Im Vorfeld waren die Erwartungen an PlatinumGames, dem Entwicklerstudio hinter Astral Chain, gewaltig. Mit Spielen wie Bayonetta/2, Metal Gear Rising: Revengeance, Vanquish, The Wonderful 101 und Nier: Automata hat diese Spieleschmiede schon mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie das Action-Genre förmlich inhaliert und echte Qualitätsarbeit abliefert.
Als bekannt wurde, dass ein Nintendo-Switch-Exklusivtitel erscheint, wollte und konnte ich meine Freude nicht im Zaun halten.
Die originelle Story
Beginnen wir mit einem Spieleaspekt, den man in der PlatinumGames-Historie niemals zum Kern formte. Und das war nicht einmal schlimm. Diente sie lediglich der Legitimation, Schellen zu verteilen, so ist die Story von Astral Chain ebenso eher zweckmäßig als Spotlight. Oder ist sie doch wichtig? Dazu später mehr.
Gefahr… rote Portale… Monster… Kontamination… Krankheit… Verwandlungen… Bibellösung zu wörtlich genommen… Arche gebaut, um Menschen Schutz zu gewähren… Monstern Feuer unterm hintern machen… machtgierige Wissenschaftler… Ende.
Mehr braucht ihr als Spieler im Vorfeld nicht wissen, denn der wahre Catcher liegt in zwei anderen Aspekten.
Aspekt Nummer 1: Artstyle und Style generell
Also das… gab eine Kettenreaktion. Der erste Screenshot blieb kein Einzelkind, bei Weitem nicht. Es folgten Bruder und Schwester, Bruder und Schwester Nummer 2. Bruder Nummer 100 und Schwester Nummer 100. Und alles harmonierte miteinander. Eine Großfamilie an Screenshots war geboren. Auch viele Videos gesellten sich hinzu.
Memes wurden geschaffen.
Dieses Spiel verleitete mich dazu, dutzende Dateien auf meiner Switch und meiner SD-Karte zu speichern, einfach weil es so unglaublich stilsicher ist.
Der Grafikstil der Charaktere erinnert an einen Cel-Shading-Look und lässt das Polizeiabenteuer in einem Animekostüm erstrahlen. Der Vorteil dieser Wahl liegt in der Innovation und der Langlebigkeit. Cel-Shading lässt Spiele optisch weniger stark altern. Als Beispiel zu nennen sei hier The Legend of Zelda: The Wind Waker.
Das futuristische Setting harmoniert gekonnt mit diesem Stil.
Wer sich gerne Animes anschaut, produziert beim Anblick von Astral Chain wahrscheinlich Extraspeichel.
Doch auch der generelle Style weiß zu überzeugen. Kämpfe sind, wie gewohnt, super choreographiert, Cut-Scenes gewaltig inszeniert und die Menüs sowie Monster und Legions schauen echt schick aus.
Jede Szene bietet eine Vorlage, um gewisse Momente in Form von Bildern oder Videos festzuhalten.
Das Obskure darf bei einem PlatinumGames-Titel natürlich nicht fehlen.
Tatsächlich ist die Optik ein großer Genusspunkt des Spiels, worauf die Entwickler auch sehr stolz sind.
Zum Style zähle ich die generelle Inszenierung der Welt und der Charaktere.
Mir fielen öfter verschiedene Games ein, deren Elemente in Astral Chain zu finden sind:
- Metal Gear Solid, wenn im Kommandoraum über Probleme der modernen Technologie gesprochen wird. Dazu die übertragenden „Codec-Gespräche“ und vor allem unser Mitstreiter namens Hal.
- Zelda allgemein aufgrund der Rätsel und der mysteriösen Musik der Astralebene. Zudem die Interaktionspunkte für die Legions, welche man im weiteren Spielverlauf erhält, um gewisse Bereiche betreten zu können.
- Metal Gear Rising: Revengeance im „Klingenmodus“ und beim Stehlen der Lebensenergie der Chimären.
- YU-GI-OH! beim Anblick des Legatus.
Aspekt Nummer 2: Gameplay
Hier erwartet den Spieler ein sehr schnelles Kampfgeschehen. Die Besonderheit stellen sogenannte „Legions“ dar. Für Normalsterbliche unsichtbare Wesen aus einer anderen Dimension, welche durch eine Kette mit euch verbunden sind und euch im Kampf treu zur Seite stehen.
Zu Anfang des Spiels startet ihr mit einer enizigen, der Schwert-Legion. Mit ihr sind Nahkampfangriffe besonders effektiv. Sie ist wenig komplex und daher sehr einsteigerfreundlich.
Insgesamt gibt es fünf Legions, die sich in ihren Talenten und Kampfschwerpunkten massiv voneinander unterscheiden.
