Nintendo im Wandel – Das weinende Auge

In diesem Beitrag soll es um das Unternehmen hinter Mario, Zelda, Donkey Kong & Co. und dessen Wandel gehen. Mit vier oder fünf Jahren begann mein Abenteuer in virtuelle Welten. Der (damals) sympathische Konzern aus Kyoto verstand es am besten, mich zu verzaubern und somit in seinen Bann zu ziehen. Er schaffte es, mein Herz zu berühren und bis heute in den Händen zu halten.
Leider spüre ich seit mehreren Jahren immer stärker die zweite Hand an meiner Geldbörse, während sich ein Schmerz in meiner Brust bemerkbar macht – doch nicht, weil die Hand dort fester zudrückt, sondern im Gegenteil… ich spüre, wie sie immer weiter von meinem Herzen ablässt.
Was nun wie der Anfang einer kitschigen Schnulze klingen mag, werde ich nun versuchen zu erklären und eventuell findet sich der Eine oder Andere darin wieder.

© Nintendo

Mario Strikers auf der Switch als Beispiel für das Gewinnstreben

Ich habe erst kürzlich einen Testbericht zu Mario Strikers: Battle League Football geschrieben, welchen ich in diesem Beitrag nun nicht verlinke. Wisst ihr, normalerweise tut man dies, um den sogenannten SEO-Wert zu pushen und somit seine Reichweite zu steigern. SEO steht für Search Engine Optimization; das Programm sieht es gerne, wenn man eigene Beiträge in neuen mit Hyperlinks versieht und auch externe Quellen mit einbaut. In diesem Beitrag interessiert mich das nicht, es ist reine Herzensangelegenheit.

Am Beispiel von Mario Strikers auf der Switch sehen wir wieder einmal – und diesmal in einem Extrem – dass Nintendo den Spagat zwischen Ökonomie und Kundenfreundlichkeit entweder nicht vollbringen kann oder aber, was wahrscheinlicher ist, nicht vollbringen will.

Was meine ich damit? Sehr viele Fans der Reihe oder allgemein auch Neulinge sind stark enttäuscht von dem Spiel. Dies liegt an mehreren Punkten:

  • Der Content ist kaum vorhanden: Wie in meinem Test beschrieben, bietet das Spiel kaum Inhalte. Wir spielen ein paar Pokale, können halt normale Spiele bestreiten – offline wie online. That’s it
  • Doch ohne sämtliche Funktionen, die Standard sind: Kein skill-basiertes Matchmaking, man spielt also einfach vor sich hin, ohne einen Indikator dafür, wie erfahren und/oder gut der Gegner ist. Wir können online keine Turniere spielen, ja nicht einmal mit vier bis acht Freunden an vier bis acht Konsolen spielen
  • Kaum was zum Freispielen: Wir spielen original ein Ausrüstungsteil frei. Weitere Motivation existiert nicht. Alle zehn Charaktere sind direkt vorhanden, ebenso alle fünf Stadien, was eine mickrige Anzahl ist
Hauptsache durchspreschen!

Ergo: Das Spiel ist einfach unfertig und zu früh auf dem Markt erschienen. Das Core Gameplay, die Präsentation und Technik sind herausragend und es macht viel Spaß, keine Frage. Aber an diesem Beispiel merkt man einfach, wie Nintendo wirtschaftet. An dieser Stelle mag ich einmal den Entwickler Next Level Games in Schutz nehmen: Entwickler allgemein sind häufig (manchmal schon) nicht das Problem. Meist sitzen sie mit Herzblut an ihren Projekten, sind kreativ, experimentell und wollen wirklich ein tolles Produkt erschaffen. Oftmals sind Publisher das Problem, denn die vermarkten das Ganze. Bedeutet konkret: Sie sorgen dafür, dass Gewinne eingefahren werden, indem sie Informationen teilen, Versprechungen machen, Release-Termine festlegen, sogar entscheiden, wie weitreichend neue Inhalte ausfallen, sie stellen die finanziellen Ressourcen zur Verfügung et cetera.

