Dandara – ein Metroidvania-Unikat

Dandara ist ein teilweise verflucht schweres Metroidvania, welches die klassischen Elemente des Genres mit einer interessanten Bewegungs- und Weltmechanik verbindet. Was das Spiel von anderen Genrevertretern unterscheidet, erfahrt ihr im Test.

Die Dandara-Story

Ich habe ehrlich keine Ahnung. Irgendwas mit Welt untergegangen, das Mädchen Dandara erwacht, um sie zu retten – scheinbar nicht die erste Heldin dieser Art.

Die Story ist meiner Meinung nach eines der schwächsten Elemente des Spiels. Das macht aber nichts, denn sie wird nur in kurzen Dialogen mit wenigen NPCs oder Bossen überhaupt vorangetrieben. Dandara konzentriert sich auf das wichtige: Gameplay.

Dieser Boss geht darauf ein, dass ihr doch gerade erst gegen ihn verloren habt

Dandara ist auf der Switch in der Trials of Fear Edition erschienen, welche sogar damit beworben wird, mehr Fokus auf die Story zu legen. Ich kann mir kaum vorstellen, wie weniger Fokus auf die Story ausgesehen haben mag.

Eine Welt steht Kopf

Das mit Abstand interessanteste Feature von Dandara ist, dass ihr nicht laufen könnt. Eure gesamte Fortbewegung findet durch Sprünge von einer Wand zur anderen statt.

Überall, wo ihr helle Stellen an den Wänden seht, könnt ihr hinspringen, sofern ihr nah genug dran steht. Das ist zu Beginn noch recht ungewohnt, wenn man plötzlich Kopf steht, macht das Spiel aber einzigartig. In manchen Räumen dreht sich auch der Raum, statt ihr euch selbst. Die Karte selbst bleibt zum Glück immer gleich ausgerichtet, sodass ihr anhand der Türen und anderer Elemente den Überblick behalten könnt, wo ihr als nächstes hin müsst.

Ich habe hier ein kleines Video zur Veranschaulichung erstellt:

Das fühlt sich fantastisch an!

Wenn man die Fortbewegung erst einmal verinnerlicht hat, fühlt sich diese Methode sehr natürlich an. Ihr zielt mit dem linken Stick in die gewünschte Richtung und springt mit A ab. Das einzige Problem hierbei ist, dass mein Controller, leider kein Original-Pro-Controller, offenbar nicht soooo präzise ist. Selbst mit Joy-Cons hatte ich hier weniger Schwierigkeiten. Dandara wählt zwar automatisch die nächstbeste Stelle an, aber für präzise Sprünge braucht man manchmal etwas Fingerspitzengefühl oder Zeit. Letztere hat man in diesem Spiel in bestimmten Passagen überhaupt nicht. Hier kommt dann Frust auf, denn das Spiel verzeiht nicht.

Heute schon versagt?

Dandara ist schwer. Stellenweise wirklich schwer. Je weiter ihr im Spiel kommt, desto verflucht schwerer wird es. Wenn ihr nicht so viele Upgrades wie möglich freischaltet, bevorzugt Lebensenergie und Heilung, stehen euch wirkliche Frustmomente bevor.

Eine sehr wahre Aussage

Eure Währung in diesem Spiel sind Fragmente. Diese werden von Gegnern fallen gelassen und können in Kisten und zerstörbaren Gegenständen gefunden werden. Auch kommt ihr hin und wieder an Leichen vorbei – wabernde Lichtgestalten, die neben einer gehörigen Portion Fragmente auch noch eine Information über ihren Tod hinterlassen. Genauso seht ihr aus, wenn ihr sterbt. Wie in schwierigen Spielen heutzutage üblich, bleiben eure Fragmente bei eurem Tod bei eurer Leiche. Schafft ihr es nicht, sie zurückzuholen, sind sie für immer verloren. Ihr speichert an spärlich verteilten Lagern und Fahnen. Die Fahnen sind buchstäblich nur ein Speicherpunkt, an dem ihr wiederbelebt werden könnt, während ihr an Lagern eure Fragmente gegen Upgrades eintauschen könnt.

Später werden die Upgrades ziemlich teuer

Ich rate euch hiermit: Lasst die Energie für spezielle Angriffe größtenteils links liegen. Jedes Upgrade kostet mehr als das vorherige und ihr wollt definitiv so viel Lebensenergie wie möglich haben – und diese so effizient wie möglich heilen.

Unterwegs findet ihr immer wieder mal Kisten, die einen zusätzlichen Heiltrank oder Energietrank enthalten. Fortan habt ihr dauerhaft +1. Jeder Trank heilt so viele Herzen, wie ihr damit aufgewertet habt – auf dem obigen Bild also nur 2.

