Final Fantasy Crystal Chronicles Remastered Edition – Eine schwache Erinnerung an ein besseres Spiel

Wir schreiben das Jahr 2020, ich sitze entspannt am PC und lausche den gemütlichen Klängen des Soundtracks zu Final Fantasy Crystal Chronicles, darüber sinnierend, wie ich der überarbeiteten Version eine bessere Note geben könnte, als sie eigentlich verdient. Ich schwelge in Erinnerungen an das Original – Erinnerungen an eine unbeschwertere Zeit, ein subjektiv besseres Spiel – und sehe mich hier mit einem Titel konfrontiert, der seinen Vorgänger einem Mimic gleich zu imitieren scheint, ohne tatsächlich der echte Schatz zu sein, den man erwartet hat.

Final Fantasy Crystal Chronicles – Ein Spiel über Erinnerungen

Final Fantasy Crystal Chronicles handelt oberflächlich gesehen von den Kristall-Karawanen, welche ausziehen, um den Lebenskristall ihres Dorfes mit frischer Energie zu versorgen, damit das Dorf weiterhin vor dem alles verschlingenden Miasma – einer Art giftigem Nebel – geschützt bleibt.

Doch im Verlaufe des Spiels erkennt man immer mehr ein darunter liegendes Problem – die nahende Vergesslichkeit, die mit dem Miasma einherzugehen scheint. Erinnerungen an eine andere Zeit, an frühere Tage, an Familienmitglieder und Karawanen-Begleiter, die auszogen und nicht zurückkehrten, verblassen und hinterlassen ein Gefühl der Leere und immer präsenten Verlusts. Das anfängliche Gefühl, ein entspanntes Abenteuer zum Wohle des Dorfes zu erleben weicht mit jeder weiteren Erinnerung und fortschreitenden Jahren einer immer drückenderen Melancholie.

Das Bild zeigt den schwarzen Ritter aus Final Fantasy Crystal Chronicles
Welche Rolle spielt der schwarze Ritter bei all dem?

Genau diese Stimmung ist es, die ich an diesem Titel so liebe. Der Versuch, unbeschwert zu bleiben und dennoch die erdrückende Wahrheit heran kriechen zu spüren, dass die Aufgabe eben mehr enthält, als das stumpfe Absammeln des Myrrhe-Taus. Das ist es, gepaart mit einem kaum in Worte zu fassenden, melancholisch-entspannten Soundtrack, worin ich mich vor all den Jahren verliebt habe. Das ganze Spiel gleicht einem tragischen Gedicht über Erinnerungen und drohendes Vergessen.

Umso schwerer wird mir ums Herz, wenn bei dem Port einige der Kernaspekte des Gameplays so lieblos wirken. Die Grundstimmung ist vorhanden – immerhin sind Story und Soundtrack gleich geblieben – und das Spiel hält in diesem Punkt jeden Vergleich mit meinen Erinnerungen stand, ich liebe es. Doch in anderen Punkten strafen mich entweder meine Erinnerungen lügen oder der Titel ist grandios schlecht portiert worden.

Repetitives Gameplay – Fluch oder Segen?

Ich könnte eine Bachelor-Arbeit über die Rafinesse schreiben, mit der das Thema Erinnerungen in alle Aspekte des Spiels eingebaut wurde, doch reicht es zur weiteren Erörterung, auf das Gameplay einzugehen.

Wer einen visuellen Einblick wünscht, kann sich hier unser „Angespielt“ zu Final Fantasy Crystal Chronicles Remastered anschauen.

Im Spiel wandert ihr im Laufe eines Jahres über die Weltkarte auf der Suche nach Orten, die einen frischen Tropfen Myrrhe-Tau für euren Kristall-Kelch haben. Habt ihr einen Ort besucht, den Endgegner bezwungen und den Tropfen gesammelt, braucht es zwei Jahre, damit ein neuer Tropfen eingefangen werden kann. Es gibt eine ganze Menge Orte zu entdecken, von einer verlassenen Mine über einen Wald voller Riesenpilze bis hin zu einem Vulkan ist alles vertreten, doch ihr werdet relativ bald jeden Ort ein zweites oder gar drittes Mal ablaufen.