Wenn Nintendo also möchte, dass Mario Strikers in diesem unfertigen Zustand erscheinen soll und zwar genau am 10. Juni, dann passiert das auch genau so. Natürlich gibt es dennoch Rücksprachen mit dem Entwickler, immerhin muss eine gewisse Qualität sichergestellt sein und Mario Strikers bietet tolle Stärken, aber man merkt, dass vieles noch fehlt.
Schaut man sich nur einmal an, was der Vorgänger Mario Strikers: Charged Football auf der Nintendo Wii alles im Vergleich (–>Mario Strikers: Battle League Football / –>Mario Strikers: Charged Football) geboten hat mit 20 Charakteren, 17 Stadien und dann noch Missionen, um Elemente freizuspielen. Dazu bieten die Stadien auch noch viele Effekte und sind damit einzigartig und spielerisch relevant.

Wer glaubt denn da, dass ein so toller Entwickler wie Next Level Games (–> Homepage) ernsthaft nicht die Lust und Ambition hat, mehr Inhalte zu erschaffen als zehn Charaktere und fünf Stadien, wo nichts passiert sowie null weitere Modi? Weitere Inhalte sollen folgen, doch erscheinen diese nach und nach, also gestückelt. Dies wiederum ist die Entscheidung des Publishers – also Nintendos.

„Du, gib mir dein Geld!“

Nintendo und die Online-Welt

Gut, an dieser Stelle kann ich schlecht von einem Wandel schreiben. Nintendo war im Onlinebereich schon immer sehr schwach aufgestellt. Ich könnte allerdings von einem nicht vollzogenen Wandel, welcher dringend nötig wäre, schreiben. Das Unternehmen hat nie das Interesse verfolgt, in bessere Online-Sturkturen zu investieren, was natürlich viel Geld kostet. Ich hörte bereits Vermutungen, dass Mario Strikers deshalb nicht über vier Konsolen in einer Mannschaft läuft, da die Verbindungsqualität dann bei dem Peer2Peer-System miserabel wäre. Nun, dagegen spricht die Existenz anderer Spiele mit vielen Teilnehmern auf vielen unterschiedlichen Systemen. Das wird beim im September erscheinenden Splatoon 3 auch nicht anders sein.

Games as a service – Warum das Ganze?

Generell stehen Inhalte fast alle direkt zur Verfügung. Für die jüngeren Leser: Dies war nicht immer so. Früher spielte man Charaktere, Arenen, Spielmodi und vieles mehr frei. Man spielte also das Spiel und bei gewissen Erfolgen freute man sich, etwas Neues zu entdecken, von dem man vorher noch nicht wusste. So war die Motivation, immer weiter voranzuschreiten, höher und man freute sich über neue Inhalte. Ich nenne in diesem Zusammenhang gerne den beliebten Prügler Super Smash Bros. Melee für den Nintendo GameCube. Hier bietet man uns coole und knifflige Missionen, um weitere Kämpfer freizuschalten. Es war so interessant, irgendwann überrascht zu werden. Zum einen wusste man nicht, wann man jemanden freischaltet und zum anderen auch nicht wen. Es war einfach aufregend und fühlte sich gut an.

Nun ist gerade aber ein entscheidendes Wort gefallen: „knifflig“. Uff… das klingt so nach Mühe und irgendwie… Arbeit… Und genau darin besteht der Wandel bei Nintendo. Die Spiele werden einfacher und alles schneller verfügbar, eben weil die Zeiten schnelllebiger geworden sind. In Zeiten des fortgeschrittenen Internets, wo sich jeder fix informieren kann, Leaks keine Seltenheit sind, Free2Play-Spiele direkten Einstieg ermöglichen und vielem mehr, scheint die virtuelle „Arbeit“ einfach ein Relikt der Vergangenheit zu sein, zumindest dann wenn man in seine Unterlagen zur Marktforschung schaut und daraus ableitet, dass wohl immer weniger Akzeptanz dafür vorhanden ist, angeblich.

