Singleplayer damals und heute

Ich spiele am liebsten Singleplayer-Spiele. Damit gehöre ich vermutlich einer aussterbenden Art von Gamern an. Rund um mich herum höre ich meine Freunde von Overwatch, Dead by Daylight, Rocket League, WoW und vielen weiteren Multiplayer-Titeln schwärmen. Ganz aufgeregt unterhält man sich über die nächsten Raids, Clan-Chats, Trainings oder tolle Matches, die man gesehen hat. Sobald ich dann anfange von Hollow Knight, Fire Emblem: Three Houses oder The Legend of Zelda: Breath of the Wild zu schwärmen, werde ich belächelt. Was ist geschehen? Wo sind die guten alten Zeiten hin, als solche Spiele noch der letzte Schrei waren? Warum braucht jedes klitzekleine Indie-Spiel heute online-Multiplayer?

Die gute alte Zeit

Beim Versuch zu rekonstruieren, wann ich offenbar verpasst habe auf den Online-Gaming-Zug aufzuspringen und seitdem zu Fuß durch die Gaming-Landschaft spaziere, denke ich immer wieder an die gute alte Zeit zurück. Damals, als ich noch ganze Nächste mit Final Fantasy VIII oder den Prince of Persia-Teilen für den Gamecube verbracht habe. Wie ich diverse Legend of Zelda-Teile mehrmals durchgespielt habe und JRPGs noch zu meinen liebsten Spielen zählten, weil sie so schön lange dauerten. Es gab nur mich und mein Spiel – und hin und wieder meine Eltern, die mich zum Essen aus der Höhle lockten. Internet war zwar nicht mehr ganz Neuland, aber eine ordentliche Leitung kostete viel Geld und vernünftige Hardware hatte ich eh nur selten. Ich hatte also nie das Gefühl, dass mir was fehlen würde.

Doch je mehr ich meine Erinnerungen durchforste, desto mehr fällt mir eine Sache auf. Oft hatte ich ein oder zwei enge Freunde, mit denen ich gemeinsam Singleplayer-Spiele spielte. Entweder wechselte man sich einfach nach jedem Tod ab, was bei Spielen wie Super Mario Bros. wunderbar funktionierte, oder man ließ einfach einen Spieler für eine Weile zocken, bis dieser irgendwo nicht weiterkam, wie z.B. bei Metal Gear Solid. Wenn ich ganz ehrlich mit mir bin, gefielen mir diese Zeiten mindestens genauso gut, wie alleine in meinem dunklen Zimmer die Nacht durchzuzocken.

Leider hörten diese Zeiten irgendwann auf…

Das Online-Zeitalter

Ich glaube, so um 2000 herum sprachen plötzlich alle nur noch von Counter Strike. Ich war verwundert. Ein Spiel ohne eigentliche Story, einfach ein Wettkampf, wer schneller und besser das andere Team ausschalten konnte? Da ich relativ konservative Eltern hatte, durfte ich diese gefährlichen Ego-Shooter natürlich anfangs nicht besitzen. Dies war auch mit Sicherheit der Zeitpunkt, an dem ich den Anschluss verloren hatte. Freunde trafen sich zu LAN-Partys oder abwechselnd bei dem einen oder anderen Kumpel und zockten Counter Strike. Anfangs wurde ich noch eingeladen, doch als ich weder die gleiche Begeisterung für stupides abknallen, noch den nötigen Skill dafür vorweisen konnte, wurden mir solche Treffen nicht mehr mitgeteilt. Ich war wieder alleine mit meinen Singleplayer-Spielen.

Eine Ausnahme gab es allerdings – Star Wars: Jedi Knight II. Das war zur Zeit der Internet-Cafés, wo man sich für 2 € die Stunde an vernünftige PCs setzen und gegeneinander zocken konnte. Eine Zeit lang stürmten wir nach der Schule in diese Läden und schubsten uns gegenseitig von der Map oder traten in epischen Lichtschwertkämpfen gegeneinander an. Darin war ich verdammt gut – wobei hier natürlich wieder zugute kam, dass ich das Spiel auch zu Hause besaß.

Zeitgleich fiel mir auch in den diversen Gaming-Zeitschriften wie der Bravo Screenfun und der PCAction (das einzige vernünftige Magazin, leider viel zu früh von uns gegangen) auf, dass immer mehr über neueste Online-Shooter etc. geschrieben wurde.

