Die „Haltbarkeit“ von Spielen

(Vorneweg möchte ich mich entschuldigen – nein, dieser Artikel hat nichts mit Metroid zu tun. Mal davon abgesehen, dass Metroid ebenfalls eine Reihe mit legendärer Haltbarkeit ist, die erfolgreiche Sequels hervorgebracht hat und somit ein passendes Titelbild hergab.)

In einem kürzlich erschienenen Interview mit Masahiro Sakurai über die Möglichkeit eines Sequels zu Kirby Air Ride, machte er eine interessante Aussage über die Haltbarkeit von Spielen. Es waren eigentlich nur zwei Sätze, aber die ließen mich nachdenken, denn sie sagten eine ganze Menge mehr aus, als man auf den ersten Blick erkennen mochte.

Was ist die Haltbarkeit von Spielen?

Im ersten Satz sprach er davon, dass man sich mit der Verfallszeit von Spielen auskennen müsse, um zu wissen, wann man ein Sequel veröffentliche. Das Wort, welches er verwendete, war „maturities“ was mit Verfallszeit, Laufzeit oder Haltbarkeit übersetzt werden kann. Haltbarkeit passt meines Erachtens am besten.

Der Anfang: Die Entwicklung

Was ist die Laufzeit oder Haltbarkeit von Spielen? Grob zusammengefasst ist das der Zeitraum, in dem das Spiel relevant, aktuell und im Gespräch ist. Dieser Zeitraum beginnt meist bevor das eigentliche Spiel erscheint und endet idealerweise lange, nachdem das letzte Update dafür erschienen ist, je nachdem, wann die Playerbase sich größtenteils davon abwendet und buchstäblich niemand mehr darüber spricht.

Die Haltbarkeit eines Spiels beginnt eigentlich, sobald das Konzept des Spiels feststeht. Für die Öffentlichkeit beginnt sie mit der ersten Erwähnung in den News. Jetzt wissen Spieler, dass das Spiel existieren wird – und sie beginnen, darüber zu reden und im Idealfall gehypt zu sein.

Die Mitte: Veröffentlichung

Als nächstes wird das Spiel veröffentlicht. Die Spielerschaft kauft es und das Spiel wird mit regelmäßigen Patches und Updates aktuell gehalten. In Online-Multiplayern wird versucht, die Spieler zu fesseln und so entsteht eine stabile Anzahl Spieler, die sogenannte Playerbase. Wenn diese groß genug ist, wird auch weiterhin genug Content kreiert, bis sie irgendwann zu stark zu anderen Spielen abwandert. Bei Story-lastigen Spielen mit Einzelspieler-Fokus sorgen ein paar DLCs dafür, die Spieler erneut zum Spielen zu bringen.

In beiden Fällen wird weiterhin aktiv über die Spiele gesprochen. Die Foren und Social-Media-Kanäle sind voll von Meinungen, Tipps, Lob und Kritik darüber. In News wird vom neuesten DLC oder Update berichtet.

Irgendwann lässt das nach. Der letzte DLC schließt die Story ab, oder verkaufte sich einfach nicht mehr so gut, die Online-Playerbase schrumpft rapide, weil es neuere, bessere Spiele gibt. Das Spiel verschwindet aus der „allgemeinen“ Öffentlichkeit und bleibt einem entweder als positive Erfahrung im Gedächtnis oder man gehört zur überschaubaren Playerbase, die einer handvoll eigener Foren oder Discord-Channel angehört und dem Spiel treu bleibt.

Das Ende: Der hinterlassene Eindruck

Es beginnt, Gras drüber zu wachsen. Dies ist der interessante Teil, der davon abhängt, wie gut das Spiel insgesamt aufgefasst wurde, ob es einen Eindruck hinterlassen hat und wie sich die Gaming-Szene entwickelt hat. Ein wirklich gutes Spiel erhält hier von der Spielerschaft den Klassiker-Status. Es verschwindet nie vollständig aus dem Blick. Es ist vielleicht sogar ein Genre nach ihm benannt worden oder aus anderen Gründen einfach unglaublich bekannt. Tetris, Super Mario Bros. und Diablo fallen in diese Kategorie. Sie, oder das, was durch sie entstanden ist, sind unsterblich.

