Ich hab’s geschafft. Ich habe Immortals Fenyx Rising einmal durchgespielt und auf New Game + einen Punkt erreicht, an dem ich aktuell keinen Anreiz mehr habe, weiter zu spielen, denn ich fühle mich hoffnungslos unterfordert. Doch darüber später mehr. Viel Spaß mit dem Test.
Worum geht’s in Immortals Fenyx Rising?
Ubisofts Fantasy-RPG handelt von einer Schildträgerin (wahlweise eines Schildträgers) namens Fenyx. Der mächtigste aller Titanen, Typhon, hat sich aus seinem Gefängnis befreit und ist fleißig dabei, den griechischen Göttern die Hälse umzudrehen. Außerdem hat er alle Menschen in Stein verwandelt.
Zeus beobachtet das Geschehen von oben und bittet Prometheus um Hilfe, dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Dieser erzählt nun die Geschichte von Fenyx, auserkoren zur Heldin dieser Welt.
Die Story wird in vielen Dialogen zwischen Zeus und Prometheus vorangetrieben, sowie durch einige Zwischensequenzen mit den jeweiligen Göttern, die gerettet werden müssen. Ihr sollt vier Göttern wieder zu alter Stärke verhelfen, indem ihr deren Essenz aus einem Versteck in den Gewölben des Tartaros zurück holt.
Die Präsentation
Immortals Fenyx Rising präsentiert die griechische Mythologie in einem leichten, humorvollen Ton ohne großes Drama oder berührende Emotionen. Alle Charaktere haben gute Laune und nehmen das Geschehen überwiegend auf die leichte Schulter, scherzen oder streiten miteinander. Das ist an sich keine schlechte Sache. Die deutsche Synchronisation macht größtenteils einen guten Eindruck, lediglich an Zeus konnte ich mich nie so recht gewöhnen. Leider ist er einer derjenigen, die immer überall ihren Senf hinzugeben müssen. Allerdings sind manche der Animationen hakelig oder unpassend und viele der Gags zünden einfach nicht richtig.
Das Spiel ist farbenfroh und abhängig von der Grafikleistung des Rechners oder der Konsole äußerst hübsch anzusehen. Selbst auf niedrigen PC-Einstellungen gefiel mir die Grafik gut genug, es gab wenig Lags und man hatte dennoch einen guten Weitblick. Der ist bei einem Open World-Titel eindeutig wichtig – und gerade bei Immortals Fenyx Rising gibt es immer irgendetwas zu sehen. Meistens die nächsten 100 Gegner, 20 Schatztruhen, 15 Herausforderungen oder Consumables, die man auch immer mal wieder benötigt. Für die Switch-Version konnte ich nur die Demo antesten. Diese sieht alles in allem immer noch passabel aus. Allerdings gibt es dort quasi keine Kantenglättung, die Texturen wirken ein wenig matschiger und die Weitsicht verzichtet auf viele kleine Details. Dennoch lässt es sich so angenehm spielen.
Der Soundtrack stammt aus der Feder von Gareth Coker, der vor allem für seine Soundtracks zu Ori and the Blind Forest und Ori and the Will of the Wisps bekannt ist. Man hört dies durchaus ein wenig heraus, denn er hat diesen unvergesslichen Mix aus leichten, seichten Melodien, die sich mit epischem Getöse und stampfenden Trommeln vermischen und so wirklich den Puls zum Rasen bringen. Der Soundtrack ist also hervorragend. De Facto finde ich die Musik epischer als das Geschehen auf dem Bildschirm. Doch dazu an anderer Stelle mehr.
Oh Schock, ein Shop!
