Golf Club Wasteland – Ein kurzes Kunstwerk [Test]

Videospiele sind Kunst. Diesbezüglich gibt es keinerlei Zweifel. Deren Produktion ist eine Ansammlung vieler künstlerischer Prozesse zu einem Gesamtkunstwerk, welches Leute betrachten, spielen, darüber philosophieren oder sich eine Meinung bilden können. Es ist eine Kunst, wie EA jedes Jahr das exakt gleiche Spiel auf den Markt zu bringen und Menschen dennoch so abhängig davon gemacht zu haben, dass es zur alles bezahlenden Haupteinnahme wird. Doch genauso ist es eine Kunst, mit einem kleinen Team ein tatsächliches Kunstwerk wie Golf Club Wasteland zusammenzustellen. Demagog Studios ist dieses Kunstwerk geglückt und ich möchte euch meine Einsichten dazu in diesem Test etwas näher bringen.

Über die Künstler

Golf Club Wasteland ist eine gesellschaftskritische Momentaufnahme aus der Feder der Künstler Igor Simic, Nikola Stepkovic und Shane Berry. Igor Simic ist bereits als Künstler auf internationaler Ebene in diversen Ausstellungen und unterschiedlichen Medien, hauptsächlich als Filmmacher, vertreten gewesen.

Nikola Stepkovic ist für das Artwork des Spiels zuständig gewesen. Sein kontrastreicher Zeichenstil ist ideal für die Endzeitstimmung, die das Team kommunizieren möchte.

Das Bild zeigt die Startposition eines Golfkurses bei Golf Club Wasteland.
Schon Bob Ross wusste, dass es die Dunkelheit benötige, um das Licht besser darzustellen. Dieser Kontrast kommt hier hervorragend zur Geltung

Shane Berry ist als Audioproduzent für Videospiele und Filme ebenfalls international in der Szene bekannt. Er hat schon häufiger mit Igor Simic für kurze Kunstprojekte zusammengearbeitet und liefert mit Radio Nostalgia from Mars ein fantastisches Stück Soundtrack, welches die titelgebende nostalgische Stimmung der Überlebenden perfekt einfängt. Es ist buchstäblich ein Radiosender, der abwechselnd melancholische elektronische Musik mit Erlebnisgeschichten der geflohenen Menschen spielt und perfekt die düstere Stimmung der letzten Tage auf der Erde und des Lebens auf dem Mars einfängt.

Alle drei Künstler verbindet offenbar eine Liebe zu düsteren Zukunftsvisionen, die einfach nur gedanklich fortführen, wohin unser Planet sich entwickelt, wenn die Menschheit nicht grundlegend umdenkt.

Die Story von Golf Club Wasteland

Die Story ist schnell erzählt, da ich hier nicht mehr als das grobe Konzept vermitteln möchte. Das Spiel lebt davon, die Geschichte in kurzen Zeilen und atmosphärischen Bildern zu kommunizieren. Stellt euch das so vor, als würdet ihr in einer Kunstausstellung vor einem eindrucksvollen Gemälde stehen und die Bildunterschrift dazu lesen. Diese ist Teil des Kunstwerks, gibt vielleicht einen Hinweis auf das, was man im Bild sehen kann, aber lässt auch genug Freiraum, um sich eine eigenen Gedanken dazu zu machen.

Die Erde wurde endgültig zerstört. Gier, Umweltverschmutzung, Kriege, Seuchen, Antisocial Media haben es geschafft und den Planeten unbewohnbar gemacht. Die superreiche Elite hat kurz zuvor das Mars-Projekt abgeschlossen und ist nach Tesla City auf dem roten Planeten geflohen. Da es dort langweilig ist und da das liebste Hobby der Elite Golf ist, gibt es Touren zurück zur Erde, um in den Ruinen der alten Heimat die Schläger zu schwingen.

Das Bild zeigt Charlie, wie er zum Schlag ansetzt bei Golf Club Wasteland
Das Spiel versteht es mit Geschick ein ansprechendes, aber simples Gameplay mit einer bedrückend einsamen Atmosphäre zu verbinden

Ihr seid Charlie und habt den Trip alleine gewagt, um in Ruhe eine letzte Partie Golf zu spielen. Die Einsamkeit und Abgeschiedenheit ist euch wichtig. Ihr lauscht dem Radioprogramm, während ihr euch durch die Ruinen schlagt. Ihr werdet offenbar beobachtet.

Mehr gibt es zur Story nicht zu sagen, ohne zu spoilern.