Wobei ich mich bei dieser Thematik auch frage: Wann hat es jemals den Aufschrei, die Welle, den Protest, das fehlende Interesse der Spielerschaft bei Nintendo gegeben, die kundgetan hat: „Hey, ich habe keine Lust, mich mit dem Spiel zu befassen – gib mir alles, direkt, ich mag keine Überraschungen!“?

In diesem Zusammenhang mag ich einmal einen kreativen Shooter thematisieren: Splatoon 2. Es gab damals von der Spielerschaft die Kritik bezüglich des Rotationssystems der Arenen. Es war so geregelt, dass es stets zwei verschiedene Maps zu spielen gab, die anfangs alle vier Stunden rotierten. Dies wurde irgendwann auf zwei Stunden verkürzt. Da mich das Spiel damals enorm packte, verfolgte ich auch mehrere Interviews und eines verschaffte mir ein Stück mehr Klarheit darüber, wie Mitarbeiter von Nintendo denken. Von japanischer Seite zeigte man sich sehr verwundert darüber, dass Leute so viel Zeit in das Spielen von Splatoon 2 investieren.

© Nintendo

Dies wirkt als hätte man die Auswertung einer Berechnung neben die tatsächlichen Bedürfnisse der Spieler gehalten und gesagt: „Verstehe ich nicht, warum ist das so?“. Ich weiß nicht, wie es euch da geht, aber diese Art der Analyse erschreckt mich. Es gleicht eher einem statistisch fragwürdigem Kalkül, welches sich nämlich genau im Wandel von Nintendo niederschlägt.

Games as a service hat den Sinn, dass Spieler über einen längeren Zeitraum immer wieder aufs Neue angefixt werden. Was damals die Freischalt-Erfolge waren, sind in der Internet-Moderne zusätzliche Inhalte via Download. Der ökonomische Vorteil bei der letzteren Variante ist, dass man das Spiel in den Medien immer wieder neu aufarbeiten kann und man im Gespräch bleibt. Außerdem kann man sich so mehr Zeit mit der Entwicklung nehmen. Bei einem Spiel wie Super Smash Bros. Ultimate, das bereits in dessen Ursprungsform gewaltigen Umfang in allen Belangen bot, verstehe ich gut, dass man kostenpflichtige DLCs anbietet, doch bei einem so mickrigen Spiel wie Mario Strikers: Battle League Football – welches süße 1,8 GB fasst – wirkt dies wie die Gier nach schnellem Geld, auch wenn kommende Inhalte kostenlos kommen. Gut, eigentlich auch wieder nur im ökonomischen Sinne „kostenlos“, immerhin kostet es viel Geduld, Ungewissheit, Ärger, Frust und eventuell die Lust am Spiel generell.

Zum Vergleich das Content-Monster, auch in seiner Urfassung! / © Nintendo

Ein Experiment – mein Vorschlag

Nehmen wir doch einmal einfach an, dass es wirklich de facto so ist, dass die Nintendo-Spielerschaft absolut keine Lust mehr hat, viele Elemente freizuspielen. Was könnte man dennoch tun? Und hier wird es nun besonders interessant und führt zu einem weiteren Punkt, bei dem Nintendo absolute Sturrköpfigkeit und Bevormundung beweist: Überlasst uns die Option! Es wäre programmiertechnisch ein Leichtes, uns beim Start des Spiels zu fragen, ob wir direkt viele/alle Elemente zur Verfügung gestellt bekommen oder diese lieber nach Erfüllung gewisser Kriterien freischalten wollen. Zack, „Problem“ gelöst. Ja, man müsste sich – wenn man überrascht werden mag – vor Enthüllungen et cetera schützen, aber auch das ist möglich. Im Anschluss könnte man genau auswerten, welche Spieler welchen Modus genutzt haben. Und selbst wenn man dann sieht, dass mehr Spieler den Modus wählen, in dem man nichts freischaltet, so nimmt die Option beider Modi einfach alle mit ins Boot und alle sind happy.