In Immortals Fenyx Rising gibt es zwei Arten von Shops, die hauptsächlich kosmetische Items anbieten. Ihr könnt über den Ubisoft-Store für Echtgeld bzw. Ubisoft-Coins ganze Sets an Skins kaufen. Diese enthalten einen Skin für Helm, Rüstung, Schwert, Axt, Bogen, Phönix und üblicherweise ein Reittier mit drei Ausdauerbalken. Alternativ könnt ihr für Hermes tägliche oder wöchentliche Aufgaben erledigen, mit denen ihr „Elektra“ sammelt. Diese könnt ihr dann bei ihm ausgeben, um euch aus einer wöchentlich wechselnden Liste an Skins etwas hübsches auszusuchen. Das sind üblicherweise Skins aus jenen Sets, die ihr auch im Ubisoft-Store kaufen könnt. Hermes will euch also eigentlich nur anfixen.
Erstaunlicherweise finde ich den Hermes-Shop gar nicht schlecht und habe mehrmals die Tortur des wöchentlichen Gewölbes auf mich genommen, um mir etwas hübsches auszusuchen. Wer mag, kann sich von den Elektra auch Blitze des Zeus oder Ambrosia bei Hermes kaufen, wenn er sie gerade anbietet.
Das Gameplay von Immortals Fenyx Rising
Der Titel arbeitet eigentlich mit der üblichen Ubisoft-Formel für Open World-Spiele: Gebt den Leuten etwas zu tun! Es gibt hinter jedem Stein und unter jedem Grashalm etwas zu entdecken, gefühlt eine Million kleiner mythischer Herausforderungen zu erledigen oder Schatztruhen zu öffnen. Diese sind allesamt durchaus abwechslungsreich und manche der Rätsel und Aufgaben, speziell in den Gewölben des Tartaros, können ganz schön knackig sein. Das ist ein schöner Pluspunkt.
Was die Immersion wiederum ein wenig zerstört ist die Erkundungsfunktion. Genretypisch könnt ihr euch auf hohe Statuen oder Berge stellen und aus der Ego-Perspektive die Gegend auskundschaften. Soweit so gut. Auch kann man dann die entdeckten Stellen markieren, um die Richtung und Entfernung angezeigt zu bekommen. Klasse. Warum zum Teufel kann Fenyx jedoch durch Wände und Berge sehen, um die weiteren Aufgaben zu erspüren? Das ist unlogisch und fühlt sich einfach falsch an. Auf diese Weise sind sowohl Map, als auch Ego-Perspektive binnen Minuten überfüllt mit hässlichen kleinen Icons, die sich dem Spieler aufdrücken und erledigt werden wollen.
In Immortals Fenyx Rising sieht eine typische Spielrunde wie folgt aus. Man hat eine Aufgabe, entweder weil die Story vorangetrieben werden muss oder weil man sich in der Halle der Götter eine künstliche Aufgabe ausgesucht hat, welche einem Punkte bringt, mit denen man sich kosmetische Items holen kann, und zieht los, um diese zu erledigen. Unterwegs findet man so viel Zeugs, was man „nur mal schnell“ noch erledigen möchte, dass man die eigentliche Aufgabe gerne aus den Augen verliert. Mit der Zeit hat man wieder genügend Blitze des Zeus oder Ambrosia Edelsteine gesammelt, um irgendetwas aufzuleveln und teleportiert sich wieder per Schnellreise zurück zur Halle der Götter. Dann fällt einem auf, dass man ja eine Quest hatte erledigen wollen und zieht wieder los.
Komm, kämpfen wir!
Während sich obiger Zyklus konstant abspielt, werdet ihr unweigerlich auf Gegner stoßen. Da führt absolut kein Weg dran vorbei. Zum einen sind sie oftmals die Bedingung, damit sich eine verschlossen Kiste öffnet, zum anderen stehen die Gegner auch gerne einfach so in grimmigen Gruppen zusammen und warten nur darauf, von euch vermöbelt zu werden.
Ja, richtig gelesen. Die Gegner wollen eigentlich gar nicht euch die Rüstung eindellen, sondern umgekehrt. Eigentlich möchten sie euch nur zeigen, wie absolut göttlich übermächtig ihr doch seid. So fühlt es sich jedenfalls nach ein paar Stunden Spielzeit an.