Es ist nicht unbedingt so, dass die Spiele hervorragend altern. Das erste Diablo ist beinahe unspielbar nach heutigen Standards. Es ist die Erinnerung an das Spiel, die entscheidend ist. Ein Spiel, über das auch nach Jahren noch überall positiv gesprochen wird, oder auf das sich ständig bezogen wird, hat wenig bis keine Schwierigkeiten, ein Sequel herauszubringen.

Man schaue sich die ganzen Tetris-Klone an. Das Spielprinzip ist das gleiche und beinahe jeder Klon hat sogar die Melodie übernommen – zack, leicht verdientes Geld! Auf Diablo III warteten die Fans 12 Jahre – und sorgten mit einem gewaltigen Ansturm dafür, dass in den ersten Tagen sämtliche Server zusammenbrachen.

Haltbarkeit Artikel – ein Bild von Diablo 3s Error 37
Hach ja, die Anfangstage von Diablo 3

Wie passen Sequels in diesen Haltbarkeits-Zyklus?

Grundsätzlich kann man in jedem dieser Abschnitte ein Sequel ankündigen und veröffentlichen, wenn man weiß, was man tut. Hier muss man eventuell auch noch zwischen richtigem Sequel und Spin-Off oder sehr großem DLC unterscheiden. Natürlich gibt es Content-Updates, die als eigenständiges Spiel durchgehen, wie bei Shovel Knight, aber letztlich spielt man dort einen anderen Charakter, weshalb es ein Spin-Off ist. Ein richtiges Sequel wäre in diesem Fall ein Shovel Knight 2, in welchem ihr besagten Schaufelritter auf ein neues Abenteuer begleitet.

Weder Pocket Dungeon, noch Shovel Knight DIG sind Sequels, sondern Spin-Offs

Am Anfang

Im Anfangs-Zyklus ist es etwas schwieriger, ein Sequel anzukündigen. Viele Entwickler haben sicherlich schon große Ideen für eine ganze Reihe von Spielen mit ihrer neuen IP im Kopf. Es ist jedoch nicht immer ratsam, diese sofort der breiten Öffentlichkeit mitzuteilen. Die Spielerschaft ist inzwischen äußerst vorsichtig mit Erfolgsprognosen und frühzeitigen Sequel-Ankündigungen geworden. Wenn das Spiel noch nicht einmal veröffentlicht und die ersten positiven Reaktionen im Kasten sind, kann es leicht schief gehen. Das sieht man auch häufig im Filmgeschäft – ich denke hierbei an das unglaublich gefloppte „Dark Universe“ von Universal, in welchem sie zwanghaft und lauthals versuchten, legendäre Kreaturen der Kunstgeschichte in eine zusammenhängende Erzählwelt zu quetschen, ohne auch nur den Erfolg des ersten Films abzuwarten. Dieser blieb aus, keinen interessierte dieses aufgezwungene Universum.

Eine zweischneidige Angelegenheit ist auch, dem fertigen Spiel ein offenes Ende einzubauen und damit auf ein Sequel hinzudeuten. Was, wenn die Verkaufszahlen mies waren und das Sequel nie entwickelt wird?

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass man zwar ein Sequel im Hinterkopf haben kann, jedoch erst die Resonanz in der Gaming-Welt abwarten sollte.

In der Mitte

Hier werden vermutlich die meisten Sequels angekündigt. Das Spiel ist im Handel und verkauft sich gut. Es wird viel darüber gesprochen und die Leute äußern, dass sie sich einen Nachfolger wünschen. Dark Souls fällt in diese Kategorie. Auch die meisten online-Shooter wie Call of Duty gehören hier hinein. Die Leute sind noch fleißig am Spielen, es werden sogar noch Content-Updates für das aktuelle Spiel herausgegeben, aber so sicher wie morgens die Sonne aufgeht, ist das nächste Spiel bereits am Horizont zu sehen.

Diese Spiele-Reihen haben sich so stark etabliert, dass sie einfach bis ans Ende aller Tage jährlich einen neuen Teil herausbringen können. Hierunter fallen ebenfalls die ganzen Sport-Spiele wie Fifa und NBA2k – Spiele nach denen „scheinbar“ keiner fragt, die aber dennoch pünktlich zum nächsten Jahr den neuesten Ableger haben und sich verkaufen wie geschnitten Brot, obwohl lediglich ein paar Änderungen am Spiel-Kader vorgenommen wurden. Aber das ist eine andere Geschichte…

Am Ende

Das Ende ist ein sehr vage zusammengefasster Zeitraum, denn es kann künstlich hinausgezögert werden. Das Zauberwort hierbei heißt: Remaster.

