Quake – Das größte Beben der Neunziger jetzt auch unterwegs (neu) erleben [Test]


Es ist einfach nur schön zu sehen, wie Stück für Stück die Videospielgeschichte neu aufgelegt und somit für eine neue Generation zugänglich gemacht wird. Und die Zahl der liebevollen Ports wird zunehmend größer. Nachdem Duke Nukem, Doom und auch die Nintendo-eigenen Serien geremaked und -mastered wurden, begibt sich ein weiterer Kämpfer aufs Schlachtfeld. Mitte letzten Monats enthüllte Bethesda während der QuakeCon 2021 das Quake Remastered – und machte es direkt für die Spieler verfügbar.

Die 3D Shooter-Revolution von 1996

Der gleichnamige Held aus Quake schickt sich an, seine Welt zu retten und geht dabei nicht minder zimperlich zur Sache wie seine Genrekollegen. 1996 erstmals für PC erschienen und seinerzeit der erste ‚echte‘ 3D First-Person-Shooter Blockbuster weltweit, genoss Quake durch die ausnahmslos verwendete Polygongrafik ein hohes Maß an
Aufmerksamkeit. 2D-Sprites oder eine 2,5D-Welt wie von der Build-Engine gewohnt (Duke Nukem 3D, Shadow Warrior) gehörten nun vollends der Vergangenheit an. Vorbei waren die Zeiten verschwommener oder grob verpixelter Gegnerwellen, denn ab sofort wurden die Widersacher in echtem 3D niedergemetzelt. Quake hievte die Technik in First-Person-Shootern damals auf ein neues Level, an denen sich Folgeprodukte immer wieder messen lassen mussten.

Auf diesem Screenshot des Spiels „Quake“ ist ein Monster in einem Lavapool zu sehen.
Bei den Bossfights geht es heiß her!

Konsolenports ohne Sony

Und das nicht nur auf dem PC, ein Jahr später war das Beben auf dem SegaSaturn und ab 1998 auch auf dem N64 zu spüren. Nur die PlayStation-Jünger gingen überraschenderweise leer aus, obgleich ein PSX-Port bereits in der Mache war. Dieser hat sich aber als schlecht umsetzbar herausgestellt und wurde letztendlich gecancelled. Woran es letztendlich gelegen hat? Schwer zu beantworten, da es keine detaillierte Begründung seitens der Entwickler gab. Es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass es hauptsächlich an dem sehr limitierten Arbeitsspeicher der PSX von gerade einmal 2 MB gelegen hat – das war damals schon recht übersichtlich. Die Level hätten dadurch zahlreiche „Loading“-Abschnitte gebraucht und die Polygonanzahl wäre vermutlich ebenfalls deutlich kleiner ausgefallen.

Dennoch hat es ein beeindruckender Quake II-Port ein paar Jahre später doch noch auf die PlayStation geschafft. Gute Kompromisse während der Entwicklung und sehr talentierte Leute waren da am Werk, die PSX Version des zweiten Teils konnte jedenfalls vorbehaltlos empfohlen werden und ist einer der besten FPS auf Sonys Konsole überhaupt.

Auf diesem Screenshot des Spiels „Quake“ sind zwei sich bekämpfende Monster zu
sehen.
Seltenes Phänomen bei Quake: Infight zwischen zwei Gegnern

Für die Saturnversion hingegen wurde eine eigene Grafikengine entwickelt und das Programm stellte sich auch als wesentlich leichter umsetzbar dar. Dass Quake in derart gut spielbarer Form auf dem Saturn erschienen ist, kann schon als kleine Sensation angesehen werden. Zwar waren auch hier spürbare Einschnitte unvermeidlich, bewegten sich aber noch nach damaligen Maßstäben in erträglichem Rahmen. Vom Saturn-Port könnt ihr Euch im Folgenden ein eigenes Bild machen:

Quake – Jenseits der Grafik-Revolution

Nachdem Quake also auf dem PC, SegaSaturn und N64 erfolgreich released wurde, ging es ans Eingemachte: Konnte der Titel auch die Kritiker und Fans spielerisch überzeugen? Welche Erwartungen wurden erfüllt, welche nicht? Kurz gesagt gibt es viel Altbewährtes und recht wenig Experimente, dafür aber ein enormes Tempo und wie bereits erwähnt die damals technische Oberliga.