Dies bringt mich interessanterweise zu einem anderen Splatton 2-Interview, indem ein weiterer wichtiger Aspekt von Nintendos Philosophie zum Tragen kommt: Einer von zwei damaligen westlichen Entwicklern, Designer Jordan Amaro (–> Twitter-Account), berichtete über den Unterschied zwischen westlicher und japanischer Videospiel-Philosophie. Der besagte Entwickler äußerte, dass es oftmals wie in einem japanischen Restaurant ist. Du kannst beispielsweise Tee bestellen, aber eben nicht mit sämtlichen Extrawünschen. Du musst darauf vertrauen, dass die Betreiber des Restaurants wissen, was das Beste für dich in Bezug auf den Tee ist. Im Beispiel ging es darum, dass grüner Tee mit Zucker ein No-Go, Kaffee mit Zucker aber voll in Ordnung ist. (–> Hier ein Ausschnitt, über den ntower berichtete / –>Hier die Berichterstattung von IGN)

Ohne Zucker! / Quelle: tokyolifestyle.ch

Und auch das hat mich zutiefst erschrocken. Auf der einen Seite ist es gut, dass Nintendo nicht den Free2Play-Trend bei seinen Triple A-Projekten mitgeht und überall zig Mikrotransaktionen und Lootboxen einbaut sowie ihre Werte bezüglich Familienfreundlichkeit bewahren wollen, aber auf der anderen Seite ist dieses tief Traditionelle auch der unbezwingbare Gegner des Ankommens in der Moderne in Bezug auf Videospiele und deren Struktur. Okay… der Satz ist lang, pardon. Habt ihr das eigentlich mal gemerkt? Also dass Nintendo und Firmen, die eng mit ihnen verwoben sind, sehr stark diktieren, wie wir was zu spielen haben? Aktuelles Beispiel wären die Pokémon-Spiele und der vielerorts verhasste EP-Teiler. Dieser sorgt dafür, dass stets alle Pokémon bei Kämpfen mitgelevelt werden. Dies spart Zeit. Nun gibt es aber viele Spieler (mich eingeschlossen), die dieses Feature nicht nutzen wollen. Wie war es damals? Man konnte sich aussuchen, ob man ihn nutzt oder nicht. Wie ist es heute? Wir müssen ihn nutzen. Es gibt nicht die Möglichkeit, diesen zu deaktivieren. Auch hier wäre es programmiertechnisch wieder sehr einfach, die Option einzubauen.

Und ich finde es völlig in Ordnung, wenn Leute den gerne nutzen und argumentieren, dass man ansonsten doch eh einfach nur länger stumpf levelt. Doch was spricht gegen eine simple Option? Da finde ich die ewige Relativierung und starre Verteidgungshaltung, weil man die Marke liebt, in den Diskussionen immer sehr anstrengend. Schließlich bieten sich ohne den Einsatz des EP-Teilers viel mehr Challenges und auch die Entwicklung der Werte der Pokémon fällt anders aus. Wieder greift anscheinend die kühle Marktanalyse in Kombination mit der Restaurant-Philosophie: „Leute haben weniger Zeit, also implementieren wir ein Feature, welches genau diese spart, egal ob gewollt oder nicht, denn wir wissen, was das Beste für euch ist“.

„Komm her mit deinem Kopf!“ / Quelle: jeumobi.com

Nach Iwata kam die Sintflut?

Nicht wenige Stimmen lassen immer wieder verlauten, dass nach dem Tod Iwatas – der bis heute wohl beliebteste und angesehenste Nintendo-Präsident – verstärkt auf Profitmaximierung und weniger auf Kundenzufriedenheit gesetzt wird. Klar, machen wir uns nichts vor: Schon immer war Nintendo darauf aus, große Gewinne zu generieren. Es ist eben auch ein börsennotiertes Unternehmen, dass dem kapitalistischen Wachstumsstreben unterlegen ist, aber! und das ist nun ein wichtiges Aber, ist Spagat nicht gleich Spagat. Gemeint ist damit, dass man als Unternehmen beeinflusst, inwieweit man die Kundenzufriedenheit erfüllt und dafür eventuell einen gewissen Anteil an Umsatz investiert. Sprich: Man kann vorgehen wie Take2, EA und Konami und voll auf Gewinnmaximierung setzen und viele Spieler abschrecken und ausbeuten oder man kann auf gewisse Strategien verzichten und somit auch auf potenzielle Einnahmen. Es kann natürlich auch rentabel sein, ein gutes Image zu erhalten. Doch selbst wenn man es nur für das gute Image tut: Es spielt keine Rolle, solange der Kunde sich dabei gut fühlt und gerne Kunde ist.

