
Bei Gibbous – A Cthulhu Adventure darf wieder gepointet und geclickt werden!
Hallo und herzlich willkommen zu einer weiteren Runde der wiedererstarkten Point & Click-Adventures! Die ewig langen Durststrecken, in denen sich Genrefans an jeden Softwarestrohhalm klammern mussten, sind vorbei. ‚Gott sei Dank‘, mag nun der geneigte Fan durchatmen, denn vor
einigen Jahren gab es pro Jahr mal gerade eine Handvoll Neuerscheinungen, die aber nicht automatisch mit spielerischer Qualität gesegnet waren. Also war es fast schon egal, wie gut oder mäßig ein Programm daherkam, Hauptsache, endlich mal wieder in Erinnerungen an alte Monkey Island-Zeiten schwelgen und knackige Puzzles lösen.
Doch nicht nur die alten Softwarerecken feiern nach und nach das ein- oder andere
Comeback. Dank verschiedener Geldbeschaffungsmöglichkeiten (Crowdfunding! hust) und einer gehörigen Portion Talent im Entwicklungsbereich ist es um ein Vielfaches einfacher geworden, sich auf der größeren, aber eben auch deutlich volleren Bühne des Softwaremarktes zu präsentieren.

Gibbous – A Cthulhu Adventure, im Folgenden liebevoll Gibbous genannt, stützt sich dem Titel nach offenkundig auf den Cthulhu-Mythos des amerikanischen Autors H.P. Lovecraft. Eine tolle Idee, bietet der Stoff doch zahlreiche interessante Storyansätze und ist im Gamingsektor so gut
wie unverbraucht. Der Titel erschien bereits im Oktober 2020 für die Switch.
Die Grundlage eines jeden Point & Click Adventures – nämlich eine spannende, fantastische, aber inhaltlich in sich stimmige Geschichte – ist somit gegeben und vorwegnehmend lässt sich erfreulicherweise sagen, dass das kleine rumänische Entwicklerstudio
Stuck in Attic die Vorlage des Cthulhustoffs gut umzusetzen wusste. Auch weitere wichtige Komponenten wie gezeichnete Hintergründe, durchdachte Charaktere, zahlreiche Rätseleinlagen
sowie eine ordentliche Portion Humor wurden berücksichtigt, doch immer der Reihe nach.

Neue Storyansätze braucht das Land
Der Cthulhu-Saga geschuldet, mutet die Geschichte recht düster an. Privatdetektiv Don und Bibliothekar Buzz samt Katze Kitteh lernen wir im Prolog des Spiels kennen. Don soll das legendäre und im Original verloren geglaubte Buch Necronomicon finden. Die Bibliothek der
düsteren Stadt Darkham scheint dafür ein guter Startpunkt zu sein. Dort lernt er Buzz kennen, der halbwegs motiviert seinen alltäglichen Aufgaben als pflichtbewusster Bibliothekar nachgeht.
So weit, so unspektakulär. Doch nun wird es interessant, denn Don wird plötzlich entführt, es blitzt, donnert und feuert und Buzz findet das Necronomicon in der nun leicht verkohlten Bücherei. Blöd nur, dass er sich des verantwortungsvollen Umgangs mit dem Schinken nicht bewusst ist und verflucht daraufhin versehentlich seine Katze Kitteh, die ab diesem Malheur sprechen kann. Dies findet die kleine, freche Fellnase aber entgegen gehegter Vermutungen ganz und gar nicht amüsant!
Die Kernaufgabe des Spiels besteht fortan darin, Kitteh vom Sprachfluch zu befreien und fast schon nebenbei Don wieder aufzuspüren und zu retten.