Eine Legion mit Pfeil und Bogen ermöglicht euch Distanzangriffe. Die Bestien-Legion attackiert unsichtbare Gegner, kann Spuren verfolgen und Gegenstände ausbuddeln.
Mit der Arm-Legion sind mächtige Angriffe und das Heben schwerer Gegenstände möglich. Außerdem könnt ihr sie als Rüstung anlegen, um über Gefahren hinwegzuschweben.
Die Axt-Legion beschützt euch mit einem Schutzschild und kann bestimmte Barrieren zum Detonieren bringen.
Die Legions könnt ihr im Kampf per Knopfdruck wechseln und euch an jede Situation geschwind anpassen.
Doch bekommt ihr eure Mitstreiter nicht einfach geschenkt. Ihr spielt sie nach und nach in der namensgebenden Astralebende frei, indem ihr sie im Kampf besiegt und anschließend bändigt.
Ihr seid zunächst einfache Polizisten und werdet nach kurzer Zeit aufgrund eures Talents, wie soll es auch anders sein, in der Spezialeinheit Neuron tätig. Zu eurer Ausrüstung gehört der Multifunktions-Schlagstock, genannt X-Schlagstock, welcher sich zu einer Pistole für den Fernkampf oder zu einer Riesenklinge für den hohen Schaden verwandeln kann. Jede Variation hat Vor- und Nachteile und kann in Kämpfen beliebig gewechselt werden. Dadurch erhöht sich die taktische Tiefe.
Im Menü könnt ihr das Legion-Lernsystem nutzen, um eure angeketteten Kameraden aufzuwerten. Ihr wollt neue Techniken zuteilen, Attribute wie Angriff und Verteidigung verbessern, Synchro-Angriffe und Spezialangriffe erlernen sowie Fähigkeiten-Slots freischalten? All das könnt ihr hier verwalten.
Alles was ihr dazu benötigt, sind Gen- und Materialcodes. Gencodes erhaltet ihr von niedergestreckten Monstern. Doch glaubt nicht, dass ihr durch ein wenig Fleiß einfach alle Werte auf das Maximum pushen könnt. Gencodes sind relativ rar gesäht, wodurch ihr euch ganz genau überlegen solltet, wie viel ihr in welche Legion investiert.
Materialcodes bekommmt ihr für abgeschlossene Aufträge/Erfolge, welche im Spiel integriert sind oder aus Kisten, die es in der Welt zu finden gilt.
Je weiter ihr die Klinge aufwertet, desto mehr wird verlangt. Insgesamt existieren Seltenheitsstufen der Materialcodes: Einfacher Materialcode, seltener Materialcode und Premium-Materialcode.
Zu Anfang reichen die Gencodes, doch später wird zusätzlich für die verschiedenen Slots im Talentbaum eine festgelegte Anzahl an Materialcodes verlangt.
Seid also nicht zu verschwenderisch und überlegt, welcher Kampfstil zu euch passt und welche Legions diesen optimalerweise unterstützen.
Des Weiteren könnt ihr euren Legions Techniken zuteilen. Darunter zählen verschiedene Angriffsmuster oder Stärkungen für eure Legion und euch selbst. Pro Legion könnt ihr zwei Techniken zuteilen, welche ihr per Knopfdruck im Kampf einsetzen könnt. Jede Technik besitzt eine Cooldown-Phase, was ein Techniken-Spam verhindern soll.
Obendrauf kommen noch die Fähigkeiten. Zunächst besitzt jede Legion zwei Slots, in denen ihr Fähigkeiten unterbringen könnt. Diese besitzen verschiedene Eigenschaften. Es ist möglich, sein Tempo oder seine Angriffskraft zu erhöhen. Doch steht euch auch zur Auswahl, Gegner zu verlangsamen oder den Energieverbrauch zu reduzieren. Darüber hinaus existieren viele weitere Anpassungsmöglichkeiten. Meine favorisierte Kombination für die Schwert-Legion besteht zum Beispiel aus „Tempo +18%“ und „Auto-Synchro-Angr.“ Ich konnte also schneller agieren und bestimmte Angriffe, welche ein bestimmtes Timing voraussetzen, wurden automatisch ausgeführt.
Jede Fähigkeit verbraucht eine andere Anzahl an Slots.
Da ihr fünf Legions im Repertoire habt, könnt ihr diese im Kampf durchschalten oder aber beim Gedrückthalten der Wechseltaste ein Kreismenü aufrufen. Die Position der Legions ist hier anpassbar.
Egal ob Schlagstock, Pistole oder Riesenklinge: Nachdem ihr eine Kombo vom Stapel gelassen habt, blinkt ein Licht auf, um euch zu einem verheerenden Synchro-Angriff einzuladen. Nehmt ihr diese Einladung an, so erscheint eure ausgewählte Legion und führt einen speziellen Angriff aus. Was könnte dann folgen? Richtig, ein weiterer Synchro-Angriff, beim Betätigen der richtigen Taste im richtigen Moment. So entsteht ein schönes Kopfnussgewitter und kann im Verlauf des Spiels ausgeweitet werden.