Solltet ihr vor Frust in euren Controller beißen, bietet euch das Spiel im Pause-Menü an, zusätzliche Flaggen zu platzieren, an denen ihr wiederbelebt werden könnt, oder sogar zu cheaten. In diesem Fall wird euer Spielstand jedoch mit einem Symbol dahinter gebrandmarkt.

Die Map

Die Map ist sehr übersichtlich und an vielen Stellen miteinander verbunden. Ihr bewegt euch von Raum zu Raum, jeweils mit wenigen Sekunden Ladezeit dazwischen, was überhaupt nicht störend wirkt, und müsst in manchen Gebieten Plattform-Passagen absolvieren oder Schalter aktivieren, um Türen zu öffnen. Auch hier schenkt euch das Spiel nichts. Die Zeitfenster für manche Schalter sind teilweise sehr knapp bemessen.

So muss eine Metroidvania-Map aussehen

Jedes Gebiet hat ein anderes Thema. Mal seid ihr in einem Cyberpunk-Dorf unterwegs, dann in einem Waldstück, ein anderes Mal in Ruinen und plötzlich in einer Hightech-Festung. Diese Gebiete sehen komplett unterschiedlich und überaus ansprechend aus. Generell beweist das brasilianische Studio Long Hat House ein Geschick für den Umgang mit 8-Bit-Grafik.

In jedem Gebiet gibt es eine bestimmte Fähigkeit zu erlernen, mit der ihr weitere Räume erkunden könnt, sowohl im aktuellen Gebiet, als auch an verschiedenen anderen Stellen des Spiels, wo es vorher kein Vorbeikommen gab. Auch das ist ein Genrestandard, der hervorragend umgesetzt wurde. Ich fühlte mich zu jeder Zeit motiviert, regelmäßig zum anderen Ende der Map zu hüpfen, um dort noch an eine Kiste oder einen Raum zu gelangen, der mir vorher versperrt war. Das Gefühl des Entdeckens ist der Hauptgrund, weshalb ich Metroidvania so mag – und hierbei erhält das Spiel die volle Punkzahl von mir.

Das Kampfsystem

In Dandara werdet ihr, ganz dem Genre üblich, in so gut wie jedem Raum auf Gegner treffen. Anfangs ist das Spiel euch noch milde gestimmt und hält sich mit Gegneranzahl und Angriffsmustern etwas zurück. Lasst euch davon nicht täuschen, ab der Mitte des Spiels werdet ihr zweimal überlegen, ob ihr einen Bildschirm durchqueren oder lieber einen fünfminütigen Umweg in Kauf nehmt, um zum selben Ziel zu gelangen. Zum Glück gibt es noch etwas später die Möglichkeit, zwischen den einzelnen Lagerfeuern zu teleportieren.

Ich habe euch mal einen klitzekleinen Miniboss aufgenommen:

Anfangs Miniboss, später Standardgegner

Wie ihr seht ist das Kampfsystem darauf ausgelegt, wie eine nervige Fliege solange um den Gegner herumzuschwirren und ihn mit euren kleinen Kügelchen zu beschießen, bis er kaputt geht. Bei diesem einen Gegner war das ja überhaupt kein Problem. Später trefft ihr auf normale Räume, die schwierigere Gegner beinhalten als diese rollende Kanone.

Das Problem ist, dass die Steuerung fürs Schießen nicht besonders gut ist. Ihr müsst mit dem Stick in die Richtung zielen, während ihr X gedrückt haltet, um den Schuss aufzuladen. Die audiovisuelle Ankündigung, wann euer Schuss fertig aufgeladen ist, geht komplett unter, sodass man nie so genau sicher ist, wie lange der Schuss aufgeladen werden muss. Man kann schon relativ schnell schießen, wenn man das Timing einmal verinnerlicht hat, aber schnell schießen, während man gleichzeitig noch zielen und ausweichen muss, ist viel schwieriger, als es sich anhört. Spätere Miniboss-Räume sind teilweise so vollgepackt mit Gegnern, die gleichzeitig mehrere Projektile schießen, auf euch zurasen oder einfach im Weg sind, während auch noch Stacheln aus dem Boden schießen oder wabernde Energiekugeln im Level herumfliegen, die nicht von Gegnern stammen.

Da man gleichzeitig mit dem Stick zielen und ausweichen muss, kommt man mit beidem gerne mal durcheinander. Wird man getroffen, schwebt man in der Luft. Man kann zwar auch aus der Luft heraus schießen, aber die erste Idee sollte grundsätzlich sein, sich aus der Schusslinie zu bringen. Das geht aber manchmal nicht schnell genug, weil zu viele Projektile oder gleichzeitig auf den Spieler einstürzen. Einmal verwirrt, wird man teilweise drei oder viermal hintereinander getroffen, weil man erst die Orientierung zurückgewinnen muss, wo man jetzt in Sicherheit gelangen kann.