Ich bin wirklich zwiegespalten bezüglich des Kämpfens. Einerseits fühlt es sich wirklich mächtig an. Die Spezialangriffe haben wuchtige Animationen, ein perfekter Block oder ein perfektes Ausweichen sorgen sofort für ein Hochgefühl und bieten ordentliche Vorteile für den Kampf. Andererseits ist die Anzahl unterschiedlicher Gegnertypen überschaubar, sodass ihr früher oder später auf die immer gleichen Mobs treffen werdet, denen ihr auf die immer gleiche Weise ans Leder geht. Generell gibt es zwar viele unterschiedliche Kampffähigkeiten, aber wenn man das Prinzip erst einmal verstanden hat, macht nur eine Strategie wirklich Sinn – haut den Gegnern die Ausdauer runter, sodass sie benommen sind, klöppelt so lange auf sie ein, bis sie wieder wach sind und beginnt von vorne. Mit der passenden Ausrüstung überhaupt kein Problem.
Hinzu kommen zu viele Power-Ups. Eure Lebensenergie, eure Ausdauer, die Angriffe und die Ausrüstung lassen sich bis zu einem bestimmten Punkt aufwerten. Habt ihr das Maximum erreicht, könnt ihr dennoch weitere Punkte hineinstecken, um mehr Prozente rauszuschlagen. Die Gegner leveln tatsächlich ein wenig mit, was ihr dann an unterschiedlichen Farben der gleichen Typen erkennen könnt. Macht aber nix. Auch wenn ihr gegen 15 Gegner gleichzeitig antretet, kommt ihr nur selten ins Schwitzen. Notfalls könnt ihr auch noch bis zu 20 Heiltränke mit euch herumschleppen.
Ist das jetzt ein Boss?
Fällt das Gegnerdesign schon wenig abwechslungsreich aus, trifft es die Bosse besonders hart. Diese sind mit wenigen Ausnahmen einfach nur größere, buntere Versionen bestimmter Standard-Gegnertypen und haben 1-2 zusätzliche Attacken und mehr Leben. Schade, hier geht eine Menge Potential verloren.
Ab und an werdet ihr plötzlich vom versklavten Geist eines griechischen Helden angegriffen. Achilles hat mich beim ersten Mal ziemlich überrascht mit seinen schnellen Angriffen. Der Kampf ging knapp aus. Beim zweiten Mal wusste ich, was auf mich zukommt. Beim dritten Mal war ich genervt und nach dem vierten Mal habe ich einen kurzen Umweg in Kauf genommen, um sein verfluchtes Geisterversteck aufzusuchen und ihn endgültig zu stoppen.
Worauf ich hinaus möchte ist folgendes: Die Kämpfe sind keine Herausforderung. Egal ob normaler Mob, Elite-Gegner, Boss oder gar der Endboss höchstpersönlich, von dem ich maßlos enttäuscht war, sie alle sind zu einfach, wenn man das Spiel vernünftig spielt und eine normale Progression anstrebt. Und dennoch machen die Kämpfe dank des Effektgewitters eine Menge Spaß, sodass man eben doch die fiesen Schergen am Wegesrand mitnimmt, statt ihnen aus dem Weg zu gehen.
Ohne euch das Ende zu spoilern möchte ich hier kurz auf etwas eingehen: Bevor ihr das letzte Gebiet betretet, werdet ihr gefragt, ob ihr speichern möchtet. Ihr habt danach keine Möglichkeit, zur Oberwelt zurückzukehren und müsst den Schluss durchziehen. Das wäre ja an sich kein Problem, stünde euch nicht ein vollständiger Dungeon bevor, für den ihr gut und gerne 1-2 Stunden einrechnen solltet, bevor ihr dann zum letzten Bosskampf kommt. Plant das also mit ein.