Ein weiterer Clou ist das Rufen eurer Legion. Mit der ZL-Taste erscheint sie und kann sofort eingesetzt werden. Ihr habt verschiedene Möglichkeiten, nun in die Kämpfe zu gehen. Konzentriert ihr euch mit eurem X-Schlagstock und knüppelt eure Gegner, so agiert die Legion automatisch und leistet euch loyalen Beistand gegen denselben Feind.
Durch erneutes Drücken der ZL-Taste könnt ihr dem anvisierten Gegner eure Legion gezielt auf den Hals hetzen, auch über eine gewisse Distanz hinweg.
So ist es auch möglich, zwei verschiedene Gegner gleichzeitig zu bekämpfen.
Ihr bewegt euch mit dem linken Stick und könnt gleichzeitig euren Mitstreiter mit dem rechten Stick manövrieren.
Dadurch bieten sich einige Kunststücke an. Ihr seid in der Lage, Gegner mit der Kette zu umkreisen, sodass diese kurzzeitig handlungsunfähig werden. Auch hier habt ihr ab einem gewissen Punkt die Chance, direkt im Anschluss einen Synchro-Angriff auszuführen. Und das fühlt sich richtig wuchtig und gut an.
Des Weiteren könnt ihr die Kette an Gegner vorbeiführen und euch an eure Legion heranziehen. Während ihr um eure Gegner fliegt, könnt ihr ihnen saftige Tritte verpassen. Die Fähigkeit eignet sich auch super, um Feinde in der Luft mit eurem Schlagstock vertraut zu machen. Visiert dazu einfach einen Luftgegner an, schickt mit Gedrückthalten von ZL eure Legion zum Sturmangriff und schnellt mit ZR hinterher. Im Anschluss könnt ihr sofort eures Amtes walten und die Luft mit euren Angriffen unsicher machen. Es ist sogar möglich, von Gegner zu Gegner zu fliegen.
Genau diese Tiefe beherrscht PlatinumGames grandios.
Nichts hält ewig und so auch nicht die Legion, nachdem sie gerufen wurde. Ihr seht eine blaue Anzeige, welche euch zeigt, wie lange ihr die Legion noch im Kampf einsetzen könnt. Und das solltet ihr auch. Durch Drücken der R-Taste zieht ihr die Legion zurück, damit sich die Leiste wieder füllen kann. Die Dauer der Regeneration kann, wie ihr bestimmt schon vermutet habt, ebenfalls angepasst werden.
Sollte der Wert dennoch mal auf null fallen, so könnt ihr eure devote Unterstützung für einen gewissen Zeitraum gar nicht mehr auf das Schlachtfeld beordern. Dies stellt eine kleine Strafe für den fehlenden Überblick und/oder der Gier dar. Außerdem gestaltet sich dadurch das Kämpfen abwechslungsreicher.
Ihr habt, ähnlich wie in Metal Gear Rising: Revengeance die Chance, den Chimären mit einem Vergeltungsangriff die Lebensenergie zu stehlen. Dazu müsst ihr kurz vor deren Ableben die A-Taste drücken, um in einer stylischen Sequenz den Gnadenstoß zu setzen. Eure Lebensleiste wird, egal bei welchem Gegner, komplett gefüllt, was das Voranschreiten als etwas zu leicht gestaltet. Auch wenn man hier als Spieler die Wahl hat, mag man eventuell nicht auf die coole Animation verzichten.
Und selbstverständlich bietet jede Waffe und jede Legion verschiedene Angriffe samt unterschiedlichen Animationen, welche hervorragend gelungen sind und einfach flüssig aussehen. Es macht echt Spaß, in solch ein Spektakel involviert zu sein.
Ausweichen könnt ihr mit der B-Taste. Dreimal in Folge, dann unterbricht eine etwas längere Animation euren Vermeidungstanz.
Schafft ihr es, ein Ausweichmannöver perfekt zu timen, seht ihr das Geschehen kurz in Zeitlupe und habt die Möglichkeit auf einen Konter.
Grafische Oberfläche und grundlegende Steuerung
Als nächstes kommen wir zum Drumherum. Eine Lebensleiste, wie man sie mittlerweile kennt, zeigt eure Gesundheit an. An eurem linken Arm tragt ihr einen sogenannten Legatus. Über diesen wird die Verweildauer eurer Legion geregelt. In vielen Situationen erinnert der Apparat an die Duell-Disk aus YU-GI-OH! Je nach Status kann eure Legion länger im Gefecht antreten oder auch schneller wieder aufgeladen werden.