Vom Index gestrichen und trotzdem noch cool

Etwas ausführlicher: Den Spieler erwartet eine Fusion aus altbekannten Doom-Elementen und – vielleicht auch gar nicht unbedingt so beabsichtigten – spielerischen Neuheiten. So sorgte erstmals der mittlerweile legendäre und für Speedrunner unabdingbare Rocket-Jump für eine Revolution im Shooter-Bereich, welcher später von bekannten Vertretern wie Unreal Tournament aufgegriffen und weiter ausgebaut wurde. Die sammelbaren Goodies (von Munition, Health, Rüstung etc. mal abgesehen) wurden beispielsweise um das splatterfördernde Quad-Damage erweitert, welches über einen begrenzten Zeitraum den vierfachen Schaden anrichtet. Das Ergebnis einer abgefeuerten
doppelläufigen Schrotlinte, die sich aus zwei Metern Entfernung auf einen Widersacher entleert, fällt recht deutlich aus… so richtig abwechslungsreiche und extrem ausufernde Splattereinlagen bleiben aber aus.

Auf diesem Screenshot des Spiels „Quake“ ist ein Monster und eine große
Explosion zu sehen.
Temporärer God Mode: Anders wäre diese Situation nicht zu überleben gewesen

Zwar geizt Quake nicht gerade mit Gewalt, aber entweder zerplatzen die Gegner in einer Fleischwolke samt Blutschweif oder sie fallen einfach um. Somit ist die damalige Indizierung in Deutschland zwar nachvollziehbar, aber die Aufhebung 2011 ebenso. Inzwischen wurde das Spiel von der USK ab 16 Jahren freigegeben. Wie für den 90er-Jahre Spielekatalog so üblich, fällt die Spielzeit erfreulich hoch aus. Allein die vier Kapitel des Hauptspiels mit ca. 15–20 Stunden kommen üppig daher, sofern man möglichst alle Geheimnisse – die zum Teil wirklich gut versteckt sind – finden möchte.

Mehr Content? Kein Problem!

Wie bereits angedeutet ist das aber noch längst nicht alles. Es gibt vier Bonusepisoden, die unüblich, aber sehr zur Freude aller sogar neue Gegnertypen und Knarren beinhalten. Das ist alles andere als selbstverständlich und nicht zuletzt deshalb so erwähnenswert, da man während der Hauptkampagne nur um ein Dutzend verschiedene Gegnerarten zu Gesicht bekommt, die sich überflüssigerweise auch noch stark ähneln. Das war damals schon nicht sehr viel und ist für einen Fantasy-Shooter im Generellen ziemlich dürftig. Zwar wurden diese mitunter sehr kreativ designt – allen voran der Shambler und der Fiend –, nur sind es eben immer wieder die gleichen Fratzen, die dem Spieler vor Kimme und Korn laufen.

Auf diesem Screenshot des Spiels „Quake“ ist ein Monster mit einer Kettensäge zu
sehen.
Dem Ogre werdet ihr ab dem zweiten Level des Öfteren begegnen. Abstand halten!

Eine KI gibt es im herkömmlichen Sinne ebenfalls nicht beziehungsweise beschränkt diese sich auf ein simples Chargen Richtung Spielfigur, während ordentlich Partikel verschossen werden. Aber das war bei Doom schließlich nicht anders und ist für diese Art von FPS absolut spieldienlich. Ausgeglichen wird der Umstand des gegnerischen Einerleis durch häufige Schalterrätsel, die jedoch wiederum gerade einmal die zwei im Spiel verschiedenen Schlüsselarten (silber und gold) kaschieren müssen. Immerhin gibt es eine recht hohe Anzahl an unterschiedlichen Fallen, die einem das Leben schwer machen. Das waren alles garantiert bewusste Designentscheidungen, aber mehr wäre in diesem Falle… naja, eben mehr gewesen.

Geiz ist nicht geil

Alles andere als ausufernd präsentiert sich auch die Anzahl der Waffen im Hauptspiel. Während der Kampagne gibt es gerade mal sechs auffindbare Argumentationsverstärker. Anstatt mal ordentlich zu Klotzen anstatt zu Kleckern, gesellen sich neben der obligatorischen Nahkampfwaffe (Axt), nur die von Anfang an verfügbare Shotgun, ein
doppelläufiges Schroteisen, eine Nailgun (MG-Ersatz), die Super-Nailgun (Chaingun-Ersatz), ein Granatwerfer, ein Rocketlauncher – sieht wie eine Flöte und somit etwas komisch aus – und eine Energie-Waffe, die sogenannte Thunderbolt. Das ist arg dünn, vor allem, da seinerzeit andere Genrevertreter mehr und vor allem kreativere Schießeisen zu bieten hatten.

