Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten und Memoria

Das Schwarze Auge – Es war einmal… ein Zettel und ein Stift

Auch, wer kein Fan von Pen & Paper-Spielen ist, ist im Leben zweifelsohne schon mal über die deutsche Referenz dieses ‚Real-Life-Genres‘ gestoßen. Einige sind Feuer und Flamme für diese Art der Freizeitgestaltung, sitzen stunden- oder gar nächtelang gesellig zusammen und knobeln, lachen und ärgern sich gegenseitig und gemeinsam.

Für die einen der ultimative Zeitvertreib, für die anderen die Inkarnation der Langeweile… wobei fairerweise erwähnt werden muss, dass durch das Fantasy-Setting auch nur eine ausgewählte Spielerschaft angesprochen wird. Die Rede ist hier natürlich vom Vorzeigespiel Das schwarze Auge, (im Folgenden nur noch
DSA genannt) welches ganze Generationen an den Stubentisch vereint.

Einsteiger müssen dabei realisieren, dass ein „Mal eben schnell ne Runde reinspielen!“ nicht drin ist. Ohne Geduld und einer großen Portion Lernbereitschaft werden die unruhigen Geister unter euch nur eine zweifelhafte Freude an dem Spiel haben. Diejenigen, die sich durch den zugegebenermaßen teils mühsamen Beginn des DSA-Universums im wörtlichen Sinne kämpfen, werden mit vielen unterhaltsamen Stunden belohnt.

Auf diesem schwarz-weiß Bild sind mehrere Köpfe und ein tanzender Würfel zu sehen.
Das Schwarze Auge scheint eine lange, LANGE Tradition zu haben…

Schön und gut, doch was hat ein stift- und papierlastiges Gesellschaftsspiel mit der Switch zu tun? Antwort: Eine ganze Menge! Denn die Grundidee und das DSA-Universum wurden kürzlich in zwei Point & Click Adventures auf Nintendos Hybrid portiert. Nach mehreren rollenspiellastigen
Abenteuern ist es nun an der Zeit, das Seriengerüst in ein anderes Genre zu transportieren.

Namentlich hören die beiden eng miteinander verwobenen Spiele auf die Namen Satinavs Ketten und Memoria. Und erfreulicherweise lässt sich festhalten, dass die Technik auf der Switch eine tolle Figur macht, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass beide Programme bereits ursprünglich 2012 und 2013 (!) auf dem PC veröffentlicht wurden.

Grafisch eine Augenweide, aber…

Der mystische und atmosphärische Stil wurde absolut perfekt und aufgrund der schieren Detailfülle mitunter atemberaubend in Szene gesetzt. Selten wurde dem Spieler eine derart hübsch
anzusehende Spielwelt präsentiert, die bei fast jedem DSA-Fan für offene Münder und staunende Augen sorgen dürfte! Was hier zeichnerisch umgesetzt wurde, ist schier beeindruckend.

Doch leider ist es wie so oft: wo Licht ist, ist auch Schatten. Denn wenn man sich an dem ersten Bildschirm sattgesehen hat und mit dem Abenteuer beginnen will, fällt direkt auf: Die Animationen sind potthässlich und erinnern mit ihrer stark eingeschränkten Acht-Wege-Steuerung für Ernüchterung. Und nein, da lasse ich ein „Das ist aber auch so gewollt!“ nicht gelten.

Denn die Immersion wird doch arg in Mitleidenschaft gezogen und die Frage nach dem „Warum???“ drängt sich unweigerlich in den Vordergrund. Es gibt für derart hölzerne Bewegungen und geweckte
Assoziationen mit mittelprächtigen Pixelrucklern aus den frühen 90ern keine Entschuldigung. Eine elegante Bewegungsvielfalt will zu einem Zauberjüngling und Vogelfänger viel eher passen als eine terminator-mäßige Steife. Diese Pille muss man erstmal schlucken.