Eine besonders coole Funktion halten die EAD-Batterien bereit. Solltet ihr mal das Zeitliche segnen, singt euer Legatus metaphorisch „Einer geht noch…“ und belebt euch mit Hilfe einer Batterie wieder. Je nachdem, wie die Heilkraft kalibriert ist, wird eure Lebensleiste einfach gefüllt oder sogar darüber hinaus aufgeladen.
Sowohl euer X-Schlagstock als auch euer Legatus können in der Basis von einer Kollegin aufgewertet werden.
Auch das passiert nicht ohne Kostenaufwand. Habt also stets Geld und Materialcodes parat. Beim X-Schlagstock werden die verschiedenen Waffenwerte geboostet.
Beide Aufwertungsoptionen sind deutlich spürbar und motivieren zum fleißigen Sammeln.
Euer Protagonist kann langsam gehen, laufen, sprinten und sich zum Schleichen ducken. Ebenso könnt ihr Sprintattacken und Ausweichrutscher vollführen. Dabei fällt auf, dass viele Animationen erschaffen worden sind, um den Charakter möglichst lebendig zu gestalten.
Auf der einen Seite kann es schon etwas verwirren, wenn man beim Übergang vom Laufen zum Sprinten kurz stehen bleibt oder beim Umdrehen oder Anhalten immer etwas Zeit vergeht, doch auf der anderen Seite wirken die Bewegungsabläufe dadurch sehr authentisch.
Während euer Steuerkreuz in der Senkrechten für die Transformation eures X-Schlagstocks verwendet wird, könnt ihr auf der linken Seite Notizen einsehen, die ihr innerhalb eurer Ermittlungsarbeiten gesammelt habt – dazu gleich mehr. Die rechte Seite ist für eure Fotokamera zuständig. Schießt ihr Bilder von euren Gegnern, die in Astral Chain Chimären genannt werden, so werden dafür Dateien angelegt. In der Zentrale habt ihr auf eurem PC dann eine Gefährderdatenbank, wo ihr interessante Informationen zu euren Feinden abrufen könnt. Außerdem existiert eine Datenbank für die verschiedenen Charaktere der Spielwelt. Fotografiert ihr sie, habt ihr ab diesem Zeitpunkt Infotexte parat.
Schön ist, dass sowohl Charaktere als auch Chimären aus verschiedenen Positionen heraus betrachtet werden können.
Doch bietet die Kamera dazu auch noch einen echt vielseitigen Fotomodus, in welchem ihr verschiedene Effekte einstellen und unterschiedliche Posen einnehmen könnt. Beim Erstellen von lustigen Memes ungemein praktisch (siehe Beitragsbild).
Oben rechts auf dem Bildschirm ist eine Minimap samt priorisiertem Ziel angezeigt.
Dann gibt es noch die Items, die im Kampf eingesetzt werden und auf einen Hotkey gelegt werden können. Hier findet ihr entweder Medizin in verschiedenen Qualitätsstufen, Sekundärwaffen wie Drohnen und Granaten oder auch Getränke, die eure Stats boosten.
Eine Besonderheit stellen Items dar, die nur temporär zur Verfügung stehen. Habt ihr ein Kapitel abgeschlossen, gehen die sogenannten befristeten Einsatzmit wieder verloren. Hortet euer Proviant also nicht zu lange und nutzt es bei Bedarf.
Mit diesem kleinen Kniff wird verhindert, anspruchsvolle Spielabschnitte durch Itemspam in ihrer Herausforderung zu stark zu entwerten.
Die Astralebene…
… ist eine andere Dimension, welche von Wissenschaftlern begehrt erforscht wird. Birgt sie das Potenzial für neue Technologien und Energien sowie dem vertieften Verständnis der Chimären, so stellt sie auch einen häufig gewählten Kampfschauplatz dar.
An diesem Ort kämpft ihr um eure Legions, bestreitet Neben- und auch Hauptaufgaben.
Oftmals werden Menschen entführt und wollen von diesem Ort wieder in die „echte“ Welt evakuiert werden.
Aber auch vielen Chimären jucken regelmäßig die Fratzen, sodass wir eingeladen werden, diese zu kratzen.
Nicht selten stellt uns aber auch die Umwelt vor Herausforderungen. So müssen wir Geschossen ausweichen, bewegliche Wände geschickt umgehen, unsichtbare Plattformen schnell passieren, Giftgas meiden und sogar kleinere Rätsel lösen.
Leider nutzt sich das Feature durch stetige Streuung ab. Ich habe sehr viele Menschen aus der Astralebene gerettet. Die Muster wiederholen sich stark. Witzigerweise liegen die Vermissten fast immer völlig unversehrt am Ende der Ebene.
Wirkt dieser Schauplatz anfangs stilsicher, mysteriös und dadurch interessant, so eintönig und steril wirkt er nach dem x. Betreten.