Die vorhandene Axt ist mangels Schlagkraft und Reichweite die mit Abstand nutzloseste Waffe im ganzen Spiel, da es an allen Ecken und Enden Munitionsnachschub bis zum Abwinken gibt. Selbst auf den höheren Schwierigkeitsgraden muss daher nie freiwillig aufs Holzfällermesser zurückgegriffen werden. In den fast 25 Jahren, die die Fans weltweit bisher durch unzählige Quake-Flure gestiefelt sind, dürfte die Axt nicht allzu häufig zur Anwendung gekommen sein – höchstens, wenn sie hin und wieder versehentlich angewählt wurde. Resultierend aus einem solchen Fauxpas tritt der Tod sehr plötzlich ein, da das Ding in etwa so hilfreich ist wie ein Charlie Sheen beim Drogenentzug.

Auf diesem Screenshot des Spiels „Quake“ sind eine Waffe und zwei
Deckenleuchtenleisten zu sehen.
Na, habt ihr den Schalter für die Geheimtür entdeckt? Die Knarre ist übrigens neu

Auf der anderen Seite gibt es auch in Quake wieder Tonnen an versteckten Secrets sowie die erwähnten Fallen, so dass die Umgebung stets im Auge behalten werden sollte. Auf dem N64 und dem Sega Saturn durfte wie schon fast obligatorisch nur nach Abschluss eines Levels gespeichert werden, was aufgrund der meist sehr überschaubaren Level
nicht so stark ins Gewicht fällt.

Pixelgenaues Zielen in Quake

Selbstredend gehört dieser Nervfaktor inzwischen der Vergangenheit an. Auf der Switch darf nach Lust und Laune gespeichert werden, auch eine Schnellsafe-Funktion ist vorhanden. Nicht missverstehen: Gespeichert werden muss jedoch immer noch manuell, denn eine Autosave-Funktion gibt es nicht. Häufig wird das Zeitliche gesegnet, weil man zu kopflos in einen Raum gestürmt ist. Selbst schuld, denn unfaires Leveldesign kann nur selten und eine fehlerhafte Steuerung schon gar nicht fürs Ableben verantwortlich gemacht werden.

Auf diesem Screenshot des Spiels „Quake“ ist eine Guillotine zu sehen.
Auch bei Quake schadet es nicht, ab und zu den Kopf einzuschalten… sonst ist er ab!

Denn diese ist über jeden Zweifel erhaben, ob nun mit Pro Controller oder Gyrosteuerung, die Spielfigur steuert sich sehr präzise – die Versionen der Konkurrenz steuern sich ebenfalls sehr vortrefflich. Hierbei ist nur der persönliche Geschmack entscheidend. Hervorzuheben ist für die Unterwegsspieler vor allem die vortreffliche JoyCon-Eingabe. Nach vielen Stunden Zocken mit Nintendos Mini-Controllern wurde zu keiner Zeit eine andere Steuerungsmöglichkeit vermisst. Und das ausgerechnet bei einem pfeilschnellen und scroll-intensiven Vergnügen wie bei Quake. Es geht doch, warum nicht immer so? Beide Daumen nach oben!

Sang und Klang

Soundtechnisch wird gehobene Standardkost geboten. Die Knarren klingen leider nicht allzu fett, nur die doppelläufige Schrotflinte kommt mit einigermaßen Wumms rüber. Fast alle anderen Waffen bleiben akustisch jedoch recht blass und wenig überzeugend. Das gegnerische Rumgegrunze hingegen geht in Ordnung und einige kernige Soundeffekte wissen ebenfalls zu gefallen. Wird der Protagonist getroffen oder springt, erinnert das aber eher nach einem kräftigen Abdrücken auf dem Abort als an einen knallharten Hund, der zu Hunderten die feindlichen Linien ausdünnt… naja.

Erfreulicheres bieten die wenigen ‚echten‘ Musikstücke des Spiels. Der Soundtrack wurde unter anderem von Trent Reznor komponiert, seines Zeichens Frontmann und Mastermind der Industrialkapelle Nine Inch Nails. Während der Entwicklung gab es eine engere Kooperation zwischen Programmierer-Team und Musiker. Reznors Bandlogo ziert
sogar die Munitionskisten der Nailgun. Coole Sache, das!

Der Multiplayer in Quake

Doch nicht nur im technischen Bereich macht das Remaster alles richtig, auch an einige coole Multiplayer-Optionen wurde gedacht. Denn mal ehrlich, was wäre Quake ohne eine gepflegte Ballerei unter Freunden? Nachdem die Solospieler unter uns mit Dutzenden Stunden an Content bedacht wurden, gibt es zum Glück auch dieser Front nur Erfreuliches zu berichten! Die Kampagne samt Erweiterungen kann bis zu viert sowohl online als auch im Splitscreen gezockt werden. Absolut super bei einem Retrospiel, auch die damals weit verbreiteten lokalen Coop- und Deathmatch-Modi zu integrieren.