Auch zu Iwatas Zeiten gab es Zustände, die viele nicht optimal fanden: Spiele bezahlte man immer wieder aufs Neue für hohe Preise, Spiele waren generell schon immer sehr preisstabil, in Zeiten der gefloppten Wii U erschienen „unfertige“ Spiele wie Mario Tennis: Ultra Smash et cetera. Wobei man bei dem letzten Beispiel besser nachvollziehen konnte, warum das so war. Die Nintendo Switch hingegen ist unfassbar erfolgreich.

Der beliebte Allrounder Satoru Iwata / © Nintendo

Der hauptsächliche Unterschied ist, dass Spiele auf der Switch häufig unfertig wirken und weniger Content bieten als dessen Vorgänger:

  • Animal Crossing: New Horizons bot lange weniger Inhalte als die Vorgänger. Noch immer vermissen Fans einige Features von früher. Und selbst mit den neuesten Updates… da zahlt man noch mal drauf. Entweder mit dem Abo für den Online-Service oder auf normalem Wege
  • Nintendo Switch Sports ist einfach nur eine grafisch aufgebohrte Version des Erstlings mit weniger Content dessen und Wii Sports Resort. Die beiden neuen Sportarten Badminton und Volleyball spielen sich prinzipiell sehr ähnlich und sind extrem simpel gehalten. Auch hier soll Content folgen: In dem Fall Golf, das damals direkt verfügbar war. Dabei kostet der Titel ca. 40 €, mit Beingurt sogar 50 €, um das Feature für das neue Fußballspiel zu genießen.
  • Super Mario Party ist stark versimpelt worden und bot wenig Content. Ein brauchbarer Online-Modus kam Jahre später via Patch, wahrscheinlich um das für Mario Party Superstars zu testen. Beiden Spielen mangelt es auch wieder an Content. Der erste Switch-Teil wurde niemals erweitert und bei Mario Party Superstars munkelt man, dass da auf jeden Fall noch was nachgeliefert wird
  • Pokémon-Ableger sind allgemein qualitativ in Bezug auf Technik, Features, Umfang sowie Preispolitik stark in der Kritk und bieten stets nur das Nötigste
  • Mario-Sportspiele haben in ihrer Qualität und ihrem Umfang deutlich nachgelassen über all die Jahre. Mario Strikers für die Switch ist zumindest spielerisch wieder besser geworden
  • Bei Spielen wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild und Super Mario Odyssey ist zwar genug Content vorhanden und auch die Qualität stimmt, aber auch hier spürt man den Wandel der Zeit im Spieldesign in Bezug auf das Erreichen vieler kleiner Erfolge in kurzer Zeit (Schreine und Krogs bei Zelda und Monde bei Mario)

Nun, ob dies an Iwata lag und er es anders gemacht hätte als zunächst Tatsumi Kimishima und nun Shuntaro Furukawa (welche als „pure Geschäftsmänner“ bezeichnet werden) ist und bleibt pure Spekulation. Ja, er war sympathischer und auch als Entwickler tätig und verstand viele Entwicklungsprozesse und Spielerbedürfnisse wohl besser, aber wie er in der jetzigen Zeit gewirtschaftet hätte: Kein Plan. Zumindest sorgte der Mann für eine bessere Kommunikation.

