Realismus in Videospielen

Realismus in Videospielen ist ein Thema, über das man vermutlich Masterarbeiten verfassen, Bücher schreiben und Seminare abhalten könnte. Soweit wollen wir heute allerdings nicht gehen und nur mal etwas an der Oberfläche kratzen.

Der passende Grad an Realismus

Auf das Thema bin ich kürzlich gekommen, als ich mich bei Dark Souls auf der Stelle drehen konnte, ohne mich wirklich vom Fleck zu bewegen. Dafür, dass der Grafikstil durchaus als realistisch durchgehen könnte, wenn man ein paar Abstriche aufgrund des Alters macht, wirkte dieser kleine Umstand, dass man sich augenblicklich in jede Richtung drehen konnte, ohne die Position zu verändern, irgendwie befremdlich. Lediglich ein angehobenes Bein deutete an, dass man sich tatsächlich „bewegt“ hatte.

Dieses Bild zeigt einen Bulk God genannten Build aus Dark Souls. Ein absoluter Tank, vor dem Friedhof stehend.
Ein beeindruckender Hüne!

Realismus ist in vielen Fällen eine Frage des Geschmacks, sowohl was die grafische Präsentation, als auch die Fähigkeiten, Bewegungsabläufe und die Physik betrifft.

Nehmen wir unseren allseits beliebten Pilz-Konsumenten und Prinzessinnen-Retter – Super Mario.

Ein Bild von Super Mario, ©Nintendo Artikel Realismus in Videospielen
It’s-a me!

Im Gegensatz zum untoten Helden aus Dark Souls wird vom italienischen Schnurrbartträger niemals erwartet, mehr als stilistisch einen Menschen nachzuahmen. Alles im Pilz-Königreich deutet eine gewisse Nähe zu real existierenden Dingen an, nur halt in bunt, kitschig und knuddelig.

Stellt euch spaßeshalber mal Mario in Dark Souls-Optik vor und umgekehrt. Wie viel vom Flair des Spiels dabei verloren ginge. Selbst bei einem weniger drastischen Vergleich, beispielsweise ein Mario mit realistischen Körperproportionen, sähe gruselig aus, wie Zuschauer der Super Mario Brothers Super Show und Karneval-Gänger nur zu genüge wissen dürften. Die meisten Menschen im Mario-Kostüm sehen einfach befremdlich aus.

Dass es auch anders sein kann, beweist The Legend of Zelda. Das Franchise hat so viele verschiedene Grafik-Stile verwendet. Ocarina of Time versuchte sich seinerzeit im Rahmen der technischen Möglichkeiten an Realismus zu halten. Windwaker setzte auf einen comichaften Chibi-Stil, der anfangs mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde, inzwischen jedoch gut akzeptiert wird. Twilight Princess ist grafisch wohl der realistischste Legend of Zelda-Titel. Breath of the Wild hat einen interessanten Mix aus comichaftem Cel-Shading und Realismus erreicht, den ich persönlich als äußerst ansprechend empfinde.

Grafik ist nicht alles

Wie eingangs erwähnt besteht Realismus nicht nur aus einer besonders realistischen Grafik. Die Geschichte, die Charakterentwicklung, die Physik, die Fähigkeiten der Charaktere – es fließen eine Menge Faktoren zusammen, die uns das Gefühl vermitteln sollen, etwas als „real“ anzusehen.

Wenn man das Thema mal ganz nüchtern betrachtet, wäre ein hübscher Schach-Simulator eines der realsten Spiele, die es geben könnte. Die heutige Grafik kann durchaus fotorealistische Texturen produzieren, sodass ein Schachspiel wirklich echt aussehen kann. Dazu noch ein paar vernünftige Hände animiert, welche die Figuren bewegen, zack, fertig! Das wäre Realismus, der pur auf Grafik und einer möglichst logisch agierenden KI basiert. Und viele Leute stimmen darin überein, dass das mega langweilig wäre. Ich ziehe ein Battle Chess dem realistischsten Schachsimulator in jedem Falle vor.