Diese wabernden grünen Dinger fliegen ziemlich unvorhersehbar

Unnütze Fähigkeiten

Leider gibt es in diesem Spiel nur wenige nützliche Fähigkeiten. Ihr findet in jedem Gebiet irgendwo eine Statue, die euch einen neuen Energieschuss gibt. Dies ist ein Extra-Schuss, für den ihr Energie ausgebt, während eure normalen Schüsse kostenlos sind. Den Schuss aktiviert ihr umständlich, indem ihr den normalen Schuss aufladet und dann ZR zum Schießen drückt.

Im Küstendorf erhaltet ihr die sogenannten Johnny-B-Raketen. Mit diesem Schuss könnt ihr graue Wände zersprengen. Das ist praktisch, um voranzukommen und den Weg zum ersten Boss freizulegen. Interessanterweise wird euch an der Stelle gezeigt, dass ihr die Energie an bestimmten Säulen wieder aufladen könnt – im Spiel findet ihr aber keine Säulen dieser Art. Vielleicht bin ich zufällig mal auf so eine Säule gestoßen, aber bewusst habe ich keine einzige wahrgenommen. Ihr müsst euch voll und ganz auf eure Tränke verlassen.

Diese Schüsse könnt ihr übrigens spammen, was der einzige Vorteil davon ist. Aber wie oben erwähnt, lohnen sich nur wenige davon überhaupt. Die Johnny-B-Raketen sind so ziemlich die einzigen vernünftigen Schüsse, um schnell mal auszuteilen, aber ein aufgeladener Standardschuss zieht den Gegnern mehr ab, was das auch irgendwie hinfällig macht. Es gibt abprallende Projektile, die eigentlich nur nützlich sind, wenn man einen Stapel Kisten sprengen oder einen Gang mit Dornen freilegen möchte. Es gibt eine Energiekugel, die an Ort und Stelle schweben bleibt. Bei statischen Gegnern super, aber das sind die wenigsten und die sind meist längst tot, bevor man auf die Idee kommt, den Schuss rauszuholen. Es gibt einen Energiestrahl, der von der Stelle ausgeht, an der das Projektil aufschlägt und bis zur nächsten Wand reicht. Sieht super aus, verbaut einem aber häufig den Weg, denn man nimmt selbst Schaden, wenn man den Strahl berührt.

Die zwei nützlichsten Fähigkeiten neben den Raketen sind Stacheln, die aus dem Boden sprießen und sich ein Stück das Mauerwerk entlang, wobei alle Gegner, die damit in Berührung kommen das Zeitliche segnen, sowie ein Schuss, den man zum Vorankommen an bestimmten Stellen des Spiels sogar benötigt. Die Kugel teleportiert den Spieler an die nächste haltbare Fläche, die sie berüht. Damit kann man sich auch mal durch den ganzen Raum teleportieren oder um Ecken schießen, um an Stellen zu kommen, die vorher unerreichbar waren.

Fazit

Diesen Bildschirm werdet ihr häufig zu sehen bekommen

Pros:

  • Große, verwinkelte Welt, die wunderbar zum Erkunden einlädt
  • Einmalige Bewegungsform, die sich schön flüssig und geschickt anfühlt
  • Toller Soundtrack
  • Eine wirklich angenehme Atmosphäre

Cons:

  • Kämpfe und Plattforming-Passagen sorgen manchmal für Frust
  • Manchmal verliert man die Orientierung
  • Story völlig vernachlässigbar
  • Einige unnütze Fähigkeiten

Dandara ist an sich ein tolles Spiel, dass leider in Puncto Balancing und Fairness etwas schwächelt. Manche Gegenden sind so verteufelt schwer, dass man zwischendurch Pause machen muss, um sich wieder abzukühlen, während man sich in anderen Passagen herrlich übermächtig fühlt. Lasst euch von meiner obigen Kritik nicht in die Irre führen, das Spiel sollte auf der Liste jedes Genre-Fans stehen. Bringt halt nur eine gehörige Portion Geduld und ein ruhiges Händchen mit. Euch erwartet dafür ein packendes Metroidvania, bei dem ihr locker 20 Stunden zu tun habt, bevor ihr das Ende zum ersten Mal seht – welches man aber auch in unter 1:17 h schaffen kann, um das Achievement „Beat the Devs“ freizuschalten.

Wer es lieber etwas entspannter mag, kann ja jetzt auf den aktuellen Blockbuster aufspringen und sich unseren Test zu Animal Crossing: New Horizons durchlesen.

Das Testmuster wurde uns von Raw Fury zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

Über Roger Hogh 750 Artikel
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.

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