Der Hype – eine Analyse

Der Hype hat sicherlich von uns allen das eine oder andere Mal Besitz ergriffen.

Damals, als ich das erste Mal den Ankündigungstrailer zu The Elder Scrolls V: Skyrim gesehen hatte, saß ich einfach nur mit offenem Mund und atemlos auf meinem Stuhl und drückte auf „erneut abspielen“, bis ich irgendwann vor Freude zu lachen anfing.

FUS-RO-DAH!

Wenn ich auch nur an den Trailer zu The Legend of Zelda: Breath of the Wild denke, überkommt mich eine unvergleichliche Gänsehaut.

…Open your Eyes…

Ich fing an, wie ein kleines Kind zu quieken, als ich eines Nachts während der Live-Übertragung der Nintendo Direct das flammende Smash Bros.-Logo in den Augen des Inklings erkannte.

Ich meine… WOW!

Der Final Fantasy VIII Remastered-Ankündigungstrailer für die Nintendo Switch brachte mich zum Heulen. In dem Augenblick, als ich „Fithos“ hörte und erkannte, dass sie das Spiel tatsächlich endlich neu aufgelegt hatten, dass meine Gebete erhört und all meine Aussichtslosigkeit vergebens war, brach ich einfach vor Freude weinend zusammen.

Wie ihr seht, können die Reaktionen völlig unterschiedlich ausfallen, aber das Ergebnis ist das gleiche: Hype!

Was bedeutet Hype?

Das Wort „Hype“ hat tatsächlich zwei Bedeutungen.

  1. besonders spektakuläre, mitreißende Werbung, die eine euphorische Begeisterung für ein Produkt bewirkt
  2. aus Gründen der Publicity inszenierte Täuschung

Wenn man sich beide Definitionen anschaut, kommt man leicht zu dem Schluss, dass der Übergang von der einen zur anderen Definition äußerst fließend sein kann.

Eine Person, die einem Hype verfallen ist, ist gehypt. Die Werbung hat etwas bei ihr bewirkt, dass über normale Vorfreude weit hinausgeht. Die erste Definition spricht von Euphorie. Der Begriff ist passend gewählt. Euphorie wird definiert als zeitweilig übersteigert heitere Stimmung. Im medizinischen Bereich geht die Definition üblicherweise mit dem Genuss von Rauschmitteln oder einer psychischen Störung einher – und wenn man sich anschaut, wie irrational sich manche Leute in gehyptem Zustand verhalten, kann man hier durchaus Parallelen ziehen.

Das ist eine gute Veranschaulichung

Rational betrachtet sollte dieses Symbol niemanden dazu bringen, wie ein Verrückter zu schreien. Aber bei einem Hype hat die Vernunft mal Sendepause.

Ist das nun gut oder schlecht?

Der Hype an sich ist weder gut, noch schlecht. Da hypen einfach eine besonders starke Emotion hervorrufen soll, üblicherweise Euphorie bzw. überschwängliche Heiterkeit, ist das erst einmal nichts Schlechtes. Der Zustand sollte ja nicht von Dauer sein. Im Normalfall ist man für ein paar Tage gehypt, was sich durch wiederholtes Anschauen des Trailers oder weiterer Informationen über das Spiel künstlich in die Länge ziehen lässt. Dann ebbt der Hype ab und man fängt an, mit einer etwas gemäßigteren Vorfreude auf den Release hinzufiebern.

Hier kommt das Marketing ins Spiel

Marketing und Werbung als solches hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch weiterentwickelt. Das Verständnis über den Menschen ist heutzutage weiter vorangeschritten. Jede Buchhandlung quillt über mit Büchern über Alltagspsychologie, Umgang mit Menschen, Selbsthilfe etc. Die darin enthaltenen Erkenntnisse gehen natürlich auch nicht an Marketing-Experten vorbei, deren Aufgabe es ist, Menschen zu beeinflussen. Sie sollen Menschen dazu bewegen, ihrem Produkt gegenüber positiv eingestellt zu sein und es zu kaufen. Längerfristig gesehen sollte der potentielle Kunde so begeistert davon sein, dass er es von sich aus weiterempfiehlt. Und genau das wird mit einem Hype versucht.

Schaut euch einen x-beliebigen Trailer für irgendeinen Kinofilm oder ein Videospiel an. Wenn der Trailer bei euch keinerlei Emotion auslöst, seid ihr entweder nicht die korrekte Zielgruppe dafür, unwissentlich tot, oder der Trailer ist schlecht. Die gleichen Faktoren zählen heutzutage für jede Werbung. Als Mann lässt mich z.B. Tampon-Werbung völlig kalt. Ich bin nicht die Zielgruppe. Dennoch scheint es Always ja mit irgendetwas geschafft zu haben, zum absoluten Spitzenreiter im Damenhygieneartikelbereich zu werden. Umgekehrt kam meine Frau kürzlich ins Zimmer während ich mir nochmal den Ankündigungstrailer zu Hollow Knight: Silksong anschaute und wie ein Idiot gluckste und jubelte, schüttelte verständnislos den Kopf und ließ mich lieber allein. Sie ist definitiv nicht die Zielgruppe.