Das Bild zeigt den Protagonisten in "Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten".
Der Detailgrad ist atemberaubend. Gerons Bewegungen fernab davon

Glücklicherweise kann der Sound und vor allem die respektable und angenehme
Sprachausgabe den Eindruck der bewegten Bilder nicht bestätigen. Kennern wird sicherlich schnell die Stimme des Hauptcharakters Geron vertraut vorkommen, sei es aus Kampfstern Galactica, Naruto oder auch TKKG. Kein Geringerer als Synchronpromi Sascha Draeger lieh Geron in beiden Spielen seine unverwechselbare Stimme. An meine eigene Kindheit erinnert, mutet es etwas merkwürdig an, dass er auch bereits die fünfzig Jahre locker überschritten hat…
aber ja, auch Synchronsprecher, denen man früher stundenlang gelauscht hat, werden scheinbar älter.

Das Bild zeigt den Schriftzug von Daedalic Entertainment.
Ein Namen, den man sich merken sollte!

Auffallend sind bei den tollen Vertonungen die unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten, welche sich in den jeweiligen Situationen glaubhaft präsentieren. Doch auch hier muss sich Entwickler Daedalic einen Tadel gefallen lassen: Die Option der Konversation ist löblich und verleiht an so mancher Stelle eine persönliche Note. Doch leider wirken sich die unterschiedlichen Antworten
sowohl in Satinavs Ketten als auch in Memoria in keinester Weise auf Handlungen oder die Spielwelt aus. Donnern wir unserem Gegenüber während einer Diskussion Unverschämtheiten an
den Kopf, bleibt dies stets folgenlos – hier wäre deutlich mehr drin gewesen, zumal es eher dem heutigen Standard eines P&C Adventures entspräche. Nicht absolut dramatisch, aber hier wurde eine Chance auf atmosphärisches Zutun definitiv vertan.

Kombinationskniffeligkeiten!

Doch soll nun nicht der Eindruck entstehen, dass es sich bei den beiden Programmen um
seichte Durchschnittskost handelt, denn davon sind die DSA-Ableger meilenweit entfernt. „Denn Herzstück einer Knobelei ist nunmal kein Einheitsbrei!“, so oder so ähnlich könnte das Motto der Spiele lauten. Hier wird ein ähnlicher Weg wie auch schon bei den konventionellen Schwarzen Augen eingeschlagen: Anfänger und Gelegenheitsspieler werden sehr schnell an ihre Grenzen stoßen. Zwar sind die anfänglichen Rätsel allesamt einfach zu durchschauen (benutze Messer mit Kräuter, um sie kleinzubekommen), aber nach den ersten paar Inventarskombinationen ist auch schon Schluss mit dem Welpenschutz!

Es mutet viel eher so an, dass die ersten paar Minikopfnüsse lediglich auf das Verinnerlichen der Steuerung ausgelegt sind. Denn schon nach den ersten 30, 40 Minuten werden die ersten Stirnfalten aufs Kräftigste gerunzelt. Als jemand, der sich bereits viele Tausend Stunden durch Dutzende Abenteuer gepointet und geklickt hat, komme auch ich nicht umhin, sehr schnell sehr gefordert gewesen zu sein – und das war auf den ersten Blick nicht absehbar. Dies ist natürlich kein negativer Aspekt in rätsellästigen Spielen, nur sollten
Gamer, die sich bei Baphomets Fluch oder auch Trüberbrook (→ zu unserem Test) permanent am Limit des Zumutbaren gefordert sehen, um Satinavs Ketten und Memoria einen großen Bogen machen. Die Denksportler unter Euch, die Lust auf knackige Rätsel und etwas Zeit am Stück verfügen, werden allerdings voll und ganz auf ihre Kosten kommen. Der hohe Schwierigkeitsgrad bleibt die meiste Zeit über bestehen.

Es sind viele Fässer aufeinandergestapelt zu sehen.
Roland Kaiser hätte hier seine wahre Freude!

