wollte.
Doch das eigentliche Problem liegt ganz woanders.
Ein unüberwindbarer Gegner
Aztech Forgotten Gods erwartet von euch eigentlich nur, dass ihr wie in Shadow of the Colossus eine Handvoll Götter der Reihe nach um ihr Leben erleichtern müsst. Dabei wird euch buchstäblich gar nichts darüber verraten, wie ihr dem jeweiligen Boss auch nur einen Kratzer zufügen könnt. Es gibt zwar offensichtliche Hinweise in der Umgebung wie leuchtende Säulen, die mit dem Boss verbunden sind, aber was man damit nun machen soll, erklärt sich weder von selbst, noch scheint es einer Logik zu folgen oder korrekt einprogrammiert zu sein. Die Hitboxen sind überall und nirgends und oft erkennt man nur anhand des Lebensbalkens, ob man dem Gott überhaupt schadet. Als wäre das noch nicht genug, tauchen immer wieder Kanonenfutter-Gegner auf, die im Weg stehen, eure an den Boss gerichtete Attacke auf sich ziehen oder euch vom Weg abbringen.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, hat das Spiel die schlechteste Kamera, die mir je untergekommen ist. Auf dem Papier könnt ihr die Kamera frei mit dem rechten Stick rotieren. Während ihr friedlich durch Technotitlàn fliegt, ist das auch okay. Doch sobald Gegner im Spiel sind, wird das Spiel dank eures Ansturms zum Kontrahenten hin vollkommen unübersichtlich. Mal wechselt die Kamera plötzlich komplett die Perspektive, sodass ihr euer schönes Antlitz seht, aber den Boss aus den Augen verliert. Dann schleudert euch ein gegnerischer Angriff quer durch die Walachei und ihr wisst weder, wo oben noch unten ist. Oder die Kamera entscheidet sich einfach so rumzuspacken, weil ein Pixel im Weg war. Kurz – das, was das tatsächliche Gameplay ausmacht, ist ungenießbar, unübersichtlich, langweilig und nervig, da ihr nicht seht oder wisst, was ihr da tut und häufig unverschuldet ums Leben kommt.
Die Präsentation
Doch da hört das Gejammer nicht auf. Die Idee, mesoamerikanisches Artwork und aztekische Götter als Vorlage zu nehmen, kommt selten genug in Spielen vor. Das mexikanische Indie-Studio Lienzo hat sich hier mit Aztech Forgotten Gods einen kleinen Traum erfüllt. Das Storytelling und die Action sollte an Anime angelehnt sein, die Musik neben traditionellen Instrumenten eine Portion Metal enthalten. Große und tolle Ideen, wirklich. Das Storytelling klappt auch hervorragend. Man erkennt eindeutig die Anime-Inspiration und auch die Musik ist ganz angenehm. Aber das Spiel ist potthässlich.
Ich bin niemand, der sich groß aufregt, wenn ein Titel nicht über native 4K-Auflösung bei 120fps verfügt. Oftmals bevorzuge ich Indie-Titel sogar, weil sie mit wenig Ressourcen teilweise angenehme oder gar beeindruckende Welten erschaffen können, wie beispielsweise Blue Fire bewiesen hat (→ zum Test). Aztech Forgotten Gods sieht aus wie ein PlayStation 2 Spiel. Jedenfalls auf der Nintendo Switch. Im Docked Modus ist es keine Augenweide, im Handheld spielen wabernde Pixel fangen.
Absolut niedrigauflösende Texturen, Clipping-Fehler an allen Ecken und Enden, die Charaktere sehen mangels Schatten die ganze Zeit aus, als würden sie über dem Boden schweben, es gibt keine Kante, die nicht flimmert, das Menü ist potthässlich, die kleine Karte quasi unbrauchbar, da unkenntlich, die Zielmarkierung und Shopanzeige in der 3D-Umgebung gehören zu den hässlichsten leuchtenden Säulen seit Erfindung dreidimensionaler Grafik.
Tut mir Leid, aber der Trailer hat eindeutig mehr versprochen, als hier geliefert wurde. Wie gesagt, Lienzo ist ein kleine Studio, man will nicht zu hart ins Gericht gehen, aber ich fühle mich tatsächlich getäuscht vom Trailer, sonst wäre ich nicht gehypt worden.
Mein Fazit zu Aztech Forgotten Gods
Pros:
- Die Bosskämpfe, so man denn den Dreh heraus hat und die Kamera mal mitspielt, sind sehr abwechslungsreich und das Bossdesign ist klasse
- Fliegen macht wirklich Spaß
- Die Story ist interessant vorgetragen
Cons:
- Die Kamera macht, was sie will
- Das Kampfsystem ist langweilig und wiederholend
- Die Grafikqualität lässt sehr zu wünschen übrig
- Kaum Interaktionsmöglichkeiten wie NPCs oder irgendwelche Aktivitäten
Studio Lienzo hat sich hier leider die Finger verbrannt. Ich hätte wirklich gerne mehr Positives über Aztech Forgotten Gods zu sagen, aber die schlechte Grafikqualität, mangelnder Spielspaß und vor allem die dämliche Kamera versalzten mir hier ordentlich die Suppe.
Positiv betrachtet ist das Spiel ähnlich wie ein fertiges Produkt von vor zwanzig Jahren. Spiele großer Entwickler kamen in diesem Zustand auf den Markt und verkauften sich gut, denn man kannte ja nichts Besseres. Heutzutage hat man immerhin noch die Möglichkeit, nachzupatchen. Ein höher aufgelöstes Texturenpack und eine verbesserte Kamera, meinetwegen hinter Achtli fixiert, könnten aus dem Spiel tatsächlich noch einiges Goodwill herauskitzeln. Bis dahin kann ich leider nur davon abraten.
Das Testmuster wurde uns von Stride PR zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.
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