Blue Fire – Der Indie-Platformer im Test

Ein Wort vorab: Ihr werdet in den kommenden Wochen von mir, Roger, all jene Tests zu Gesicht bekommen, die ich 2021 nicht zu schreiben geschafft habe. Ich habe mich mit dem n-switch-on Youtube-Kanal, einem erwarteten Kind und dem damit verbundenen Chaos, sowie der fortlaufenden Arbeit hoffnungslos übernommen und kam überhaupt nicht mehr hinterher, doch das kann ich natürlich nicht guten Gewissens auf mir sitzen lassen. Das bin ich Marcel und dem Team von n-Switch-on, den spendablen Publishern, die ihre Keys hergeben und nicht zuletzt meiner eigenen Integrität schuldig. Den Anfang mache ich heute mit einem der besten Spiele des letzten Jahres – Blue Fire.

Blue Fire aus den Hause Robi Studios, veröffentlicht vom Indie-Publisher Graffiti Games, ist ein 3D-Platformer, wie man ihn sich kaum besser wünschen könnte. Das erste und bisher einzige Spiel des Entwicklerteams aus Argentinien ist direkt eine herausragende Leistung geworden, auf dessen Qualitäten und kleine Schwächen ich nun im Detail eingehen werde.

Viel Spaß mit dem Test.

Die Story von Blue Fire

Das Bild zeigt das Schloss im Himmel aus Blue Fire
Und so beginnt es…

Der Name des Protagonisten ist Umbra. Ihr wacht in einer seltsamen Röhre in einem Labor auf, aus der ihr euch zuerst einmal freischlagen müsst. Untersucht ihr das Labor genauer, findet ihr einige Leichen offenbar vor euch gescheiterter Prototypen. Bewaffnet mit zwei Schwertern macht ihr euch auf den Weg, herauszufinden, warum ihr hier seid und was überhaupt los ist.

Die Erzählweise erinnert stark an Hollow Knight (→ zum Test) und Spiele aus dem Souls-Genre. Euch wird bis auf eine kurze Einführungssequenz, die ein Schloss im Himmel zeigt, nichts erzählt. Erst durch Gespräche mit einzelnen, in der Welt verstreuten NPCs erfahrt ihr nach und nach, wo ihr seid und warum hier alles so ausgestorben ist. Dabei schafft es Blue Fire tatsächlich eine stimmungsvolle, melancholische Welt zu erschaffen, die dennoch lebendig und ansprechend wirkt.

Die Überlebenden sind hauptsächlich eine kleine Rasse von Wesen namens Onop, die trotz oder gerade wegen ihres unschuldigen Auftretens genau die richtige Mischung aus Naivität, Freundlichkeit und Trauer an den Tag legen. Der Haupt-NPC „Von“ hingegen ist meines Erachtens überflüssig und eher störend. Er taucht immer nur dann und dort auf, wo die Story weiter vorangetrieben werden muss – ähnlich der Eule Methusa aus The Legend of Zelda: Ocarina of Time. Dies hätte man genauso gut durch herumliegende Schriftstücke handhaben können und hätte dann nicht die Frage aufkeimen lassen, warum der Typ es schafft, alle abgesperrten Bereiche bereits betreten zu haben, bevor man selbst einen Fuß hineinsetzen konnte. Jedenfalls habe ich mich gelegentlich gefragt, warum er das Problem nicht selbst aus der Welt schafft, wo er doch offenbar ein fähiger Krieger ist.

Gameplay

Blue Fire ist ein 3D-Action-Abenteuer mit Fokus auf anspruchsvolle Plattform-Passagen und der Erkundung der Welt. Wenn ihr euch einen guten Überblick verschaffen möchtet, schaut euch doch einfach unser Let’s Play vom letzten Jahr dazu an. Um mein Wissen über das Spiel aufzufrischen und mich auch mit dem DLC auseinanderzusetzen, habe ich das Spiel vor diesem Test erneut durchgespielt – und offenbar war ich bei meinem ersten Durchlauf zu blöd. Ich habe eine Menge ausgelassen oder nicht geschafft und mehr als doppelt so lang gebraucht, wie beim zweiten Versuch. In rund zehn Stunden könnt ihr das normale Ende des Spiels mit einem 100 %-Spielstand sehen. Ich habe knapp neun Stunden gebraucht und nur ein paar Geister ausgelassen, für die ich noch Geld grinden müsste. Das war es mir dann nicht wert.

Erkundung

Das Bild zeigt den Protagonisten von Blue Fire im Bananen-Kostüm
Das beste Kostüm des Spiels ist auch am schwierigsten zu holen

Das Schloss im Himmel im Königreich Penumbra möchte von euch ausgiebig erkundet werden. In jeder Ecke findet ihr versteckte Truhen, Geister, Fässer voller Münzen und Kostüme. Besonders eifrige Spieler stoßen auch ab und an mal eine Ente (ein Gag der Entwickler). Immer wieder gibt es Abkürzungen, welche die Welt miteinander verbinden. Ungefähr ab der Mitte des Spiels könnt ihr euch außerdem zwischen den verschiedenen Feuerschreinen frei hin und her teleportieren.