Der zeitliche Aspekt muss an dieser Stelle nochmal gesondert erwähnt werden. Denn kann man bei den klassischen LucasArts Adventures auch mal nach tage- oder wochenlangen Spielpausen den roten Faden recht zügig wieder aufnehmen, so ist dies hier nicht so ohne Weiteres der Fall; klar, man fuchst sich wieder rein, jedoch sind einige Gedankengänge und Rätselpassagen sehr ausgedehnt und erfordern eine stete Beschäftigung mit der Materie und der
Storyline. Andernfalls wird man erstaunlich schnell mal mit dem Gedanken „Ähm, was sollte ich nochmal machen? Und was tue ich eigentlich hier??“ zurückgelassen und es dauert doch recht lange, bis man den gedanklichen Status Quo wieder hergestellt hat.

Die Programme geben auch nur sehr bedingt Tipps, was denn als nächstes ansteht. Man hat es hier also nicht mit geeigneten Spielen für einen locker-flockigen Daddelabend mit einer Handtasche Bier und einer Tüte Chips zu
tun; es ist gegenteilig ein durchgehend erhöhtes Maß an Konzentration und Auffassungsgabe gefragt. Das ist als kleine Warnung zu verstehen, um Enttäuschungen und Überforderungen von vornherein auszuschließen.

Humor ist eine Steppe

Das soll in diesem Fall bedeuten, dass es keinesfalls ausschließlich bierernst (immer dieser Gerstensaft!) zur Sache geht, allerdings werden auch keine humoristischen Feuerwerke wie beispielsweise Day of the Tentacle abgefeuert. Aber auch die implementierten Sidekicks der Protagonisten Geron und Sadja (eine Fee und ein Zauberstab (!)) lockern in Dialogen und durch Interaktionen das grundsätzlich ernste
Spielgeschehen immer wieder auf.

Sich nicht in Albernheiten verlierend, aber stets unterhaltsam erfüllen die beiden aber auch praktische Zwecke: An einigen Stellen kommt der Spieler erst mit ihrer Hilfe weiter. So werden auch die Nebenrollen sinnvoll in die Story und das Gameplay
eingebettet. Sehr vorbildlich, sehr angenehm, sehr flüssig – einfach gut gelöst!
Dass einige Kommentare, die das Zwerchfell anregen sollen, nicht so recht zünden wollen, ist dabei zu verschmerzen. Humor ist eben auch Geschmackssache.

Auf dem Bild ist eine Figur mit zwei Schweinen und dem Ausruf „Morgen wartet die
Schlachtbank“ in "Das Schwarze Auge" zu sehen.
Arme Sau – aber wo er recht hat…

Storyzweiteiler als Einheit

Bisher ist immer mal wieder der Begriff „Story“ gefallen, ohne dass darauf im Speziellen eingegangen wurde. Nun, eine ausführliche Zusammenfassung der stattfindenden Ereignisse oder gar Spoiler wird es auch jetzt nicht geben. Das hat einen einfachen Grund: Es würde viel zu viel an
Überraschungen vorweggenommen. Und die Geschichte hinter all den Kulissen ist nunmal immens wichtig.

Kenner der Serie werden beim Stadtnamen Andergast sofort hellhörig, denn diese trägt auch eine entscheidende Rolle in den Spielen und muss immer wieder als Handlungsschauplatz herhalten. Viele Charaktere werden ebenfalls sofort erkannt und ergeben so ein sehr rundes, harmonisches Bild inmitten der DSA-Welt. Auch, dass beide Spiele sehr eng miteinander verbunden sind und storytechnisch aufeinander aufbauen (chronoligisch: erst Satinavs Ketten,
dann Memoria), sollte nicht die allergrößte Überraschung sein. Also ist es durchaus sinnvoll von einem ersten und einen zweiten Teil zu sprechen.

Auf dem Bild ist eine Waldlichtung und ein erleuchtetes Zelt in "Das Schwarze Auge: Memoria" zu sehen.
Hier beginnt das zweite Abenteuer

Neulinge, die bisher noch nicht viel von DSA mitbekommen haben, müssen Vieles als
Gegeben hinnehmen und werden eine Menge Insides verpassen. Klingt jetzt unschön, liegt aber in der Natur der Sache. Jeder, der schon mal ins kalte Storywasser eines Spiels oder auch einer (Film)serie geschmissen wurde, weiß was gemeint ist. Harry Potter Teil 5 (und der Orden des Phoenix) funktioniert auch als Film in sich, aber es ist ungleich interessanter, wenn man das große Ganze drumherum ebenfalls
versteht.