Euch erwarten hier keine NPCs und keine Rätsel, die euch wirklich Hirnschmalz abverlangen. Alles ist recht simpel gehalten und eher zweckdienlich. Denn thematisch macht die Astralebene durchaus Sinn. Zudem hat es eine passende, futuristische Ästhetik, wenn man zwischen den Dimensionen reist. Dies geschieht durch das Betreten von Portalen.
Einige sind versteckt, sodass eifrige Spürnasen häufiger mit kleineren Challenges, Materialcodes, Techniken etc. belohnt werden.
Ermittlerarbeit
Neben den Kämpfen und dem Rätseln in der Astralebene findet sich ein weiteres Kern-Feature in der Arbeit als Polizist.
Astral Chain besteht nicht schlicht aus einer Reihung an Kämpfen, welche lediglich durch coole Cut-Scenes unterbrochen werden, sondern bettet das Setting sinnvoll ins Gameplay ein. Schließlich ist eure Uniform nicht rein zur Zierde da. Ihr seid Polizisten. Dementsprechend ist es eure Pflicht, Tathergänge zu rekonstruieren. Euer wichtigstes Tool dafür trägt den Namen Integriertes Realitäts-Imaging-System, oder kurz „IRIS“.
Hier seht ihr zum Einen Entfernungen und Richtungen von Missionszielen und Menschen und zum Anderen wichtige Spuren und Videodateien, welche vergangene Geschehnisse darstellen. So könnt ihr euch auf die Suche machen und Detektiv spielen. Gewisse Hinweise werden in euren virtuellen Notizblock übertragen. Hier kommt eure Bestien-Legion zum Tragen, da nur sie Fährten aufnehmen kann, welche erst durch das „IRIS“ sichtbar werden.
Die Optik unterstreicht die Analysemethode perfekt. Die Umgebung wird größtenteils geschwärzt und in Sektoren unterteilt. Spuren und Personen werden besonders hervorgehoben.
In dunklen Arealen kann es hilfreich sein, das „IRIS“ anzuschmeißen.
Auch bei verschiedenen Schleichmissionen ist es hilfreich, da so Wachposten leichter ausfindig gemacht werden können und man sogar die Blickbereiche einsehen kann.
Ihr könnt zwischen normaler Sicht und dem futuristischen Detektivblick reibungslos wechseln.
Habt ihr genug Hinweise gesammelt, folgt eine recht unlogische Fragerunde. Ein Kollege fragt euch völlig überflüssig wie bei einem Schultest ab, wie noch mal was war, obwohl schon alle Antworten bekannt sind. In eurer Notizkartei finden sich Stichpunkte von Zeugenaussagen, welche ihr als Antworten nutzen sollt.
Ist eine Antwort mal falsch, wird gesagt, es sei doch ganz anders gewesen. Dieses Element ist zwar sinnvoll, um in Erfahrung gebrachte Informationen abzurufen, ergibt innerhalb der Thematik aber null Sinn.
Nun denkt man Ermittlerarbeit nicht nur an Zeugenbefragungen, sondern auch an freies Kombinieren. Dies bietet Astral Chain leider nicht. Die Aufgaben sind recht simpel und vieles wird mit rotem Faden einfach vorgegeben und fühlt sich oft wie eine Aneinanderreihung von Tutorials an.
Es ist interessant und stylisch inszeniert, doch fehlt es diesen Spielabschnitten an Authentizität und Lebhaftigkeit.
Nichtsdestotrotz erfüllen sie ihren Zweck: Sie lockern das Geschehen auf und bieten zumindest mehr als andere Genre-Vertreter.
Alltagsbrei eines Polizisten
Doch sind nicht nur die Hauptaufgaben, sondern auch Nebenquests nach Bedarf zu meistern. Hier wird zwar Vielfalt in den Szenarien geboten, doch fällt der spielerische Aspekt dabei nicht sehr anspruchsvoll aus.
Einige Beispiele der banalen Aufgaben als Polizist:
- Kauft einem Kind ein neues Eis, weil seins heruntergefallen ist. Auf dem Rückweg balanciert ihr es mit eurem Controller aus.
- Schlagt irgendwelche vorlauten Stümper zusammen.
- Fischt einen Ballon aus einem Baum und fangt eine Katze ein.
- Observiert verdächtige Personen. Auch hier wird es eher unlogisch, wenn ihr Personen mit einer Legion belauscht, aber gar nicht wirklich weit wegsteht. Oder wenn ihr jemanden observiert und dabei entdeckt werdet, könnt ihr kurze Zeit später einen neuen Versuch starten, weil die Person ja ganz bestimmt die exakt gleiche Route noch mal laufen wird.
- Regelt einen Autostau, indem ihr Fahrzeuge clever manövriert.
- Rettet Menschen aus der Astralebene.