Doch ganz ehrlich – sobald ihr ein paar Fortbewegungsgeister gefunden habt, wollt ihr das vermutlich gar nicht mehr. Die Fortbewegung macht einfach zu viel Spaß und ist eindeutig der Höhepunkt des gesamten Spiels.

Geister und die Fortbewegung

Das Bild zeigt ein Herz der Leere aus Blue Fire
Das sieht schwerer aus, als es ist

Wer ältere Titel wie Banjo & Kazooie oder auch jüngere Beispiele wie Yooka Laylee gespielt hat, weiß, wie schwierig es sein kann, einen 3D-Platformer zu erstellen, bei dem die Plattform-Passagen nicht absolut grässlich sind. Für jedes gute Beispiel fallen euch sicherlich fünf schlechte Beispiele ein.

Blue Fire hat hier alles richtig gemacht. Eure Figur kann springen und schon von Beginn an dashen, lernt bald einen Wandsprung und ist damit unglaublich mobil. Dash und Sprung sind druckempfindlich – je länger ihr drückt, desto höher oder weiter fliegt ihr. Die Abstände zwischen den Plattformen sind relativ großzügig und nicht auf den Pixel genau abgestimmt, weshalb es sich nie unfair anfühlt. Man bekommt sehr schnell ein Gefühl dafür, wie hoch und weit man sich fortbewegen kann und beginnt, die Welt voller Begeisterung immer wieder aufs neue zu entdecken.

Hierfür kommen die Geister ins Spiel. Ihr trefft in den ersten paar Spielstunden auf einen Geisterjäger, der euch kurz dessen Mechanik erklärt. Eingesammelte Geister haben Fähigkeiten, die ihr an Feuerschreinen ausrüsten könnt. Zu Anfang stehen euch zwei Slots zur Verfügung, einige weitere könnt ihr beim Geisterjäger erwerben. Die Fähigkeiten reichen von Heilverstärkern oder Lebensraub, über erhöhtem Schaden oder besserer Verteidigung hin zu allerhand verbesserten Fortbewegungsmechaniken. Wer die Welt von Penumbra fleißig erkundet, wird bald über einen höheren Dreifachsprung, längeren Doppel-Dash und eine höhere Wirbelattacke verfügen. Diese Fähigkeiten öffnen euch zusammengenommen auch jeden allerverstecktesten Winkel des Schlosses und es wird nie langweilig. Das letzte Mal, dass sich eine Steuerung so natürlich anfühlte, war meines Erachtens bei Hollow Knight – und Blue Fire schafft dies sogar in drei Dimensionen.

Herzen der Leere und der DLC

Das Bild zeigt einen Turm aus dem Blue Fire DLC Void of Sorrow
Das ist schwerer, als es aussieht

Der einzige Nachteil hierbei ist, dass dem Spiel mit all diesen Bewegungsupgrades quasi der Stachel gezogen wird. Vorher relativ schwere Plattform-Einlagen sind durch die extrem erhöhte Reichweite ein Kinderspiel. Eines der Key-Elemente des Spiels sind die sogenannten Herzen der Leere. Das sind Herausforderungsportale, die euch unterschiedlich schwierige Sprungpassagen anbieten. Die Schwierigkeit variiert zwischen einem und fünf Sternen. In jedem Level gibt es 30 Seelenorbs einzusammeln und wer das Portal schafft erhält im Austausch dafür ein weiteres Herz. Für jeweils 60 dieser Orbs könnt ihr euch einen weiteren Geister-Slot beim Jäger holen.

Insgesamt gibt es 16 Herzen der Leere im Hauptspiel, sowie weitere 16 in der kostenlosen Erweiterung Void of Sorrows. Die unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen könnt ihr hierbei getrost ignorieren. Zum Einen, weil sie durch die oben genannten Upgrades allesamt viel leichter werden und zum anderen, weil manche Drei-Sterne-Leeren gefühlt viel schwieriger sind als manche der Fünf-Sterne-Leeren.

Bis ihr beim DLC angekommen seid. Die Herzen der Leere, die ihr dort findet, erwarten von euch die absolute Beherrschung all dieser Fähigkeiten im Schlaf. Himmel, was für eine Herausforderung, aber genau das war es, was die Fans sich wünschten. Robi Studios arbeitet aktuell mit Fleiß und Freude an weiteren kostenlosen DLCs. So lobt man sich das.