Da die Story im Genrebereich mit zu den Essenzen gehört, wäre es arg vorwegnehmend, weiter ins Detail zu gehen. Nur soviel sei gesagt: Es lohnt sich, das Spiel bis zum Ende durchzuspielen. Die präsentierte Geschichte ist toll geschrieben und dürfte keinen Fan enttäuschen. Große Überraschungen bleiben zwar aus, aber lieber in Teilen vorhersehbar und dabei richtig unterhaltsam daherkommen anstatt krampfhaft auf neu gebürstet und dabei weder Fisch noch Fleisch zu sein – moin Trüberbrook.
Fein gezeichnet, toll geschrieben
Als erstes fällt die Grafik im Comic-Look ins Auge. Zu Beginn des Spiels werden dem Spieler toll animierte, kurze Zwischensequenzen präsentiert, die sich sehr professionell geben und mit viel Liebe zum Detail in den spielerischen Kontext einfügen. Garniert mit lupenreiner, toll dargebotener Sprachausgabe – jedoch nur in Englisch, falls jemand ernsthaft auf eine deutsche Synchro gehofft hat – werden bei älteren Zockern sofort Assoziationen der 80er Jahre-Zeichentrickserien geweckt.
Qualitativ stehen die Sequenzen den offensichtlichen Vorbildern zumindest in nichts nach. Auch im weiteren Verlauf wird immer wieder verdeutlicht, mit wie viel Herzblut das Spiel mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umgesetzt wurde. Über 60 (!) Hintergründe und Schauplätze wurden teils von Hand gezeichnet und auf den Bildschirm gezaubert. Übrigens: Um einen Qualitätsabriss muss sich der Spieler keine Gedanken machen, die anfängliche Güteklasse zieht auf gleichbleibend hohem Niveau bis zum Abspann durch.
Die sich auf wirtschaftlicher Augenhöhe befindliche Konkurrenz mag das eher mit Missfallen betrachten, denn so wird gnadenlos verdeutlicht, dass ein hohes finanzielles Startkapital nicht an erster Stelle stehen muss. Vielmehr scheinen die offensichtlichen Talente in den eigenen Reihen am ausschlaggebendsten zu sein.
Stuck in Attic… ein Entwicklerstudio, dessen Name man sich
merken sollte!

Denn nicht nur von der technischen Seite her kann es Gibbous durchaus mit Schwergewichten des Genres aufnehmen, sondern auch die Charakterzeichung ist in sich stimmig, glaubhaft und jederzeit mit leichtfüßigem Humor garniert. So schließt man das Fellvieh Kitteh durch seine
lakonischen, teils gar zynischen Dialogzeilen schnell ins Herz. Immer wieder ertappt sich der Spieler dabei, sämtliche zur Verfügung stehenden Dialogzeilen auszuprobieren, um sich an allen frechen Antworten zu erfreuen – egal ob nun für den Fortschritt relevant oder auch nicht.
Dann steuern wir mal in Gibbous los!
Das Komfortabelste gleich mal vorweg genommen: die Touchscreensteuerung der Switch ist für einen solchen Titel prädestiniert und gut umgesetzt. Den Touchpen vorausgesetzt, denn mit den Fingern tapst man 1. eh nicht auf der Konsole rum – das verbietet schon der Anstand! – und 2. mögen sie auch noch so filigran und zart sein, sind die Fingerchen immer noch zu dick für den Switchscreen und verdecken möglicherweise entscheidende Interaktionsmöglichkeiten. Dadurch wird das Weiterkommen erheblich erschwert und höchstwahrscheinlich sogar unmöglich gemacht.
Und das wäre schade, weil so die zahlreichen Rätsel ungelöst blieben. Diese sind allerdings nach Schema F konzipiert und bleiben meist im Mittelmaß stecken. Zwar sind sie allesamt logisch und witzig verpackt, aber meist weder sonderlich anspruchsvoll noch ungeahnt kreativ. So richtig einsteigerfreundlich jedoch auch nicht, so dass eher die Point & Click-Gelegenheitsspieler (gibt es die überhaupt?) angesprochen werden. Alles schon mal irgendwo gesehen, alles schon mal irgendwie gehabt. Schadeschadeschade!