Ich habe mit diesem Spiel Schach spielen gelernt!

Wie viel Realismus ist nötig?

Ganz grundlegend hängt Realismus davon ab, was man mit dem Spiel ausdrücken möchte. Soll es eine düstere Vision der Zukunft sein, wie bei The Last of Us, paart man möglichst realistische Grafik, idealerweise noch mit real existierenden Orten, die detailgetreu übernommen wurden, mit einem Menschen mutierenden Killervirus, was heutzutage auch nicht mehr so abwegig scheint. Die Charakterentwicklung sollte möglichst nachvollziehbar menschlich sein, die Protagonisten sind verletzlich, sollten nach Möglichkeit weder Feuer spucken, noch Kugeln mit den Händen aufhalten können, sondern sich wie echte Menschen verhalten.

Soll das Spiel eine klassische Abenteuergeschichte erzählen, hat man bei den Fähigkeiten schon mehr Freiraum. Als Beispiel wäre hier die Uncharted-Reihe zu nennen, in denen die Protagonisten eindeutig eher klischeehaft und stilisiert dargestellt werden, statt emotional überfordert und verletzlich. Sie schütteln Treffer mit einem lockeren Spruch ab, können stundenlang springen, klettern und Explosionen in unmittelbarer Nähe standhalten und nebenbei auch übernatürliche Wesen und Flüche bekämpfen. Das alles geschieht nach wie vor in einem möglichst realistischen Setting. Auch die Bewegungen sind im Grunde natürlich, nur können diese Helden einfach mehr, als Otto Normal es so könnte.

Je weiter man sich in Fantasy-Gefilde begibt, desto unrealer kann der Grafikstil sein. Das heißt nicht, dass die Story oder die Charakterentwicklung deshalb zu kurz käme. The Legend of Zelda weiß in jedem Grafikstil eine ansprechende, tiefe und oftmals auch düstere Geschichte zu erzählen.

Auch bei Shootern gibt es jene, die auf Realismus setzen – wie Call of Duty und das kürzlich für die Switch erschienene WarFace – und solche, die es mit der Realität nicht so genau nehmen, wie Unreal Tournament, Quake und die beliebten Hero-Shooter Paladins und Overwatch.

Meine Meinung

Ich persönlich stehe weniger auf detailgetreue, realistische Grafik. Das ist für mich niemals ein ausschlaggebendes Kriterium gewesen. Ich habe mit Spielen wie Hollow Knight, Link’s Awakening und Super Mario Odyssey mindestens genauso viel Spaß wie andere Leute mit CoD Modern Warfare, The Witcher 3 und Kingdom Come: Deliverance – welches übrigens ein Paradebeispiel dafür ist, wie realistisch ein Spiel auch mit der Physik werden kann.

Hollow Knight hat eine Bewegungsphysik, die sich realistisch anfühlt – und das ist fast genauso viel Wert. Die ganze Welt fühlt sich lebendig an, als wäre eine komplett eigene Realität erschaffen worden, in der komplett eigene physischen Gesetze herrschen. Und das ist, was ein gutes Spiel für mich ausmacht. Es bedient sich vielleicht einiger Elemente der tatsächlichen Realität, in der wir alle leben, und erschafft dann eine komplett eigene Realität, in die man eintauchen und sich austoben kann. Wer von uns würde nicht gerne fliegen oder einen zweiten Sprung in der Luft machen können? Selbst stundenlanges Joggen, was für Spielfiguren zum absoluten Standard gehört, wäre im realen Leben schon hilfreich.

Wie seht ihr das? Welcher Faktor ist für euch entscheidend, um ein Spiel als „real“ anzusehen? Wie real muss ein Spiel für euch sein? Und welche Fähigkeit hättet ihr gerne im realen Leben?

Über Roger Hogh 750 Artikel
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.

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