Dies ist eine der Methoden, in welcher das Spiel mit der Erinnerung spielt – hier war ich doch schon mal? Nicht ganz, denn hier und da gibt es kleine Abänderungen des Weges oder zusätzliche Pfade, die man entlang laufen kann, sowie mehr und stärkere Gegner als zuvor. Man erkennt das Level also wieder – und doch fühlt es sich anders an. Für eine Zeit, als immer wieder neu ausgewürfelte Level noch eine Seltenheit waren, war dies eine interessante Herangehensweise. Auf diese Weise konnte man auch sicherstellen, dass die Spieler oft genug die Weltkarte abwandern müssen und so auf die ach so wichtigen Erinnerungen stoßen, die zufällig an verschiedenen Wegkreuzungen auftauchen.

Wie könnte hierbei nur Langeweile aufkommen?

Leider kommt hier der erste Schwachpunkt von Final Fantasy Crystal Chronicles zum Tragen – und dieser hat noch nichts mit der Remastered Edition zu tun: die nicht vorhandene Schwierigkeit.

Eure Charaktere haben Stärke, Abwehr und Magie als verbesserbare Werte. In jedem Level findet ihr die gleichen Zauber, die ihr auch zu stärkeren Varianten oder anderen Sprüchen kombinieren könnt – und müsst, um gegen bestimmte Gegner eine Chance zu haben. Ihr solltet euch früh genug entscheiden, ob ihr lieber rein auf Stärke oder auf Magie setzt. Dies macht ihr, indem ihr jeweils ein Artefakt am Ende des Levels auswählt, welches euch einen permanenten Boost in diesem Wert gibt. In keinem Fall habe ich je Abwehr verbessern müssen, außer durch verbesserte Rüstungsteile, die man kaufen kann. Genauso hätte man auch den Aktivitäts-Slot „Verteidigen“ weglassen können. Es ist Unsinn, sich zu verteidigen, wenn man ausweichen und angreifen kann. Hier liegt das Problem des Gameplays: mangelnde Abwechslung.

Das Bild zeigt den Siegesbildschirm von Final Fantasy Crystal Chronicles
Habt ihr ein Level abgeschlossen, könnt ihr aus den gefundenen Artefakten eines auswählen

Es gibt zwar in vielen Leveln neue Arten von Gegnern, aber wenn man deren Angriffe erst einmal kennt, besteht das ganze Kampfsystem nur noch aus: Schritt zur Seite, A gedrückt halten (entweder, um einen Spruch oder den physischen Angriff aufzuladen), zielen, loslassen. Dann wieder von vorne. Hin und wieder müsst ihr zwei Elementar-Zauber zu Gravitas verbinden, um einen geflügelten Gegner aus der Luft zu holen oder aus einem Elementar- und einem Engel-Zauber Sanctus basteln, um Geister in die hiesige Welt zurückzuholen, aber das war es auch an Abwechslung. Nehmt ihr Schaden, heilt ihr euch kurz mit Vita oder fresst euer Inventar leer. Oder ihr behaltet einfach eine Phönixfeder in einem aktiven Slot und lasst euch damit wiederbeleben – ihr findet so viele von den Dingern, da kann man sie genauso gut verwenden.

Die Erinnerungen täuschen

In meinen Erinnerungen an zu Hause, wie ich neben den Hausaufgaben und irgendwelchen Anime-Episoden am Gamecube gesessen und dieses Spiel gezockt habe, fühlte sich das Gameplay spannend und herausfordernd an. Ich liebte es, die Zauber zu kombinieren und die Maps immer wieder aufs Neue abzugrasen. Manche Gegner waren wirklich schwer. Den Endgegner habe ich nie geschafft.

Das muss ein völlig anderes Spiel gewesen sein. Dieser Titel sieht aus wie Final Fantasy Crystal Chronicles, hört sich genauso an und vermittelt einem das gleiche, melancholische Gefühl, aber das repetitive, eintönige Gameplay stimmt so gar nicht mit meiner Erinnerung überein. Einzig die Story fesselt mich genug, um weiterzumachen – und der Core-Gamer in mir kann einfach nicht anders, als jede Ecke des Levels abzugrasen „wenn man schon mal hier ist“.