Das Kampfsystem

Kämpfen in Blue Fire ist gewöhnungsbedürftig und definitiv nicht der Fokus des Spiels. Ihr erhaltet durch die Kämpfe keine Erfahrungspunkte oder so. Getötete Gegner hinterlassen jedoch ein paar schwarze Seelenfragmente, mit denen ihr an den Feuerschreinen eure Mana-Leiste auffüllen könnt. Diese braucht ihr, um ein magisches Geschoss zu verschießen und zu blocken. Beide Fähigkeiten benötigt man in der Praxis jedoch fast gar nicht. Hauptsächlich dasht ihr auf Gegner zu, haut ein paar mal feste druff, und dasht wieder weg, bevor sie angreifen.

Man merkt einfach, dass kämpfen zwar irgendwie zu so einem Spiel gehört, aber es fühlt sich halbherzig hinzugefügt an. Die Auswahl an unterschiedlichen Gegner-Typen ist gering, sie lassen sich fast alle auf die erwähnte Weise besiegen, aber man kann sie auch getrost links liegen lassen, wenn man es eilig hat.

Das lässt sich leider genauso über die Bosskämpfe sagen. Bei meinem ersten, grauenhaften Durchlauf hatte ich noch meine liebe Mühe mit einigen der Bosse, doch wenn ihr dank der Bewegungsskills fast unendlich in der Luft jonglieren könnt, lächelt ihr nur müde über die Bosse.

Allgemeines

Viele Spieler legen ja Wert auf die Grafik. Diese erinnert stilistisch ein wenig an Ocarina of Time. Ein Waldtempel aus dem Spiel könnte quasi 1:1 so in Nintendos Klassiker auftauchen. Blue Fire wird hiermit zwar keinen Blumentopf gewinnen, dennoch ist die triste, detailarme Kulisse in sich stimmig. Im Vergleich zum Protagonisten ist die gesamte Umgebung gigantisch und weitläufig, sodass das Gefühl des Verlorenseins und der Einsamkeit in einer unbekannten Welt gut vermittelt wird.

Hierzu trägt auch der fantastische Soundtrack aus der Feder von Ariel Contreras-Esquivel bei. Es gibt pro Gebiet einen Track, der die melancholische Stimmung wunderbar vermittelt. Der CEO von Robi Studios lobte den Komponisten sogar dafür, dass er sich „nur mit einer groben Idee und einer Skizze des Hauptcharakters sofort an die Arbeit gemacht hatte, noch bevor es überhaupt Artwork oder ähnliches für das Spiel gab. Dennoch hatte er komplett die Essenz der Stimmung verstanden und in seine Handwerkskunst übersetzt.“ Ich kann dem nur beipflichten. Wer sich davon überzeugen möchte, findet den Soundtrack auf diversen Musikdiensten.

Ich habe das Spiel sowohl für den PC, als auch für die Switch. Da es grafisch nicht viel her gibt, läuft es auf beiden Plattformen (und allen anderen auch) absolut reibungslos. Auf der Switch sind die Ladezeiten nach einem vollständigen Tod oder beim Gebietswechsel ein wenig länger, aber selten mehr als 10-15 Sekunden.

Mein Fazit zu Blue Fire

Pros:

  • In sich stimmige Präsentation
  • Hervorragende Steuerung
  • Abwechslungsreiche Plattformpassagen in unterschiedlichen Schwierigkeiten
  • Hervorragender Soundtrack
  • Kostenloser DLC, weitere in Arbeit

Cons:

Das Bild zeigt die Wertung des Spieles "Cook, Serve, Delicious! 3?!".
  • Trotz Dash relativ träges Kampfsystem
  • Hässliches Gegnerdesign
  • Keine Hilfe, wenn man mal nicht weiter weiß

Blue Fire ist kein perfektes Spiel, aber es macht verdammt viel richtig. Für das Erstlingswerk ist es ein herausragender Platformer, der für viele unterhaltsame Stunden sorgt. Die gesamte Präsentation des Spiels ist rundum stimmig, die Steuerung fühlt sich an, als würde man die Figur nur mit den Gedanken bewegen und doch gibt es, speziell im DLC, Passagen, bei denen man ordentlich ins Schwitzen gerät.

Lediglich die Kämpfe hätte man getrost weglassen können, ohne dem Spiel auch nur irgendetwas an Charme zu nehmen. Die Bosskämpfe machen zwar Spaß, sind aber mit den richtigen Fähigkeiten auch zu einfach. Fans von Indie-Spielen werden den Titel vermutlich eh schon besitzen, Fans von 3D-Platformern, die hiervon bisher noch nichts gehört haben, sollten unbedingt zugreifen, da die Entwickler auch immer noch an zusätzlichen DLCs arbeiten und diese kostenlos veröffentlichen.

Ich weiß jedenfalls, dass ich Blue Fire immer mal wieder durchspielen werde, da das Hauptspiel mit rund zehn Stunden eine überschaubare Länge hat und die Erkundung einfach immer wieder aufs neue Spaß macht.

Das Testmuster wurde uns von Graffiti Games zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

Über Roger Hogh 750 Artikel
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.

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