- Macht Besorgungen oder bringt Leuten ihre vergessenen Sachen.
Interessant ist, dass die Legions unsichtbar sind.
Die Szenarien sind zwar breit gestreut, doch sind sie spielerisch eher simpel. Doch das sollen sie auch sein. Man verwebt die Rolle des Protagonisten mit dem Gameplay, ohne aber darin auszuarten. Denn schließlich ist und bleibt das Verkaufsargument von Astral Chain das Kampfsystem und die rasante Inszenierung. Da ist es schlichtweg nicht nötig oder gefragt, eine Simulation zu bieten.
Durch diese Kombination wird einem das Setting nähergebracht und die Spielwelt lebendiger. Und damit kommen wir zum nächsten Punkt.
Ein konsequentes Setting
PlatinumGames versteht es unglaublich gut, ein Setting sehr konsequent in eine Spielwelt einzubetten, oder andersherum?
Das Polizeiflair mit der einhergehenden Spezialeinheit macht in einem Katastrophenszenario einfach Sinn. Die Gefahren, die auf die Umwelt und die Bürger einwirken, werden nicht einfach als nebensächlich hingenommen, sondern zum Hauptaspekt der Narrative und des Gameplays.
Wenn eine Gehaltsabrechnung nach einem Kapitel ins Report System geschrieben wird, erhält der Spieler eine Dienstbewertung. Diese wird durch den Eifer des Spielers massiv beeinflusst, da darin sämtliche Aufgaben und Kampfergebnisse gebündelt werden. Je nachdem wie gut man abschneidet, erhält man einen gewissen Lohn. Wie gewohnt, dürfen bestimmte Rechnungen zu erreichten Zielen und Aufgaben für eine Endwertung nicht fehlen.
Auch seht ihr hier, wie viele der verschiedenen Aufgaben ihr erledigt oder ausgelassen habt.
Als Polizist bekleidet ihr natürlich auch einen spezifischen Rang. Je höher eure Punktzahlen ausfallen, desto schneller werdet ihr befördert.
Das kommt jedoch nicht nur eurem Prestige-Bewusstsein zugute, sondern beeinflusst auch euren Grundlohn, den ihr so oder so nach jedem Kapitel erhaltet. Da ihr, wie bereits beschrieben, euren X-Schlagstock und euren Legatus aufwerten wollt, zahlt sich Strebsamkeit aus.
Auch die Kategorien passen verdammt gut ins Setting: Grundlohn nach Rang, Indiziensuche, Fälle erledigt, Entfernung Roter Materie, Feindneutralisierung, Gefahrenzulage (Schwierigkeitsgrad), Batterie-Ersparnis und der Versäumnisabzug.
Rote Materie ist eine Substanz, die aus der Astralebene in die Menschenwelt gelangt und für Krankheit, Lethargie sowie Niedergeschlangenheit verantwortlich ist. Als Spieler kann man diese Materie mit einer Legion entfernen, was man auch sehr häufig tut, da man dafür belohnt wird.
Eure Zentrale bietet einen Hauptversammlungspunkt, an welchem ihr tranieren und Aufwertungen vornehmen könnt. Wie für einen Polizisten üblich, gehört Schreibtischarbeit auch zum Alltag. Ihr fertig nach bestimmten Aufgaben passiv einen Einsatzbericht an und könnt viele Informationen zum Spiel über euren PC abrufen.
Einsatzbesprechungen erfolgen im Kommandoraum, wo allerlei Monitore und virtuelle Leinwände Informationen preisgeben.
Eine Krankenstation bietet hier zwar nur einen Ort, um das ein oder andere Gespräch zu führen und Heil-Items zu kaufen, frischt die Zentrale aber mit einer sinnvollen Ortschaft auf.
Eine solche Zentrale sollte auch mit passenden Fahrzeugen ausgestattet sein. In der Garage finden sich Autos und Motorräder, unter anderem euer Motorrad, mit welchem ihr die actionreiche Intro-Mission spielt.
In der Umkleide findet ihr euren Spint. Hier passt ihr eure komplette Optik an. Sowohl eure Ausrüstung als auch eure Frisur sowie Augen- und Hautfarbe können verändert werden. Ist zwar nach anfänglicher Erstellung eures Charakters unlogisch, aber in einem Videospiel vertretbar. Es macht einfach Laune, seinen Style zwischenzeitlich zu wechseln und mit lustigen Kombinationen herumzuexperementieren.
Wo führt man lockere Gespräche? Sicher… im Pausenraum. Hier trifft man immer irgendwelche Kollegen, die gerne tratschen. Ihr könnt euch an Getränkeautomaten Erfrischungen gönnen.
Vom Heliport, das Dach der Zentrale, fliegt ihr zu euren Einsätzen. Hier finden Gespräche und vereinzelt Aufgaben statt. Hauptsächlich bietet diese Ortschaft aber einen authentischen Missionsstart, vor allem wenn man schnell größere Distanzen überbrücken muss.