Technische Unzulänglichkeiten

Ein weiterer Punkt, den ich ganz bestimmt anders in Erinnerung hatte, ist die Performance des Titels. Diese mag damals langsam und laggy gewesen sein oder auch nicht, ich vertraue meinen Erinnerungen da nicht genug um das zu bestimmen. Aber, in der Remastered Edition eines 17 Jahre alten Titels sollten solche Probleme bitte der Vergangenheit angehören.

Das Bild zeigt eine Szene aus einer Zufallsbegegnung bei Final Fantasy Crystal Chronicles
Hübsch anzusehen ist das Spiel ja…

Haltet mich für verwöhnt, aber ich erwarte von einer Remastered Edition üblicherweise mehr als eine leicht überarbeitete Grafik. Mir ist der Unterschied zwischen Remaster und Remake durchaus bewusst, aber eine Handvoll Texturen hochzuskalieren und dem Spiel ein paar mehr Polygone zu spendieren, reicht nicht aus.

Ich fasse mich kurz: Das Spiel hat regelmäßig Ladezeiten von 10+ Sekunden und wenn man im Dungeon einen neuen Bereich betritt, brechen die Frames gerne mal für ein paar Sekunden zu einer Ansammlung von Screenshots zusammen, zumindest im Dock-Modus. Der Soundtrack überspringt gerne mal einen Takt und Input-Lag liegt auch im Handheld-Modus durchgehend bei rund einer halben Sekunde. Das. Sollte. Nicht. Sein!

Ich habe all diese Punkte mal in einem kurzen Video zusammengefasst, damit ihr das nicht nur als wütendes Gemurmel eines enttäuschten Fanboys abtut, sondern handfeste Beweise seht:

Oh, und welcher Vollhorst kam eigentlich auf die Idee, dem Spiel eine Sprachausgabe hinzuzufügen? Es kam wunderbar ohne aus. Im Gegenteil nervt es massiv, den gleichen Zauberspruch eine Million Mal hintereinander anwenden zu müssen und ihn in genau zwei Ausführungen abwechselnd zu hören zu bekommen. Glücklicherweise kann man das ja ausschalten – oder auch nicht, wenn man einen Charakter imitiert. Obwohl ich die Sprachausgabe komplett auf Null eingestellt habe, plappert mein Charakter fleißig „FIRA, Fira, FIRA, Fira, FIRA…“ BOAH!

Final Fantasy Crystal Chronicles – Erinnerungen an eine gemeinsame Reise

Final Fantasy Crystal Chronicles war in jeder Hinsicht ein Unikat seiner Zeit. Es war das einzige Final Fantasy auf einer Nintendo-Konsole seit Ewigkeiten. Es brach mit dem herkömmlichen rundenbasierten Kampf-System und wagte sich ins Action-RPG-Terrain. Die Handlung wurde zyklisch und in kurzen Episoden vorangetrieben, statt durch ausufernde Dialoge und epische Zwischensequenzen. Und vor allem konnte man es auf abenteuerliche Weise zu viert an einem Gamecube zocken.

Das Bild zeigt den Gamecube in Verbindung mit einem Controller und einem Gameboy Advance
Diese Stufe der technischen Entwicklung mitzuerleben war großartig!

Was hatte ich für einen Spaß. Meine Kumpels ja eher nicht so, aber diese Häretiker wussten halt gute Spiele auch nur selten zu schätzen. Dennoch spielten sie fleißig mit. Hierfür wurden Gameboy Advances benutzt, die per Link-Kabel mit dem Gamecube verbunden wurden. So konnte jeder auf sein eigenes Display gucken, um ihr eigenes Menü zu sortieren. Das war praktisch, denn so konnte man auch gemeinsam Städte betreten und jeder konnte gleichzeitig beim Händler Dinge einkaufen und sich auf die nächste Schlacht vorbereiten. Alle Charaktere gehörten zum gleichen Dorf, mussten also dem gleichen Spielstand angehören. So machte aber auch jeder Spieler gleichzeitig den Fortschritt.