Aktueller Nintendo-Präsident Shuntaro Furukawa / Quelle: nintendo-fandom.com

Teilweise irreführendes Marketing

Was mich besonders ärgert, ist, wenn Nintendo ein Marketing betreibt, dass zwar nichts Falsches äußert, aber wohlwissend Dinge suggeriert, die eine Erwartungshaltung generieren, welche dann zu unangenehmen Überraschungen und Enttäuschung führen. Ich mag dafür mehrere Beispiele anführen:

  • Pokémon Legenden Arceus wurde Trailer-technisch aufgezogen wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Fans vermuteten, einen Open World-Titel zu bekommen, eben weil so gekonnt mit dem Eindruck gespielt wurde. Erst später (vor Release) ließ man verlautbaren, dass es lediglich größere Areale gibt. Schaut für einen Vergleich mal die Anfänge der folgenden Trailer an:
  • Doch auch Zelda Breath of the Wild ließ den Anschein in seinem legendären Trailer aus dem Jahr 2017 erwecken, als könnten wir ein storylastiges Spiel spielen, welches sehr episch daherkommt. Im Endeffekt beschränkte sich die Story auf ein paar Punkte in der Spielwelt, an denen man kurze Rückblenden sah, was nicht wenige zurecht enttäuschte. Schaut euch den besagten Trailer einmal an und Hand aufs Herz: Hättet ihr ernsthaft damit gerechnet, lediglich ein paar Rückblenden zu sehen?:
  • Mario Golf: Super Rush wurde damit beworben, wie viel Spaß das Spielen mit Freunden bereitet und vor allem der namensinspirierende Speed-Golf-Modus wurde immer wieder und wieder betont. Man solle ihn mit bis zu vier Leuten spielen können. Tja, konnte man, aber nicht mal auf einer Konsole, dafür brauchte man zwei und auf beiden spielt man dann im Splitscreen. Dies enttäuschte viele Fans ebenso, weil dies so konkret nicht klar kommuniziert wurde. Wichtig ist auch stets, was man als Erstes und nicht irgendwann mal in einem Treehouse zeigt oder ins Kleingedruckte schreibt. Doch auch abseits der Kommunikation ist dieser Zustand sehr umständlich und etwas peinlich. Schaut euch gerne einmal den Eintrag im Nintendo eShop an. Dort steht bei Multiplayer lediglich 1–4 Spieler.
  • Super Mario Party warb damit, auch online mit Freunden gespielt werden zu können. Betont wurden im damaligen Trailer die Minispiele. Im Anschluss äußerte man, dass man gegen Spieler aus aller Welt antreten könnte. Man erwähnte nicht, dass man ausschließlich die Minispiele und nicht auch die klassische Party mit Freunden spielen konnte. Nur um dann drei Jahre (!) später genau das nachzuliefern
Witzigerweise ist die Kommentarfuntkion unter diesem Video deaktiviert ~
  • Bei Mario Strikers: Battle League Football zeigt Nintendo, dass man zu acht an einer Konsole spielen kann. Ebenso wird der Strikers-Club erwähnt und dass man online gegen andere Spieler antreten kann. Nirgends wird geäußert, dass man nicht an vier Konsolen einer Mannschaft beitreten kann und man sich stattdessen zu einer sehr limitierten Mannschaftszusammenstellung entschieden hat. Dass dies viele Leute überraschte und enttäuschte, zeigt, dass das Marketing an dieser Stelle einfach mangelhaft war. Für eine Vielzahl an Spielern ist dies ein starker Mitgrund oder sogar alleiniger Grund, das Spiel nicht mehr zu spielen. Gerade eben postete Nintendo Deutschland auf Facebook mit dem Satz: „Schaut euch an, was die Medien von Mario Strikers: Battle League Football halten!“ folgende Grafik, die ihr unter dem YouTube-Video sehen könnt.
    Dass alle drei Seiten auch starke Kritik üben und vor allem das GamePro-Zitat unter der Überschrift „Gelb-rot für die Langzeitmotivation“ steht, erscheint selbstverständlich nicht. Dies ist natürlich allgemeiner Werbenatur, warum sollte man auch Defizite bewerben, doch gerade im Falle von Mario Strikers unfreiwillig amüsant. Alle drei Seiten liegen mit ihrer Wertung im 7er-Bereich, genau wie meine.
Schaut man sich die Kommentare von diesem und einigen anderen Facebook-Posts an, sprechen fast alle die gleiche enttäuschte Sprache