New Game Stuss
Habt ihr Immortals Fenyx Rising dann endlich geschafft, könnt ihr genau DIESEN Spielstand überschreiben und im New Game + anfangen. Ab sofort steht euch außerdem der Schwierigkeitsgrad „Albtraum“ zur Verfügung, welcher eine große Herausforderung verspricht.
Der neue Schwierigkeitsgrad in allen Ehren, wenn ihr ein komplett neues Spiel beginnt, macht das vielleicht was her, aber auf NG+ ist das überhaupt kein Problem. Ich habe die ersten paar Kämpfe verloren, weil die Gegner nun wirklich ordentlich zuhauen und man sich eben weniger treffen lassen sollte. Gut, halte ich etwas mehr Abstand zur Gruppe und picke mir meine Gegner vorsichtiger heraus, dann passt das schon. Lediglich ein besonders garstiger legendärer Kyklop bereitete mir für mehrere Versuche Kopfzerbrechen, da dieser mich mit einem Treffer ins Jenseits geschickt hat.
Das Problem ist hierbei aber nicht nur, dass die verstärkte Schwierigkeit auf NG+ kaum eine Herausforderung darstellt, sondern dass das ganze Spiel auf NG+ keinen Sinn ergibt. Ihr behaltet all eure Fähigkeiten und eure Ausrüstung. Das macht die ganze Story eigentlich hinfällig. Ihr seid immer noch übermächtig und könnt euch prinzipiell bis zur Unendlichkeit aufleveln, um noch unantastbarer zu werden. Aber alle mythischen Herausforderungen, Schatzkisten, Gewölbe des Tartaros etc. können wieder von vorne erledigt werden. Ich habe mich sehr schnell dabei ertappt, wie ich einer Maschine gleich eine Aufgabe nach der anderen abarbeitete, mir diverse Ambrosia-Stückchen suchte, die ich hintereinander abflog, um mich aufzuleveln, die Herausforderungen, die ja nun keine mehr waren, weil ich sie bereits einmal gemeistert hatte, einfach im Vorbeigehen erledigte… Kurz gesagt, was soll das?
Mein Tipp wäre, den Titel für eine Weile beiseite zu legen, bis die Erinnerung an der Rätsel Lösungen nicht mehr ganz so frisch ist, um dann von ganz vorne anzufangen.
Mein Fazit zu Immortals Fenyx Rising
Pros:
- Eine riesige Welt mit massenhaft zu tun
- Wirklich hübsche bunte Grafik, mit Abstrichen auf der Switch dennoch genießbar
- Knackige Rätsel und Herausforderungen
- Massig Skins und Cosmetics
Cons:
- Man wird schnell übermächtig
- Geringe Anzahl an unterschiedlichen Gegnern
- Selbst Bosse sind nur große Versionen der Standardgegner
- Überflüssiges New Game Plus, welches manche Story-Elemente ad absurdum führt
Auch wenn sich der obige Test vielleicht übermäßig kritisch anhören mag, aber ich habe nicht umsonst über 50 Stunden in das Spiel gesteckt. Immortals Fenyx Rising hat eine lebendige, hübsche Welt mit bunten Charakteren und einer leicht verdaulichen Story, die durch einfach gestrickten Humor angenehm vermittelt wird. Die Kämpfe sind vielleicht zu einfach, aber machen trotzdem eine Menge Spaß. Der Soundtrack ist bombastisch und die Grafik einladend. Die Herausforderungen und Rätsel sind teilweise knackig, besonders wenn man alle Kisten in den Gewölben des Tartaros abgreifen möchte. Mir persönlich ist der Schwierigkeitsgrad nach ein paar Stunden zu einfach geworden, aber das ist subjektiv. Ich kann das Spiel guten Gewissens allen Fans von Open World Titeln empfehlen – sogar Breath of the Wild-Fans dürften hier auf ihre Kosten kommen auch wenn sich der Titel in einigen Punkten unterscheidet.
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.
Antworten