Einem Defibrillator gleich, den man dem Patienten an die Brust setzt, um das Herz wieder zum Schlagen zu bringen, startet man einfach den Zyklus des gleichen Spiels von Neuem und lässt das Spielerherz wieder höher schlagen. Das Remaster wird angekündigt, Leute freuen sich darauf, ihr damals geliebtes Spiel auf der neuen Konsole zocken zu können, es wird veröffentlicht und verkauft sich ordentlich. Das Franchise ist wieder in aller Munde. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, ein Sequel anzukündigen, sollte man es beim ersten Release verpasst haben. The Elder Scrolls V: Skyrim ist ein Beispiel hierfür. Diablo 3 ebenso. Man kann es auf jeder Konsole spielen – und nach dem Switch-Release wurde der Nachfolger angekündigt. Das gleiche mit Overwatch. Zeitgleich mit der Switch-Ankündigung, kam die Ankündigung für den zweiten Teil. Plötzlich sprach wieder alle Welt über Overwatch und die Spielerzahlen stiegen erneut an. Marketing kann also totgeweihte wieder neues Leben einhauchen.

Haltbarkeit Artikel – Overwatch auf der Switch
So schnell kann man ein Spiel wieder reanimieren

Man kann natürlich auch ohne Neuauflage ein Interesse an einem Nachfolger kreieren. Die Super Mario-Spiele sind meist nur auf der jeweils aktuellen Konsole verfügbar, dennoch freuen sich alle über den nächsten Teil. The Last of Us kann man ebenfalls dazu zählen. 2014 kam zwar eine Remastered Version heraus, aber es dauerte weitere zwei Jahre bis zur Ankündigung eines Sequels. Es befand sich also bereits erneut am Ende des Zyklus.

Spiele können auch völlig von der Bildfläche verschwinden und plötzlich ein Sequel erhalten. Ihre Haltbarkeit basiert auf der positiven Erfahrung der Spieler und wie geschickt sich die Entwickler mit dem Sequel anstellen. Dies ist jedoch eine Gratwanderung.

Haltbarkeit und Trends

Die Erinnerungen der Spieler stimmen leider oftmals nicht mit dem tatsächlichen Spielerlebnis überein. Denkt einfach daran, wie ihr euch als Kind The Legend of Zelda: Ocarina of Time vorgestellt habt beim Zocken. Diese unglaublich realistische Grafik, diese Immersion – und schaut euch das Spiel jetzt mal an. Das Gameplay mag gut gealtert sein, die Grafik ist es nicht. Das ist das entscheidende daran: Wie viel Spaß hat das Spiel gemacht und wie gut passt das Gameplay auch in die heutige Zeit?

Es gibt Spiele, die einfach den Trends der damaligen Zeit folgten und heutzutage kaum noch Leute vom Hocker reißen. Duke Nukem 3D war Mitte der neunziger Jahre eine hervorragende Hommage an 80er-Jahre Helden – Maskulin, dreckig, mit mächtigen Wummen und lockeren Sprüchen. Ein Sequel dazu hätte innerhalb weniger Jahre herauskommen müssen, um erfolgreich gewesen zu sein. 2011 war definitiv zu spät. Selbst hartgesottene Fans dieser Klischees konnten Duke Nukem Forever zu diesem Zeitpunkt nichts mehr abgewinnen. Man war weit bessere Storys gewohnt und der derbe, sexistische Humor passte längst nicht mehr in diese Zeit.

Wenigstens einer hatte hier Spaß…

Das gleiche Schicksal ereilte unlängst Contra: Rogue Corps. Mal davon abgesehen, dass es einfach ein schlechtes Spiel war, haben die Entwickler selbst scheinbar alles vergessen, was den Klassiker ausgemacht hat und eigentlich Leichenschändung betrieben, indem sie Contra als Namen drauf geklatscht haben.

Einem Spiel wie Kirby Air Ride gebe ich z.B. kaum eine Erfolgsaussicht. Als das Spiel herauskam, waren Fun-Racer gerade absolute Renner. Davon haben Mario Kart und Crash Team Racing und Team Sonic Racing überlebt, letzteres auch eher mit gemischter Resonanz. Die Haltbarkeit der Fun-Racer ist abgelaufen. Sie sind einfach ein Produkt ihrer Zeit gewesen und finden heute weniger Beachtung.