In keinem der Fälle hat Nintendo etwas Falsches geäußert. Alle Informationen sind korrekt ins Werbematerial integriert. Das Unternehmen steht also vollkommen auf der sicheren Seite und Verteidiger können stets äußern: „Nun, wenn ihr falsche Erwartungen habt und ihr euch nicht richtig informiert, seid ihr selbst Schuld“. Da ist schon was dran. Allerdings gibt es eben viele Casualspieler, die sich eventuell einen Trailer angucken, weil er in aller Munde ist und dort nicht ausreichend oder verwirrend informiert werden. Auch hier wieder mein Vorschlag: Vernünftig kommunizieren. In jedem dieser Beispiele wären die Enttäuschungen bzw. die unangenehmen Überraschungen in den jeweiligen Punkten vermeidbar gewesen. Doch was wäre wohl die Folge? Richtig: weniger Verkäufe und somit weniger Umsatz. Für die Aktienwerte sind hohe Vorbestellerzahlen, frühe Käufe und Hype in sozialen Medien essenziell.

Einfluss der Covid-19-Pandemie

Immer wieder hört man, dass wohl die Arbeiten im Home Office dazu geführt haben könnten, dass die Inhalte magerer ausgefallen sind. Dieses Argument greift nur bedingt. Ja, bereits im Mai 2020 sprach Nintendo-Präsident Shuntaro Furukawa über den großen Einfluss der Pandemie auf die Entwicklung, da man vor allem in Japan nicht aufs Home Office vorbereitet war (–>Berichterstattung von Gamespot / –> Originalquelle). Allerdings sitzt beispielsweise der Entwickler Next Level Games in Vancouver, also in Kanada. Natürlich müssen die Leute dort sich mit Mitarbeitern aus Japan koordinieren, doch die Hauptentwicklung findet in Nordamerika statt. Und genau dieses Spiel ist es, das wie kein Zweites durch dessen extrem mageren Inhalt Schlagzeilen macht.

Und selbst wenn wir annehmen, dass die Pandemie dem Projekt massiv geschadet hat, hätte Nintendo noch immer das Spiel verschieben können, damit Next Level Games weitere Inhalte implementieren kann. Außerdem haben andere Firmen oder sogar Spiele aus dem Hause Nintendo diese massiven Probleme nicht. Wie man es also dreht und wendet: Ausreden gibt es dafür nicht, schon gar nicht für Mario Strikers oder gar Spiele, die vor der Pandemie erschienen sind.

Der fähige Entwickler hinter Luig’s Mansion 3 / Quelle: wikipedia.org

Warum Nintendo dennoch Erfolg feiert – Die Herzen der Fans

Nun gibt es einen Grund, warum Nintendo gefühlt agieren kann, wie sie wollen: Nintendo hält das Herz von vielen Menschen in den Händen und das ist eine ökonomisch unfassbar wertvolle Ressource. Wie viele Menschen haben sie mit ihren tollen Marken in der Kindheit, Jugendalter und auch im Erwachsenenalter begeistert. Gerade der Fokus auf Kinder bindet natürlich Konsumenten emotional an das Unternehmen. Was man in seiner Kindheit lieben lernt, begleitet einen mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Leben lang. Kinder von damals, mich selbst eingeschlossen, sind heute erwachsen und fiebern noch immer heißblütig mit. Oder Leute haben mittlerweile eigene Kinder, die große Augen bei Nintendoprodukten machen. Der Erfolg Nintendos beruht darauf, dass die Marken für alle Altersklassen geeignet sind. Natürlich sind Pokémon- oder Kirbyspiele in sehr niedlicher/kindlicher Optik gehalten und vom Schwierigkeitsgrad nicht so anspruchsvoll wie beispielsweise ein Elden Ring, aber Erwachsene können die Titel doch genauso gut spielen – warum auch nicht? Oder Spiele wie Mario Kart 8 Deluxe, Splatoon 2 und Super Smash Bros. Ultimate: Wenn das Gameplay fetzt, macht es einfach Spaß, egal wie alt man ist. Im Multiplayer-Segment ist Nintendo gut aufgestellt.