Switch-Spezial: Das Schwarze Auge für Unterwegs

Nachdem schon unter Beweis gestellt wurde, wie komfortabel sich die Steuerung mit Maus und Tastatur am PC anfühlte, bleibt natürlich die Frage, wie der Switch-Port in dieser Hinsicht umgesetzt wurde. Auch hier kommt man um ein weiteres „Leider…“ nicht drum herum. Denn so
einfach und logisch die Eingabebefehle am Computer von der Hand gingen, so sperrig fühlen sie sich teils auf dem Hybriden an.

Generell hat sich nichts Weltbewegendes geändert, jedoch sind auf der Switch immer ein, zwei zusätzliche Knopfdrücker nötig, um die gewünschte Befehlskette durchzuführen. Sei es nun per Joy-con (halbwegs gut) oder über den Touchscreen (besser), es fühlt sich Nichts so richtig intuitiv an. Das ist glückerlichweise nicht ganz so dramatisch, da hektisches Bildschirmgewusel und Eingaben unter Zeitdruck hier nicht vorkommen – ist aber permanent nervend.

Allseits bekanntes Beispiel aus dem Alltag: Wenn ich Durst verspüre, setze ich die Flasche gleich an den Hals oder schenke mir ein Glas Wasser ein. Wäre ich bei dieser Abfolge auf das DSA Switchprogramm angewiesen, müsste ich mein Wunschgetränk zuerst in eine Karaffe zwischenfüllen um es anschließend „weiterzuverarbeiten“. Ist möglich, aber ebenso umständlich wie sinnfrei und ein weiteres, vermeidbares „Warum?“ pocht von innen an die Stirn des Spielers… Eine etwas umfangreichere Erklärung der Steuerung wäre ebenfalls wünschenswert gewesen, aber das fällt nicht ganz so stark ins Gewicht. Es erschwert den ohnehin nicht ganz einfachen Einstieg aber unnütz.

Nichtsdestotrotz wird jedes der beiden Spiele bei Genre- und DSA-Fans gut ankommen. Die tollen, anspruchsvollen Rätsel, die gute Story sowie die malerisch-traumhafte Grafik wiegen stärker als die Schwächen in der Animation und der allenfalls mäßigen Umsetzung der Steuerung. Für den Genreolymp reicht es durch die eklatanten Schwächen aber nicht. Dennoch werden viele spannende Stunden ins Land gehen und vielleicht werden wir ja in einem dritten Abenteuer um Geron noch versöhnlicher gestimmt…!

Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten und Memoria sind für je 19,99 € im Nintendo eShop erhältlich.

Fazit zu Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten und Memoria

Pros:

  • Viele anspruchsvolle Kopfnüsse
  • Tolles Rätseldesign
  • Atemberaubend schön gezeichnete Hintergründe
  • Gute deutsche Synchronisation
  • Überzeugendes Storytelling
  • Sehr atmosphärisch

Cons:

  • Hölzerne, unzeitgemäße Animationen
  • Unterdurchschnittliche Steuerung
  • Für Anfänger gänzlich ungeeignet
  • Teils unklar, was zu tun ist
Das Bild zeigt die Wertung zu "Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten" und "Memoria"

Mit Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten und Memoria gelingt es dem kleinen deutschen Entwicklerstudio Daedalic, die sagenumwobene Atmosphäre der DSA-Reihe in ein erwachsenes P&C Adventure-Korsett zu stecken, was auch erstaunlich gut funktioniert! Technisch scheint der Titel kaum älter als ein paar Monate, animationstechnisch glaubt man aber gleichzeitig leider auch, ein Programm von vor ein paar Dekaden vor sich zu haben.

Die Steuerung ist wie der Titel im Generellen wenig einsteigerfreundlich, aber das ist insgesamt – wenn auch schwer – zu verzeihen. Allen Genrefans steht ein extrem kniffliger Vertreter mit toller Story bevor, der noch etwas Feintuning nötig gehabt hätte, um mit den Großen mithalten zu können.

Das Testmuster wurde uns von Marchsreiter zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

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