Die Singleplayer-Renaissance

Doch so schnell sollte das Zeitalter der Singleplayer nicht vorbei sein. Ich fand neue Freunde und mit ihnen kam ich wieder in den Genuss vernünftiger Spiele. Man zockte Devil May Cry, God of War, The Legend of Zelda und Resident Evil. Alleine oder gemeinsam, wir hatten eine Menge Spaß. Hin und wieder spielte man natürlich auch mal Multiplayer-Spiele wie Call of Duty 1 und 2 – jahaa, die gaaaaanz alten Teile – und vor allem Diablo 2. Ich wurde wieder zu LAN-Partys eingeladen oder schleppte meinen Gamecube zu Kumpels, um ein Spiel aus der Videothek auszuleihen, die Nacht durchzuzocken, und am nächsten morgen wieder zurückzugeben.

Eine Gedanke wollte mir aber partout nicht aus dem Kopf gehen…

Spielt man überhaupt alleine?

Egal, ob ich Singleplayer-Spiele alleine gezockt habe, oder mit Kumpels gemeinsam vorangekommen bin, eine Sache dämmerte mir langsam: Man spielt nie nur für sich selbst.

Wenn ich etwas geschafft hatte, wollte ich anderen davon erzählen. Ich hörte gerne zu, wenn meine Freunde einen harten Boss geknackt hatten oder ein bockschweres Achievement freigeschaltet hatten. Genauso hörten sie mir zu, wie man am schnellsten bei Final Fantasy VIII leveln konnte oder dass ich die Prince of Persia-Teile für den Gamecube inzwischen so gut beherrschte, dass ich sie auf Hard ohne zu sterben durchspielen konnte.

Ich glaube fest, dass der Mensch niemals gern alleine ist, egal wie sehr manche Exemplare versuchen, abstoßend zu sein. Erinnert euch kurz an die Anfangszeiten der Online-Spiele zurück. Ich habe selten so eine toxische Stimmung wie in diesen Internet-Cafés erlebt oder im Spielchat bei Counter Strike und Battlefield. Die Leute geben sich wirklich Mühe, so widerwärtig wie nur irgend möglich rüberzukommen. Trotzdem verabredet man sich wie selbstverständlich für den nächsten Tag. Man ist sogar enttäuscht, wenn der Lieblingstroll den Server gewechselt hat.

Die Community

Ich fühle mich in meiner Theorie bestätigt, wenn ich sehe, wie sich Gaming über die Jahre entwickelt hat. Es ist nicht mehr nur ein Hobby für antisoziale, pickelige Computer-Nerds in verrauchten Kellern, sondern ist in allen Gesellschaftsschichten angekommen. Das Internet hat hierbei gewaltig dazu beigetragen. Statt auf der Straße herumlaufen zu müssen und wildfremde Menschen anzusprechen, ob sie einem nicht beim Spielen zuschauen wollen, kann man heutzutage mit wenig Equipment einen Live-Stream veranstalten, bei dem so viele Leute zuschauen können, wie die Server aushalten.

Es entstehen Freundschaften und große Communitys für so ziemlich jedes Spiel. Ob Singleplayer oder nicht spielt hier plötzlich ebenfalls keine Rolle mehr. Es gibt – entgegen der Aussage von EA, die Singleplayer für ausgestorben halten – auch heute noch hervorragende Titel, die man alleine spielen kann. Doch um jedes dieser Spiele bildet sich online eine Gruppe. Gebt irgendeinen Singleplayer-Titel bei Google ein und ihr werdet auf eine Fan-Gruppe oder eine Speedrun-Community dazu stoßen. Menschen wollen sich immer austauschen.

Ein Wort zum Abschluss

Warum glaubt ihr, existiert diese Seite? Weil wir den Mitgliedern der Nintendo Switch Gruppe Germany Spiele empfehlen wollten, die uns gut gefallen haben. Das eskalierte relativ schnell, sodass wir nun neben Tests auch News und verschiedene andere Formate wie diese Montagsmeinung produzieren. Ich zocke nach wie vor gern allein, aber ich möchte euch auch irgendwie daran teilhaben lassen.

Die Tatsache, dass ihr unsere Artikel fleißig lest und in 30000+ Mitglieder starken NSGG kommentiert, unterstreicht meine Theorie.

Ob Singleplayer, Multiplayer, online oder offline, ich bin froh, eine so große, lebendige und tolle Community wie die unsere gefunden zu haben.

Und nun geh ich weiter bei Dark Souls sterben.

Switch on!
Roger

Über Roger Hogh 750 Artikel
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.

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