Gibbous: Gut erklärt, maximal mäßig umgesetzt
Doch zurück zur Steuerung: sollte man die klassische Variante via Joy-con oder Pro Controller bevorzugen – da gibt es keine gravierenden Unterschiede –, muss man sich leider auch auf eine hakelige, da unnötig komplizierte Eingabemöglichkeit einstellen. Mit dem linken Joystick wird ein
Cursor über den Bildschirm gescheucht, der die Umgebung nach nützlichen Gegenständen ‚absucht‘. Ein kurzes Drücken des A-Buttons und der gerade aktive Charakter – davon gibt es
insgesamt drei spielbare an der Zahl – stapft an die entsprechende Stelle. Bei anwählbaren Objekten wird zudem ein kleines grafisches Drop-Down-Menü aufgerufen, welches die verschiedenen Interaktionsmöglichkeiten darlegt.
Eine Tür kann so zum Beispiel geöffnet, geschlossen oder betrachtet werden. Nett gemacht, aber zumeist auch deutlich simpler als bei den großen Vorbildern. Das Kombinieren verschiedener Inventargegenstände – das entsprechende Menü wird über die ZL Taste aufgerufen – ist meist ebenfalls ziemlich schnell durchschaubar. Weitere Hilfen können wunschweise eingeblendet werden. So richtig intuitiv fühlt sich das alles nicht an, vielmehr hat man ständig das Gefühl, ein oder zwei überflüssige Klicks bis zum
gewünschten Ergebnis durchlaufen zu müssen.
Wem der Cursor insgesamt zu träge agiert, kann diesen NICHT im Optionsmenü
feinjustieren?! Das sollte heutzutage absoluter Standard sein und kann auf Dauer ziemlich nerven, wenn einem das Eingabetempo nicht passt. Es kommt nämlich nicht selten vor, dass der Cursor
eben nicht direkt an die gewünschte Bildschirmstelle flitzt, sondern immer wieder langsam ans Wunschobjekt herangeführt werden muss. Andernfalls schießt man ständig über das gewünschte
Ziel hinaus. Hier wäre deutlich mehr (Fein)tuning drin- und auch nötig gewesen.
Und sonst so?
Das Programm richtet sich wie üblich ausschließlich an die Solisten unter den Gamern. Es wäre auch schwer vorstellbar, wie ein klassisches Point & Click-Adventure überhaupt für mehrere Spieler gleichzeitig aussehen könnte. Ein interessanter Ansatz wäre das allemal, aber sicherlich schwer umsetzbar. Mit gleichgesinnt-Vorerfahrenen ist es aber durchaus reizvoll, gemeinsam vor dem Fernseher ein Spiel wie Gibbous zu beginnen und sich gemeinsam auf die bunte Reise zu machen. Keiner beschwert sich über das gemütliche Spieltempo – wenngleich es schon angenehm
ist, dass sich Dialoge beschleunigend wegklicken lassen – und wenn der Humor stimmt… why not?
Der Wiederspielwert fällt genreüblich gering aus. Denn hat man einmal alles gesehen und Gibbous durchgezockt, gibt es wenig Grund, erneut zu starten. Der Weg ist so gut wie komplett linear und auch meist durch eine bestimmte Reihenfolge festgelegt. Jedenfalls kommt man an
bestimmten Stellen schlichtweg nicht weiter, wenn eine vorherige Kopfnuss nicht gelöst wurde.
Das Real-Life-Point & Click-Adventurependant lässt sich am ehesten mit den zahllosen Escape-Room-Rätseln vergleichen, die es in allen größeren Städten gibt. Immer wieder spaßig, wenn man jedes
Mal unterschiedliche Räume und somit unterschiedliche Geschichten spielt.
Zweimal das gleiche Zimmer zu lösen ist jedoch eine – bis vielleicht für die Speedrunner unter uns – ziemlich langweilige Angelegenheit, sind doch alle Kniffe und Rätsel schon bekannt oder zumindest noch irgendwo im Hinterkopf hängengeblieben.

Zwar habe auch ich persönlich ein halbes Dutzend Adventures, die ich in loser Regelmäßigkeit immer wieder durchspiele, was aber dem runden Ganzen und den legendären Storyverläufen sowie perfekten Scripts geschuldet ist. Und davon ist Gibbous nun doch eine ganze Ecke entfernt.
Dennoch: einen derart tollen Einstand hat es von kaum einer anderen Independentfirma in der letzten Zeit gegeben. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Stuck in Attic bald weiteren Projekten widmet und die teils leider doch noch gröberen Schnitzer in den Griff bekommt. Das Studio sollte auf jeden
Fall weiter beobachtet werden, denn hier sitzen ernstzunehmende Talente am Werk!
Fazit zu Gibbous
Pros:
- Erfrischend neue Geschichte
- Mehrere spielbare Charaktere
- Comicstil passt perfekt zum Geschehen
- Touchscreensteuerung spricht gut an
- Motivierte Sprecher
- Stimmungsvolle Zwischensequenzen
Cons:
- Pad- und Joy-con-Steuerung unnötig kompliziert
- Rätsel meist nur Mittelmaß
- Fortgeschrittene Spieler häufig unterfordert

Alles in allem ist Gibbous ein gutes Spiel geworden. Es wäre sogar noch deutlich mehr drin gewesen, wenn Steuerung und Rätseln ausgefeilter wären. Diese Komponenten versalzen einem das ansonsten auf weiten Strecken sehr gute bis hervorragende Spielerlebnis etwas. Leider sind das keine Kleinigkeiten, sondern machen einen wichtigen Teil des Spiels aus.
Auf der Habenseite stehen die toll ausgearbeiteten Charaktere, die Sprachausgabe, die witzigen Dialoge und die unverbrauchte Story. Und eines muss ebenfalls Erwähnung finden: Man spürt,
dass hier mit viel Herz und Kopf programmiert wurde, was sich auch positiv aufs Spielgefühl und in der Atmosphäre äußert. Das sollte man in jedem Fall honorieren und so gibt es in der Gesamtwertung ausnahmsweise zusätzlich einen halben Punkt Vorschusslorbeeren auf
kommende Projekte, die wir hoffentlich von dem Studio erleben und erspielen dürfen!
Das Testmuster wurde uns von Player Two PR zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!
Antworten