Auf diesem Screenshot des Spiels „Quake“ ist ein roter Raum mit vielen Kerzen zu
sehen.
In zusätzlichen Episoden wird die Grafikengine mitunter toll neuinterpretiert

Ebenso erwähnens- wie lobenswert sind die Crossplay-Möglichkeiten. Es ist kein Problem, auf Xbox One, Xbox Series X/S, PlayStation 4 und 5, PC und der Nintendo Switch zusammenzuspielen. Dies gilt für die Kampagne und auch für spannende Multiplayer-Matches. Zukünftig sind weitere, kostenlose Ergänzungen geplant. So sollen auch Fan-
Mods und -Missionen zur Verfügung stehen. Der Port von Quake 64 ist bereits im Menü anwählbar.

Ultra-Violence

Vor jeder Episode kann der Spieler zwischen drei, teils auch vier Schwierigkeitsgraden wählen. Jeder, der zumindest schon mal irgendwann eine virtuelle Knarre in den Händen gehalten hat, dürfte sich mit dem einfachen oder normalen Modus des Hauptspiels begnügen. Wenn es aber so richtig zur Sache gehen soll, kann gleich auf „Hard“ oder gar
„Nightmare“ begonnen werden – bei den Ursprungsepisoden, wohlgemerkt.

Die Mission Packs und Bonusdreingaben spielen sich deutlich härter und wesentlich kompromissloser. Hier ist selbst der Easy-Mode zwischen dem normalen und harten Schwierigkeitsgrad der Kampagne anzusiedeln. Die Sadisten unter euch versuchen sich bestimmt auch hier an der härtesten Einstellung, werden aber sicherlich bei den ersten Versuchen recht bald das Zeitliche segnen. Also Augen auf bei der Schwierigkeitswahl. Dies sei Euch nur als kleine Warnung / Versprechen ans Herz gelegt. Nun aber los, die Waffen durchgeladen und auf den Kampf – Ihr werdet es nicht bereuen!

Fazit zu Quake Remastered

Pros:

  • Die beste Quake-Version ever!
  • 60+ Level
  • Cleveres Leveldesign
  • Spannende Suche nach Secrets
  • Zusätzliche Waffen und Monster
  • Gestochen scharfes Bild
  • Optional: der N64 Quake-Port
  • Bestens gealtert und technisch optimiert
  • Ausnahmslos präzise Steuerung
  • Starke Multipayermodi
  • Fanmods werden unterstützt

Cons:

  • Gegnerarten wiederholen sich häufig
  • Überwiegend dünne Sounds

Quake spielt sich so, wie man sich ein potentielles Doom 3D in der damaligen Zeit vorgestellt hätte. Mit mehr satanischen Symbolen und ein paar zusätzlichen Gegnerarten wäre es als solches auch locker durchgegangen, doch stattdessen stampfe man ein komplett neues Franchise aus dem Boden. Quake hat im technischen Bereich eine neue Stufe erklommen, spielerisch macht der Titel auch 2021 noch eine tolle Figur und zockt sich durch leichte technische Anpassungen überraschend modern. Die umfangreichen DLCs und Zusatzepisoden erweitern das
Hauptspiel sinnvoll und spielen sich teilweise erfrischend anders. Hier hat sich Machine Games (u.a. für Wolfenstein II verantwortlich) spürbar Gedanken gemacht, wie sich das vorhandene Material weiterentwickeln lässt. In einigen
Zusatzepisoden werden sogar völlig neue Gegner- und Waffenarten spendiert. Applaus, so muss das aussehen!

Für knapp 10 € erhalten alle Fans bleihaltiger Kost eine enorm umfangreiche Gegenleistung. Insgesamt bietet der Titel über 60 Level inklusive zahlreicher Geheimabschnitte, Hubs, Bossfights, diversen Multiplayermodi und vielem mehr, sodass selbst Call of Duty– und Battlefield-Veteranen aufhorchen sollten. Bleibt zu hoffen, dass Quake mit einem
fünften Hauptteil endlich mal bedacht und fortgesetzt wird. Denn die Serie ist einfach nur gut und ein Nachfolger wäre mehr als verdient. Das Erstlingswerk zeigt auch nach 25 Jahren auf, wie maßgeblich Quake für die Entwicklung des Genres beigetragen hat und immer noch beeinflusst. So kann das Schlussurteil nur lauten: Uneingeschränkte
Kaufempfehlung für den womöglich wichtigsten Re-Release diesen Jahres!

Das Testmuster wurde uns von Bethesda zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

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