Und gerade weil Nintendo-Fans vieles nicht einfach „nur“ cool finden, sondern emotional extrem stark an die Marken gebunden sind, sind sie verzeihlicher. Fanboys gibt es in sämtlichen Lagern, bei sämtlichen Firmen, das ist klar. Doch gerade bei Nintendo scheint es viele Fans zu geben, die das Unternehmen extrem verteidigen, selbst wenn es viel Anlass zur Kritik gibt.

Frühzeitig Herzen erobern, zahlt sich aus / © Nintendo

Und dann gibt es natürlich noch die große Zahl der Gelegenheitsspieler, die alles sehr locker nimmt und sich wenig informiert. Denen ist es schlichtweg oft (nicht immer!) egal, wie viel und was genau geboten wird – bisschen zwischendurch daddeln und schon sind sie glücklich. Kinder, die mit der Switch aufwachsen, kennen erst mal kaum anderes. Core Gamer, von denen es auch viele gibt und die für extrem viel Werbung (Redakteure, Entertainer, Moderatoren, Streamer, Let’s Player, Modder, Entwickler etc.) und somit auch Aufrechterhaltung für Online-Aktivitäten sorgen, werden eher vernachlässigt. Rein wirtschaftlich geht Nintendo damit einen klugen Weg: Wenig Aufwand, viel Ertrag. Da kann man kapitalistisch applaudieren, doch gutheißen muss man dies nicht.

EDIT: Schaut euch gerne mal einen Beitrag von Content Creator und Videospiel-Entwickler Christian Wasser aka SambZockt zu diesem Thema an. Einige Punkte sind (wohl bewusst) überspitzt, wie zum Beispiel, dass der FOMO-Effekt förmlich Leute zum Kauf gedrängt hat oder dass Nintendo Leute für Geld vor einen Zug werfen würde, aber in der Grundkritik stimme ich zu:

Ja, das „EDIT“ zeigt, dass mein Beitrag hier zuvor online ging ~

Ich bin zumindest eine Stimme, die den Wandel von Nintendo mit einem weinenden verfolgt. In früheren Zeiten kam noch hinzu, dass Nintendo viel präsenter war: Reggie Fils-Aimé, Satoru Iwata, Shigeru Miyamoto, Masahiro Sakurai. Das beliebte Nintendo Direct-Format führte Iwata ein, welches vielfach kopiert wurde. Die Spiele machten meist einen fertigen Eindruck, Nintendo-Persönlichkeiten waren keine Phantome und vieles war besser kommuniziert. Den aktuellen Präsidenten Furukawa hat man nicht einmal abseits weniger Fotos gesehen. Iwata lebt nicht mehr; Reggie ist nicht mehr im Unternehmen; Miyamoto seltener Repräsentant; ob Sakurai weitermachen wird, ist unklar. Tja, und die Spiele wirken immer häufiger unfertig, gestückelter, simpler und teilweise liebloser. Viele tolle IPs sind gefühlt begraben.

Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch immer noch tolle Spiele gibt! Ich hoffe einfach, dass Nintendo irgendwann einen erfreulicheren Kurs fährt.

Ich bin gespannt, wie es wird! / © Nintendo

Was haltet ihr von dem Wandel, den Nintendo in all den Jahren durchgemacht hat? Seid ihr optimistischer als ich? Schreibt eure Gedanken gerne in die Kommentare!

Über Justin Aengenheyster 328 Artikel
Im Jahr 1992 erschien Mortal Kombat... und ich. Wir beide sind auf unsere Weise brutal. Ich für meinen Teil fahre brutal auf Videospiele ab und beschäftige mich gnadenlos mit verschiedenen Themen, um Gleichgesinnte zu informieren. Als treues Nintendokind befasse ich mich am liebsten auch mit Nintendospielen.

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