Wie man die Nostalgie richtig nutzt

God of War hat es vorgemacht. Die Art Action-Spiel, welche die ursprüngliche Trilogie ausmachte, war veraltet. Kaum ein Hahn krähte noch danach. Die Entwickler erkannten das und entwickelten ein Spiel, welches den heutigen Trends des Genres entsprach – packende Story, hervorragende Erzählweise, wuchtige Action in der richtigen Dosis.

Vater Kratos und sein Sohn „Junge“ auf Familienausflug

Resident Evil ist ein weiterer Kandidat. Nachdem das Franchise sich mit den Teilen 5 und 6 in eine unschöne Ecke manövriert hatte, besann sich Capcom auf das, was die ursprünglichen Spiele ausmachte und was die Fans vermisst hatten. Heraus kam Resident Evil 7, von Kritikern und Spielern gleichermaßen geliebt.

Haltbarkeit Artikel – Bild mit Schriftzug zu Resident Evil 7
Endlich konnte man sich wieder richtig gruseln

Beide Beispiele waren natürlich in der Zwischenzeit im Gespräch geblieben, indem hier und da ein Remaster hervorgebracht wurde – oder zumindest ein aufwandsloser Port, um sich ein wenig Geld in die Taschen zu stopfen wie im Falle von Capcom. Immerhin entstand mit diesem Geld das Resident Evil 2 Remake. Ich halte mich also mit dem Meckern etwas zurück.

Hört (nicht) genau auf die Fans

Je länger man also mit einem Sequel wartet, desto wichtiger ist es, Faktoren wie Zeitgeist, Rezeption des Spiels und Nostalgie mit einzuberechnen. Man muss wissen, was genau den Spielern am vorherigen Ableger so gefallen hat, und ob das heutzutage noch funktioniert, oder ob man dieses Kernelement in ein zeitgemäßeres Spiel einbauen kann. Ein simpler lokaler Multiplayer-Shooter wie TimeSplitters 2 lockt niemandem mehr hinter dem Ofen hervor. Mit einer online Anbindung und ein paar Shooter-Features, die dem heutigen Standard entsprechen, schon eher.

Man muss genau abwägen, ob das, wonach die Fans lauthals fordern, auch wirklich das ist, was sie sich wünschen. Fans forderten lautstark Classic-Server zu WoW – und waren hellauf begeistert. Spieler schrien nach „einem klassischen Warcraft wie früher“ und erhielten Warcraft III Reforged – und hier wird nur gemeckert. Das liegt zum einen daran, dass das Gameplay sich eben nicht verändert hat und heutzutage so nicht mehr als angenehm oder zeitgemäß empfunden wird, zum anderen aber auch daran, dass die Entwickler Mist gebaut haben und nur das schnelle Geld sahen.

Fazit

Das alles – und sicher einiges mehr, als ein Laie wie ich so schnell auffassen könnte – drückte Masahiro Sakurai in zwei Sätzen aus. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass dieser Mann weiß, wann für welches Spiel ein Sequel angebracht ist. Er wird wissen, was den Spielern am Original so gefallen hat und er wird die Essenz des Spiels – das, was dieses Gefühl freudige Gefühl verursacht, wenn man daran zurückdenkt – hervorragend in ein neues und zeitgemäßes Spiel integrieren. Das ist auch, was Nintendo in meinen Augen so von den anderen unterscheidet. Dessen Spiele besitzen eine Haltbarkeit, die ihresgleichen sucht. Es gibt verhältnismäßig wenige Triple-A-Titel von Nintendo für die jeweiligen Konsolen, aber beinahe alle sind Hits. Die neuesten Ableger ihrer jeweiligen Franchises fesseln alte und neue Spieler an den Bildschirm. Die Richtlinie lautet Klasse statt Masse. Das hat man heutzutage viel zu selten.

Wie seht ihr das? Von welchem Sequel wart ihr am meisten enttäuscht und was genau hat euch daran missfallen? Von welchem Spiel wünscht ihr euch einen würdigen Nachfolger? Schreibt es in die Kommentare.

Über Roger Hogh 750 Artikel
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.

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