Und im Remaster?

Bei einer Nintendo Switch, dessen Hauptmerkmal es ist, eine tragbare Konsole samt Display zu sein, sollte dies doch hervorragend umsetzbar sein, oder? Es wäre ein leichtes, Charaktere in anderer Leute Spielstände zu übertragen, solange der Spieler noch Platz im Dorf oder einfach zusätzliche Plätze im Dorf dafür anzulegen. Jeder Spieler hätte statt eines GBAs eben seine Switch.

Aber nein, stattdessen musste man ja lieber Online-Crossplay mit ALLEN Plattformen ermöglichen. Selbst DAS würde mit der oben genannten Methode noch funktionieren. Zwar nicht ganz so gut, da zeitgemäße Online-Funktionen wie Sprach-Chat leider für Nintendo noch Neuland sind, aber irgendwie hätte man sich schon koordinieren können.

Doch was Square Enix als Online-Multiplayer abgeliefert hat, ist eine absolute Katastrophe und versaut einem den gesamten Spaß, in einer Gruppe zu spielen – weil man schlicht keine wirkliche Gruppe ist.

Ich habe in diesem Artikel hier bereits sehr ausführlich erläutert, weshalb der Multiplayer eine Katastrophe ist.

Und so verzichte ich lieber auf den Online-Modus von Final Fantasy Crystal Chronicles Remastered und erinnere mich lieber daran, wie wir früher gemeinsam durch die Welt zogen.

Fazit: Was bleibt, sind Erinnerungen an ein besseres Spiel

Pros:

  • Eine tiefgründige, melancholische Story, die sich langsam entfaltet
  • Einer der schönsten Soundtracks der Spielgeschichte
  • Ein ansprechendes Charakter- und Welt-Design, welches sich stark von anderen Final Fantasy-Spielen unterscheidet

Cons:

  • Kaum Abwechslung beim Gameplay
  • Technische Mängel, die einfach nicht sein sollten
  • Eine grausame Online-Erfahrung

Ich werde selten emotional, wenn es ums Zocken geht, aber Final Fantasy Crystal Chronicles Remastered Edition hat mich kalt erwischt. Ich habe mich wirklich auf das Spiel gefreut. All die schönen Erinnerungen an das Original, kamen wie auf Knopfdruck hervor und überschwemmten mich bei der Ankündigung des Spiels mit unsäglicher Freude.


Das letztendliche Ergebnis ist leider nichts weiter als ein Nostalgie-Cash-Grab. Ich könnte heulen vor Enttäuschung. Frame-Drops, Input-Lags und lange Ladezeiten, die nicht sein müssten. Kein lokaler Multiplayer, dafür eine grässliche Online-Erfahrung. Es wurden Dinge nicht verbessert, die verbessert hätten werden müssen. Dafür wurden Dinge hinzugefügt, die man hätte weglassen können. Ich brauche keine Stimmen und ich brauche keine schweineteuren Skins. Der angekündigte Postgame-Content ist kaum mehr als die gleichen Levels mit anderem Skin und der Möglichkeit, Boss-Fähigkeiten zu imitieren. Es wurden lediglich mehr und schwerere Gegner rein geworfen. Eine Herausforderung? Sicherlich. Aber auch nur der absolute Minimalaufwand, um irgendetwas vorzuweisen.

Final Fantasy Crystal Chronicles selbst wird mir als Spiel immer angenehm in Erinnerung bleiben. Egal, ob ich das Gameplay aus heutiger Sicht als schlecht gealtert oder langweilig empfinde. Diese Erinnerungen an den damaligen Spielspaß kann mir keiner mehr nehmen. Die Remastered Edition hat dem Spiel leider nichts hinzugefügt, dem ich einen positiven Wert beimessen würde, außer, dass es genau diese Erinnerungen hervorgeholt hat.

Das Testmuster wurde uns von Square Enix zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

Über Roger Hogh 750 Artikel
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.

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