Weihnachten und Zocken [Montagsmeinung]

Weihnachten und Zocken – zwei Dinge, die für mich untrennbar miteinander verbunden sind.

Ich war alt genug, um eine eigene Konsole zu besitzen und unbeaufsichtigt nutzen zu dürfen, aber noch nicht alt genug, um Weihnachten mit der buckeligen Verwandtschaft aus dem Weg gehen zu dürfen. Der Weihnachtsmann – früher Papa oder Onkel, jetzt eher metaphorisch gemeint, bevor ich irgendwann dessen Platz für meine Zwerge einnehmen werde – wird mir auf jeden Fall das neueste Spiel, von dem alle anderen in der Schule bereits reden, schenken. Ich habe es ihm schließlich ausdrücklich gesagt und vorsorglich beim Shoppen in den Einkaufswagen gelegt, in der Hoffnung, dass es unkommentiert aufs Band gelegt wird.

Nachdem ich sämtliche ach-so-guten Verstecke heimlich inspiziert hatte und tatsächlich auf ein Päckchen gestoßen war, das in etwa die Maße einer Spielhülle entspricht, verwischte ich meine Spuren und entschied mich, als Dank an Heiligabend Frühstück für die Eltern zuzubereiten. Da meine Gedanken rund um das Spiel kreisten und ich bereits überlegte, wie ich meine Freunde einholen könnte, ohne offensichtlich als Spätkäufer und Hinterwäldler gebrandmarkt zu werden, fiel das Frühstück leider in die Kategorie „Danke, Liebling. Wir essen heute kein Frühstück, damit der Weihnachtsbraten reinpasst“. Ich lächelte zufrieden, als wäre ich gerade zum Meisterfrühstückszubereiter benannt worden.

Der Mittag bricht an und mit ihm stürzt die größte Hürde des Tages buchstäblich durch die Eingangstür: Die liebe Verwandtschaft. Bei mir bestand sie nur aus einem muffeligen Opa mütterlicherseits, doch kenne ich die Geschichten der Großfamilien, die oftmals ganze Restaurants für alle Familienmitglieder bis zurück zur ersten Generation der Blutlinie reservieren mussten, wobei die jüngeren Generationen sich zu dritt mit einem Stuhl abwechseln mussten.

Während der Herr des Hauses mit dem Braten beschäftigt war – Gans oder Ente, eines leckerer als das andere, mit genug Kartoffelklößen um einen Kindergarten oder zwei erwachsene Männer zu ernähren, und gerade soviel Rotkohl, dass man ein wenig vom Geschmack mitbekommt, bevor er alle ist – erzählte Opa Geschichten von seinen letzten Kurfahrten. Ich saß freundlich lächelnd gegenüber und hörte zu, bis wir an dem Punkt ankamen, an dem er die ewig gleichen Geschichten von früher erzählte. Dann saß ich nur noch freundlich lächelnd gegenüber und dachte an das spielhüllengroße Päckchen unter dem Baum.

Nach dem Essen wurde gespielt. Also Karten gekloppt. Uno, Rommé, Mau Mau, meist in dieser Reihenfolge, wobei die Länge des Spielens stark variierte. Entweder verlor mein Vater, oder mein Opa die gute Stimmung. Beide nahmen sich hierbei nichts und es war unausweichlich, dass einer der beiden irgendwann fluchend die Karten hinschmiss und sich in die Küche verzog, um runterzukommen. Sollte mir recht sein, dann kam die Bescherung schneller.

Dann endlich war es soweit: die Bescherung! Formlos und schnell lief sie vonstatten. Als Einzelkind mit begrenztem Taschengeld sah es ohnehin so aus, dass je ein Geschenk für Papa und Mama waren und der überschaubare Rest mir gehören sollte. Verpackungen wurden aufgerissen, es wurde „Aaah“ und „Oooh“ und „Vielen lieben Dank“ gesagt, allgemeines Umarmen und Küsschen geben und dann implodierte der Raum an der Stelle, wo ich eine Sekunde vorher noch gestanden hatte. Die Tür zu meinem Zimmer hatte ein Ich-großes Loch in der Mitte, notdürftig mit Brettern vernagelt. Es hing ein Schild mit „Bitte regelmäßig Füttern und den Weg zum Bad freihalten“ an der Tür. Aus dem Innern hörte man lautes Geballer, Gefluche oder Gelächter.

Ich denke gern an diese Zeit zurück, jedoch hat sich mit der Zeit mein Blick darauf etwas verändert. Das Schenken und Beschenktwerden nimmt einen niedrigeren Stellenwert ein. Ich lernte das nette Beisammensein mit der Familie immer mehr zu schätzen. Wenn ich heute ein Spiel geschenkt bekäme, würde es sicherlich noch am selben Abend angespielt werden, jedoch erst nachdem alle Gäste sich auf den Heimweg gemacht hätten. Man sieht die Familie eh viel zu selten. Manchmal hat das gute Gründe, oftmals aber auch nicht. Nutzt die Zeit mit der Verwandtschaft. Man weiß nie, ob sie im nächsten Jahr noch vollzählig ist.

Aber eines weiß ich genau: Ich freue mich darauf, wenn ich mal Nachwuchs habe und mit ihm gemeinsam an Weihnachten die neuesten Spiele austesten kann.

Wie verbindet ihr Zocken mit Weihnachten? Lagen bei euch Spiele unterm Baum? Was war der Bescherungsritus bei euch? Haut es in die Kommentare!

Über Roger Hogh 750 Artikel
Baujahr 1987, begann bereits als Zwerg mit einem Sega Master System II zu zocken, der einzigen Nicht-Nintendo-Konsole, die er je besessen hat. Begeisterter Fan von guten Metroidvanias und The Legend of Zelda. Überwiegend Einzelspieler, aber man findet ihn gerne mal bei einer Runde Smash Bros, natürlich als Link.

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