Einen Hype verlängern

Im Marketing ist es wichtig, das positive Image, das Gefühl und die Emotion konstant mit der beworbenen Sache zu verknüpfen. Das beinhaltet viele Faktoren. Bei einem normalen Produkt fängt es schon mit dem Titel an. Ein Auto einfach „Auto“ zu nennen, mag zwar als Erklärung reichen, wofür man das Ding verwendet, aber das sagt an sich nichts aus. Ein Auto nach einem besonders tapferen Kampfstier zu benennen, führt hingegen zu solchen Trailern:

Für Autofans sicher interessant

Mit dem schnittigen Gefährt wird ein Gefühl der Gefahr, des Abenteuers und der Geschwindigkeit vermittelt. Wer so ein Auto kauft, ist cool – und offensichtlich reich oder kreditwürdig genug.

Einmal gehypt, soll der potentielle Käufer bitte möglichst gehypt bleiben. Schauen wir uns hierfür mal Animal Crossing an. Seit der Animal Crossing: New HorizonsDirect im Februar vergeht quasi kein Tag, an dem nicht ein neuer Screenshot, ein Trailer, eine neue News oder irgendetwas anderes über das Spiel präsentiert wird. Das Produkt wird der Zielgruppe konstant vor Augen gehalten – obwohl es noch nicht einmal erschienen ist. Das Verlangen danach wird künstlich so stark in die Höhe geschraubt, dass die Interessenten am Release-Tag einer Horde Infizierter gleich die Läden stürmen, eine Schneise der Verwüstung hinter sich herziehend, und die Verkäufer auffressen, weil diese das Spiel nicht schnell genug rausrücken.

Hier greift das Prinzip der Overexposure mit hinein. Das bedeutet so viel wie „etwas übermäßig ausgesetzt sein“ und ist essentiell für einen guten Hype. Wenn man etwas zu lange ausgesetzt ist, beginnt man oftmals automatisch, eine gewisse Affinität dafür zu empfinden. Jeder von euch hatte bestimmt schon einmal einen Ohrwurm von einem Lied, das er eigentlich überhaupt nicht mag, oder? Trotzdem summt man fleißig mit. Beim Animal Crossing: New Horizons-Beispiel habe sogar ich, der mit der Reihe überhaupt nichts anfangen kann, plötzlich mit dem Gedanken gespielt, ob ich ihm nicht mal eine Chance geben sollte, da es ja ganz süß aussähe. Das ist Overexposure am Werk. Zum Glück kommt es bald heraus. Noch ein paar Wochen Werbe-Sperrfeuer und ich würde mich dem oben genannten Mob vermutlich anschließen.

Der künstliche Hype

Ein künstlicher Hype ist noch einmal etwas anders, als einen Hype künstlich zu verlängern. Hier spielt die zweite Definition des Wortes hinein: die aus Gründen der Publicity inszenierte Täuschung.

Das war wohl nix /©escapistmagazine.com

Diese Werbung für das absolut unterirdisch schlechte Daikatana sorgte damals für einen riesigen Aufschrei. John Romero war bekannt für bahnbrechende Spiele wie Doom und Quake, weshalb Fans ohnehin gehypt waren, obwohl selbst diese sich hiermit zurecht angegriffen fühlten. Das Problem war nur, dass das Spiel ewig auf sich warten ließ – und dann auch noch grottenschlecht war.

„It just works“, prahlte Todd Howard bei der Präsentation von Fallout 76. Er wusste verdammt genau, dass das Spiel ein unfertiges Bugfest war, aber das Publikum musste irgendwie auf ein Multiplayer-Fallout gehypt werden. Es wurde eine Tonne an Versprechungen gemacht, die nicht im Mindesten eingehalten wurden, wodurch das Spiel floppte wie kaum ein anderes zuvor.

Von wegen Gameplay-Grafik /©Digital Foundry

Ubisoft sorgte mit dem „Gameplay“-Video zu Watch Dogs auf der E3 2012 für einen Hype. Leider stellte sich im Nachhinein heraus, dass nicht nur die Grafik nicht dem entsprach, was versprochen wurde, sondern auch das Gameplay blieb hinter den Erwartungen zurück.