Das Gameplay

Golf Club Wasteland ist ein simples und kurzes Golfspiel. Die Message, die kommuniziert werden sollte, ist eindeutig im Vordergrund. Das eigentliche Spiel ist ein nettes Beiwerk. Es ist etwas anspruchsvoller als die üblichen „Walking Simulations“, bei denen man nur die Story beobachtet, doch es geht in die gleiche atmosphärische Richtung. Mit dem linken Stick könnt ihr gleichzeitig Schlaghöhe und -Stärke bestimmen, mit A schwingt ihr. Die Gelände sind uneben und abwechslungsreich. Mal schlagt ihr euch über Hochhausdächer, dann von Balkon zu Balkon in einem ruinierten Wohnkomplex oder an zerfallenden Kunstexponaten empor. Ihr stoßt auf radioaktive Kühe und ballklauende Eichhörnchen inmitten den Überresten einstmaliger Großstädte, deren Hauswände mit Neonlichtern und Graffiti den Zustand des Planeten kurz vor der Zerstörung beschreiben.

Es gibt sogar drei Modi bei dem Spiel. Im Story-Modus habt ihr alle Zeit und so viele Schläge der Welt. Das ist prima, denn die Präzision will geübt werden. Wer sich mit der Steuerung vertraut gemacht hat, kann den Herausforderungsmodus spielen. Dort wir jedem der insgesamt 35 Level ein Par-Wert hinzugefügt, welcher erreicht, oder besser noch, unterboten werden muss. Hier zeigt sich, dass die Spielmechanik an sich doch simpel, aber ausgeklügelt ist. Manche Level sind wirklich fordernd, aber alle sind mit genug Übung schaffbar. Hat man diese Hürde gemeistert, kann man sich am Iron-Modus versuchen. Dieser ist wirklich hart und verzeiht einem quasi keine Fehler.

Schafft ihr es übrigens, die Level in der geforderten Anzahl Schlägen abzuschließen, schaltet ihr für jedes Level einen Tagebuch-Eintrag frei, der die Geschichte noch ein wenig um die Gedanken des Protagonisten erweitert.

Goodies

Golf Club Wasteland wurde vom Publisher Untold Games veröffentlicht. Dieser bietet storygetriebenen Indie-Titeln eine Plattform, wie beispielsweise dem Point-and-Click-Abenteuer Beautiful Desolation. Hinzu kommt, dass der Publisher gerne auch den Soundtrack der Spiele kostenlos zur Verfügung stellt. So auch in diesem Fall.

Habt ihr die Story von Golf Club Wasteland einmal durchgespielt, schaltet ihr Charlies Odyssee frei. Das ist ein Comic, der die Geschichte rund um den Protagonisten Charlie genauer erläutert. Am Ende des Comics findet ihr dann einen QR-Code, der zu einer Seite führt, wo ihr euch den Soundtrack, also das komplette Radioprogramm samt Ansagen und Geschichten, herunterladen könnt.

Mein Fazit zu Golf Club Wasteland

Pros:

  • Eine atmosphärische Momentaufnahme
  • Simples und doch ansprechendes Golf-Gameplay
  • Technisch einwandfrei
  • Gute Übersetzung
  • Kostenloser Soundtrack zum Downloaden

Cons:

  • Die Steuerung ist gewöhnungsbedürftig
  • Das Spiel ist mit 2-3 Spielstunden relativ kurz

In den letzten Jahren haben sich Videospiele immer häufiger von einem reinen Unterhaltungsmedium hin zu einer Plattform für Künstler entwickelt. Spiele wie What Remains of Edith Finch, Journey oder Gris zeigen uns regelmäßig, dass es nicht nur um Action oder Spaß gehen muss. Es lassen sich wunderschöne Kurzgeschichten über persönliche Erlebnisse, zwischenmenschliche Interaktionen oder tiefe psychologische Abgründe damit kommunizieren. Golf Club Wasteland hält unserer Gesellschaft mit vielen subtilen Hinweisen durch die audiovisuelle Präsentation den Spiegel vor, dass wir uns in eine falsche Richtung bewegen. Der Fokus auf Geld, Ruhm und Macht, das Ignorieren offensichtlicher Anzeichen von überlebensfeindlichen Aktionen gegenüber unserem Heimatplaneten oder sogar der Umgang mit der Pandemie, welcher in einem Radiobeitrag einen Seitenhieb erhält – das Künstlerteam weiß, wie es Gesellschaftskritik in Spielform inszeniert. Alles zusammen ergibt ein stimmungsvolles Kunstwerk, bei dem zu meiner Überraschung dennoch sogar das Golfspiel Spaß macht.

Spieler, die solche Kunstprojekte lieben, können bei dem Titel bedenkenlos zugreifen und werden ein paar Stunden ihren Spaß daran haben, die einzelnen Aspekte des Spiels zu analysieren. Allen anderen Spielern empfehle ich zumindest, sich ein kurzes Gameplay-Video dazu anzuschauen und dann zu entscheiden, ob sie es sich holen möchten. Als jemand, der üblicherweise eher auf knallharte und bockschwere Action steht, kann diese kurze Entschleunigung jedenfalls wärmstens empfehlen.

Das Testmuster wurde uns von Wire Tap Media zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

Über Roger Hogh 750 Artikel
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.

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