Noch nie zuvor habe ich ein solch sinnvolles Setting in einem Videospiel gesehen. Das ist auch der Grund, warum dieser Part einen so großen Teil im Test einnimmt. Astral Chain besticht auch durch seinen Style, der eben nicht nur was für das Auge bietet, sondern viele Gegebenheiten sinnstiftend darlegt.
Wie bewertet man Story und Charaktere?
Ein Punkt, über welchen ich lange nachgedacht habe.
Wir spielen hier ein Kampfspiel aus dem Hause PlatinumGames. Man weiß ungefähr, worauf man sich einlässt.
Die Geschichte war bisher zwar meist keine Katastrophe, aber eben nie Hauptaugenmerk. Man nimmt sich selbst nicht so ernst und versucht lieber, witzige und skurrile Momente zu generieren.
Also brauchte man diese Punkte in der Bewertung nur geringfügig zu berücksichtigen.
Bei den Charakteren hingegen konnte man stets interessante Personen ausmachen. Leider bietet Astral Chain fast ausschließlich Klischee-Abziehbilder ohne wirkliche Tiefe.
Warum ist die Lage bei diesem Game anders? Zum Einen weil ein eher ernsteres Szenario gezeichnet wird und zum Anderen, weil die Geschichte schon stark inszeniert ist und man viele Charaktere emotional einbettet.
Es macht den Eindruck, als wollte PlatinumGames auch in diesen Aspekten punkten. Doch leider sind sowohl die Geschichte als auch die Charaktere recht flach geblieben.
Technik
Bei dem technischen Grundgerüst wurde hier echt ein Feuerwerk abgeliefert. Auch wenn die 30 FPS nicht immer konstant gehalten werden können, spielt sich Astral Chain im Gesamteindruck extrem flüssig und das obwohl solch ein Effektgewitter auf dem Bildschirm flimmert.
Texturen, Licht- wie Schatteneffekte schauen in Kombination mit dem Cel-Shading-Look grandios aus.
Ladezeiten sind überraschend kurz, vor allem wenn man innerhalb der Zentrale das Areal wechselt. Da laden keine Texturen nach.
Der Sound ist gewohnt passend und gut implementiert. Der Soundtrack unterstreicht das Geschehen gekonnt.
Gerade der Track in der Zentrale hat es mir echt angetan, obwohl oder gerade weil er so simpel ist? Ich weiß es nicht.
Schwachstellen
Wir schreiben das Jahr 2019 und dennoch entschied man sich für einen stummen Hauptprotagonisten. Was in der Zelda-Serie noch Sinn macht bzw. weniger stört, ist hier doppelt unlogisch und störend.
Zu Anfang des Spiels entscheidet ihr über euer Geschlecht. Das macht Sinn, da Astral Chain mit einem Zwillingspärchen aufwartet.
Und nun das unfreiwillig Skurrile: Beide Charaktere sind voll vertont. Doch nie gleichzeitig. Wählt ihr den Mann, ist die Schwester vertont; wählt ihr die Frau, ist der Bruder vertont. Doch nie beide in einem Spieldurchlauf.
Dadurch wirken viele Szenen unglaubhaft und unfreiwillig komisch.
Ich kann verstehen, wenn Charaktere als Avatar fungieren und man sich selber hineinversetzen soll, aber so wie das hier gelöst wurde in einem Game, das eine emotionale Geschichte in der Art präsentiert, ist das einfach nicht zeitgemäß und ein klarer Minuspunkt.
Denn wenn man sich dazu entscheidet, das Spiel noch mal durchzuzocken und das andere Geschlecht wählt, hört man ja die andere Stimme und zack, ist die eigene Vorstellung überschrieben. Es macht, wie man es dreht und wendet, keinen Sinn.
Je nachdem, ob ihr die japanische oder englische Sprache favorisiert, könnt ihr zwischen diesen beiden einfach wählen.
Es ist schade, dass die Lippensynchronität in der englischen Fassung stark schwächelt und selbst in der japanischen Version nicht sehr präzise ist. Auch wenn meist akzeptabel gestartet und geendet wird, so bewegen sich die Lippen zwischendurch zu monoton, um das Auf und Ab innerhalb gut darzustellen.
Leider bleibt die Astralebene nach mehrmaligem Besuch recht unspektakulär und eintönig. Sie ist eher zweckmäßig und hätte kniffligere Rätsel vertragen können.
Schleicheinlagen sind extrem unglaubhaft. Selbst wenn niedergestreckte Wachposten im Blickfeld der anderen Wachen sind, wird die Gefahr nicht erkannt. Dazu scheint die KI nicht zu hören, was in der näheren Umgebung abgeht. Warnsysteme klingen zu schnell ab und wenn man mal kurz gesehen wird, wird man genauso schnell wieder vergessen.