Es ist heutzutage nicht schwer, einen Hype zu generieren. Das Problem ist eher, ihm auch gerecht zu werden. Sonst fällt er in die Kategorie „Viel Wirbel um nichts“ und das sorgt für eine äußerst schlechte Nachwirkung. Niemand wird gerne belogen. Einen massiven Hype zu kreieren und dann nicht zu liefern, was versprochen wird, zählt jedoch zu Lug und Betrug. Als Folge davon sind die Fans beim nächsten Spiel vorsichtiger und lassen sich schwerer hypen. Wenn der Betrug besonders heftig war, wird aus dem Hype schnell ein Shitstorm, das Spiel wird zerrissen, die ganze Arbeit, die hineingesteckt wurde, war umsonst.

Lohnt es sich überhaupt?

Dieser Abschnitt ist der Grund, weshalb ich mich überhaupt des Themas angenommen habe. Ich stieß bei dieser News auf die folgende Tabelle:

©NintendoSoup

Na, wer von euch kann sich noch an den großen Hype um Landwirtschafts-Simulator erinnern? Kein Tag verging, an dem wir nicht an Plakaten vorbeifuhren, Werbung im Fernseher dazu sahen, die Leute schreiende Reaction-Videos zur Ankündigung bei Youtube hochluden…

Wer zur Hölle spielt sowas?

Schaut euch einfach mal die Top-Plätze der erfolgreichsten Game-IPs an. FIFA an erster Stelle! Ich kann mich an keinen Hype dazu erinnern. Mir wird eher die jährlich auftretende negative Publicity ins Gedächtnis gerufen, weil das Spiel sich buchstäblich nicht ändert und zum reinen Fußball-Glücksspiel-Simulator verkommen ist. Auch für Die Sims gibt es wenig Werbung. Klar, als das aktuellste Sims-Spiel vor der Veröffentlichung stand, gab es sicher vernünftige Werbe-Kampagnen und hin und wieder wird ein DLC beworben, aber einen vergleichbaren Hype wie bei Pokémon Schwert / Schild konnte ich bisher nirgends dazu finden.

Etwas wirklich Gutes wird sich fast von alleine verbreiten. Mundpropaganda ist die beste Form der Werbung, darin sind sich Marketer einig. Sorge dafür, dass die Kunden selbst dein Produkt empfehlen und du hast eine erfolgreiche Kampagne.
Offenbar hat sich eine große Fangemeinde aufgebaut, die gerne auf langsamen Fahrzeugen über riesige Felder tuckert und Country-Musik hört, oder was auch immer man da so macht. Der obige Trailer wird sicherlich den einen oder anderen Fan hypen, aber von einer Massenbewegung, welche zu Lieferengpässen am Release-Tag führt, wird man hier nichts spüren. Dennoch ist es in den Top 3 der PC-Spiele.

Die Qualität macht es. Die Spiele sind gut genug, dass sich die Spieler die jeweils neueste Version davon kaufen. EAs FIFA mal ausgenommen, denn ich bin felsenfest davon überzeugt, dass hier auch das Geld für das Ultimate Team mit hineinspielt, genau wie bei World of Warcraft die einzelnen Erweiterungen mitzählen. Bei FIFA macht es auch die schiere Masse, weil die Spiele für sämtliche Konsolen erscheinen.

Schaut euch Star Wars an. Jeder einzelne Titel wird im Voraus gehypt wie bescheuert. Ein Trailer ist epischer als der andere. Trotzdem ist es nur auf Platz 12, sogar noch hinter Just Dance! Ein verfluchtes Tanzspiel-Franchise für Partys mit zu viel Alkohol und zu wenig Hemmungen verkaufte sich besser als eine der größten Marken der Popkultur weltweit.

Und warum? Weil die Spiele dem Hype nicht gerecht wurden. Just Dance ist exakt, was der Titel aussagt – man tanzt nur. Man erhält, was das Spiel verspricht. Punkt. Ein Star Wars Battlefront II versprach eine Singleplayer-Kampagne auf der Seite des Imperiums – und lieferte nur 1-2 Missionen. Es versprach, als Darth Vader spielen zu können – verschwieg jedoch, dass man dafür eine Ewigkeit grinden oder unglaubliches Glück mit den Lootboxen – oder genügend Geld – haben müsse.

Unser guter Mario hingegen, der lediglich auf den diversen Nintendo-Konsolen sein Unwesen treibt, liefert im Allgemeinen, was er verspricht: einen Fun-Racer, ein Arcade-Tennis, eine verrückte Prügelei oder ein klassisches Jump ’n Run. Der Hype um die einzelnen Spiele hält sich in Grenzen, man erwartet ohnehin Qualität.

Unterm Strich

Es lässt sich also festhalten, dass ein Hype hilfreich sein kann, wenn das Spiel dahinter hält, was es verspricht. Wirklich gute Produkte benötigen jedoch keinen Hype, sondern verkaufen sich bei der richtigen Zielgruppe üblicherweise durch Mundpropaganda. Ein künstlicher Hype, mit dem von diversen Problemen abgelenkt oder eiskalt gelogen wird, geht definitiv nach hinten los.

Über Roger Hogh 750 Artikel
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.

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