Insgesamt empfand ich die Schleicheinlagen eher als nervig. Man wollte wohl die Astralkette noch weiter einbinden, da man sie verwenden musste, um Wachen Schlafen zu legen.
Im Gameplay finden sich leider auch zwei Schwächen. Sowohl die Kamera als auch die Anvisierung neigen zur Ungenauigkeit. Gerade wenn man eine Wand im Rücken hat, zoomt die Kamera öfter zu stark ins Geschehen, sodass man den Überblick verliert.
Auch kommt es vor, dass man den falschen Gegner anvisiert, was vor allem im Getümmel wiederholt auffällt.
Im Zusatzkapitel spielt man deutlich anspruchsvollere Missionen, in welchen genau diese beiden Punkte nach den ersten einfacheren Mission stark auffallen.
War man aus den Bayonetta-Titeln und Metal Gear Rising: Revengeance gewohnt, zu jedem noch so kleinen Zeitfenster unversehrt aus einer Kampfsituation rauszukommen, ist dies in Astral Chain leider nicht immer der Fall. Zum Einen wegen den vorher genannten Problemen und zum Anderen, weil man zwischenzeitlich des Öfteren ausweichen muss und nach dem dritten Mal eine längere Animation folgt. Es gibt Gegner, die lange Angriffsketten abfeuern. Da selten ein Gegner allein auftaucht, kann es sein, dass man in der Ruhephase nach dem dritten Ausweichen in eine Kombo hineingelangt, aus der man erstmal nicht mehr herauskommt.
In Bayonetta konnte man bei Kontakt einen speziellen Ausweichmove starten und bei Metal Gear Rising: Revengeance direkt zum Konter übergehen. Beides existiert hier nicht und kann zwischenzeitlich für Verärgerung sorgen.
Der Ort, an dem die letzten Menschen ihr Dasein fristen, nennt sich Arche. Ein moderner Stadtkomplex bildet hier das Zentrum.
Was zunächst recht offen wirkt, ist durch schlauchige Pfade und unlogische Barrikaden stark begrenzt. Man kann lediglich an Straßenübergängen auf die andere Straßenseite gelangen, was als Polizist zwar auch vorbildlich, aber insgesamt recht einschränkend und unlogisch ist.
Des Weiteren existieren Barrikaden, durch welche Passanten offenbar gehen können, wir als Spieler aber nicht.
Dadurch entsteht ludonarrative Dissonanz der negativen Art. Immerhin sind wir jemand, der Dinge herausfinden muss und auf einen Städtekomplex logelassen wird. Dennoch bewegen wir uns auf limitierten Schlauchpfaden, um unsere Arbeit zu erledigen.
Der Koop-Modus dient eher dem Marketing. Er fällt viel zu chaotisch aus, da einer die Richtung mit dem Spieler und einer die Kamera mit der Legion vorgibt. Außerdem muss zwangsläufig mit zwei Joy-Con gespielt werden.
Die Ermittlerarbeiten werden später eher zur Routine.
Geschichte und Charaktere sind eher flach.
Fazit
Pros:
- Artstyle und Style generell
- Rasantes und vielschichtiges Gameplay
- Hoher Wiederspielwert
- Toller Sound/track
- Viel Potenzial für Screenshots und Videos
- Vier verschiedene Schwierigkeitsgrade
- Gute Einführung ins Spielgeschehen
- Viele Aufgaben und allgemeiner Content
- Beeindruckende Technik
- Setting super mit Spielfunktionen verknüpft
Cons:
- Teils ungenaue Kamera und Anvisierung
- Astralebene irgendwann monoton
- Lippensynchronität nicht hochwertig
- Stumme Spielfigur
- Stark eingeschränkte Stadtpassagen
- Flache Story und Charaktere
- Chaotischer Koop-Modus
- Ermittlerarbeit später eher Routine
- Schleichpassagen unglaubhaft
- Teils hakelige Plattformer-Passagen
- Gelegentliche Pop-Ups
Astral Chain wurde von vielen heiß herbeigesehnt und teilweise mit Höchstwertungen versehen. Es existieren Stimmen, die verlauten lassen, es sei der beste Titel von PlatinumGames. Dies kann ich so nicht unterschreiben, da gewichtige Spielaspekte nicht vollends überzeugen.
Nichtsdestotrotz ist dieses Game in vielen Punkten grandios.
Im Jahr 1992 erschien Mortal Kombat… und ich. Wir beide sind auf unsere Weise brutal. Ich für meinen Teil fahre brutal auf Videospiele ab und beschäftige mich gnadenlos mit verschiedenen Themen, um Gleichgesinnte zu informieren.
Als treues Nintendokind befasse ich mich am liebsten auch mit Nintendospielen.
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